"Der hasardeurhafte Umgang mit der zunehmenden Atomkriegsgefahr gehört dringend auf die politische und mediale Tagesordnung."
Dieser Beitrag geht in die Richtung, dass nur dem Westen eine Eskalation vorgeworfen wird. Das ist so nicht korrekt, der oben zitierte Satz ist in erster Linie eine Verantwortung Moskaus. Darauf antwortet der Autor in keiner Weise, sondern schiebt die Verantwortung für eine Eskalation alleine der NATO und der Ukraine zu. Die Lösung des Krieges wäre also, Moskau seinen völkisch-imperialistischen Willen zu geben - und Frieden wäre. Also so ein Friedhofsfrieden wie in Belarus. Danach wäre Moskau zufrieden und kein Staat in Europa bräuchte sich mehr Sorgen zu machen, als nächstes den panslawistischen Zielen Moskaus unterworfen zu werden.
Wenn ich mir die Argumentation von Sarah Wagenknecht anschaue, dann sagt sie einerseits, der russische Imperialismus wäre zwar übelst, aber es müsse nun auf jeden Fall auf die russische Eskalationen (Invasion zum Zwecke der Zerschlagung der Ukraine, enorme Kriegsverbrechen an der ukrainischen Zivilbevölkerung) von europäischer Seite deeskalierend gehandelt werden.
Deeskalation wäre zunächst mal ein Stopp an Waffenlieferungen. Nun gibt es jedoch internationales Recht, auch von Moskau vordergründig anerkannt, das besagt, dass Waffenlieferungen an ein Land, welches unter Verletzung von internationalem Recht und bilateralen Verträgen zwischen Moskau und Kiew, legitim seien. Mal angenommen, die USA überfielen Kuba, würde Frau Wagenknecht dann auch der Meinung sein, internationales Recht spiele keine Rolle und jegliche Waffenlieferungen zur Verteidigung wären eine Eskalation? Ich denke nicht. Ich habe den Verdacht, dass Sarah hier mit doppeltem Maß spricht.
Desweiteren meint Sahra, es hätte bereits Fortschritte in den ukrainisch-russischen Verhandlungen gegeben, als Selensky anbot von einer ukrainischen NATO-Mitgliedschaft Abstand zu nehmen. Nach dem erfolgreichen Befreiungsschlag um Kiew und der Entdeckung der russischen Kriegsgräuel habe Selensky von seinem Vorschlag wieder Abstand genommen, mit Unterstützung Londons und Washingtons. Also liegt die Eskalation auf Seiten der Ukraine und der sie unterstützenden Länder. Mein Problem an dieser Sichtweise ist: warum hat Moskau in dieser Situation nicht einen Waffenstillstand ausgerufen, so wie es Ukraine und NATO ständig fordern? Um dann auf diesen Vorschlag vertieftere Verhandlungen zu führen? Wenn Moskaus Motiv für den Angriffskrieg bloß die NATO-Freiheit der Ukraine gewesen wäre, dann müsste dieser Schritt doch logisch sein.
Tatsache ist jedoch, dass Putin eine Kriegserklärung abgegeben hatte, die in seinem zaristischen Weltbild Souveränität und Identität der Ukraine verneinte, darüberhinaus die von Belarus und eigentlich aller europäischen Länder mit 'slawischer Rasse'. Der ideologisch völkische Bullshit des 19. Jahrhunderts halt. Sahra tut diese Erklärung ab mit dem Hinweis, Kriegserklärungen hätten prinzipiell die Natur, völlig überzogen zu sein, man müsse das realpolitisch nicht so ernst nehmen. Echt jetzt? Weia!
Ganz offensichtlich geht es Moskau gar nicht darum, ob die Ukraine in der NATO ist oder nicht. Putins Ziele sind klassisch territoriale: er will den Machtbereich Russlands vergrößern, indem Russland despotische Vasallenstaaten bildet, nach dem Vorbild Belarus. In Putins Denke schlägt er zwei Fliegen mit einer Klappe: neben der Erweiterung des Territoriums erhält Moskau eine absolutistische Kontrolle über drohende Farbenrevolutionen, die Putin sehr fürchtet.
Es ist naheliegend das als Tatsache ins Auge zu fassen. Moskau eskaliert und die Deeskalation liegt in Moskaus Hand. Waffenlieferungen an den angegriffenen Staat werden durch internationales Recht legitimiert, internationales Recht als Eskalation zu betrachten halte ich für falsch. Moskau musste auch mit Waffenlieferungen des Westens rechnen, genauso wie mit dem NATO-Beitritt von Schweden und Finnland, das sind doch keine Überraschungen für Putin nach dem Bruch aller Verträge. Dass Moskau einem Waffenstillstand nicht einwilligt, zeigt, dass Moskau kein Interesse an einer Deeskalation hat. Nicht umgekehrt! Schließlich liegt das Angebot der NATO-Freiheit der Ukraine auf dem Tisch, das könnte Russland international zu seinen Gunsten verhandlungsmäßig ausschlachten, wenn sie denn wollten. Tun sie aber nicht.
Die Eskalation liegt ganz auf russischer Seite. Und darauf geht weder Autor noch Sarah Wagenknecht ein.