bildungsbürgerlichen Schicht für totalitäre Propaganda und deren Fürsprecher waren und sind. Voraussetzung ist wohl nur, dass eine tiefsitzende Kernangst dieser Bevölkerungsgruppe getroffen wird. In den 30ger Jahren war das die Angst vor wirtschaftlichem Abstieg und politischer Instabiliät. Im Falle des Autors ist es offenbar die Angst vor einer atomaren Eskalation.
Solche Ängste kann man natürlich haben, die Frage ist nur, wie geht man damit um? Eigentlich sollte man meinen, dass ein Angehöriger dieser Bevölkerungsschicht gebildet und analysefähig genug sei, um den Budenzauber der Propaganda zu durchschauen. Der Autor spricht von "erheblicher US-Verantwortung" an dem russischen Überfall. "Verantwortung tragen" heißt: Ursächlich und vorwerfbar jedenfalls mitgewirkt zu haben.
Dazu führt der Autor diverse vermeindliche und vermutlich auch tatsächliche Völkerrechtsverstöße der USA an. Haben also die USA durch ihr Verhalten ursächlich und vorwerfbar dazu beigetragen, dass Russland jetzt das tut, was sie selber taten? Ist es überhaupt daselbe? Nun, demnach würde Russland in der Ukraine lediglich die USA nachahmen. Das führt allerdings nicht einmal Russland selbst an. Das ist auch abwegig.
Warum fällt dem Autor nicht auf, welche unsinnige Beziehung er da anführt? Das liegt vermutlich daran, dass er, starr vor Angst, schlicht nachplappert, was andere vorplappern, sofern es nur in seine Richtung geht. Er will, das steht dann wohl in Teil zwei seines sogenannten Essays, vermutlich das atomare Monster damit besänftigen, dass er Russland ein paar Stücke Ukraine zum Fraß vorwirft.
Aber warum braucht er dafür so eine vorgelagerte Erklärungsagenda? Ebenfalls vermutlich, weil es wenig bürgerlich wäre, einen Verbrecher einfach so für seine Untat zu belohnen. Das ist wohl der Grund, warum er nicht einfach schreibt: Also, wenn Russland verliert, gibt es einen Atomkrieg, daher muss es gewinnen, zumindest so, dass es zufrieden ist. Das ganze wohlfeile und unsinnige Erklärungstheater könnte er sich dann sparen. Dem Mann fehlt einfach der Mumm, sich seinen reinen Politpragmatismus selbst einzugestehen, er braucht da für sich selbst eine innere bürgerliche Rechtfertigung, und das ist das "eigentlich trägt da ja ein ganz anderer die Verantwortung für."
Am Rande noch ein Wort zu Thema Donbass: Der Autor geht wohl davon aus, dass die dortige Auseinandersetzung den russichen Einmarsch "doch so irgendwie jedenfalls ein bisschen" legitimierte. Zumindest lässt er das anklingen. Mal abgesehen davon, dass auch der Autor das dortige Geschehen schwerlich den USA anlasten kann und von einer humanitären Intervention nach allem, was man weiss, keine Rede sein kann: Selbst andernfalls würde das Prinzip des mildesten Mittels gelten, es darf also (wenn überhaupt, das ist völkerrechtlich sehr umstritten) nur das getan werden, was erforderlich ist, um die unmittelbare Gefahr zu beseitigen. Das wäre dann das Wegbomben der ukrainischen Artillerie im Umkreis diverser Kilometer gewesen, mehr nicht. Aus diesem Grund beschränkte sich die Kosovo-Intervention ja auch auf Luftangriffe.
Insgesamt also nicht mehr als ein insoweit allerdings durchaus ganz interessantes Dokument bürgerlicher Verwirrung und Verirrung angesichts einer drohenden Gefahr. Also: Künftig besser schweigen.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (09.09.2023 19:16).