Been there, done that.
Natürlich auch überfallartig mit Chef-Chef (Chef wurde gleich mit geschasst) und dem Typen von HR.
Erste Lektion, die jeder einüben sollte, ist die folgende Frage:
"Ist das ein Personalgespräch?"
Man ahnt ja in der Regel, was kommt. Und dann fragt man, ob das ein Personalgespräch ist. Und wenn die Antwort "ja" lautet, dann sagt man entweder, dass man das Recht hat sich vorzubereiten, und dafür das Thema zu kennen, und geht mit den Worten "bis in drei Wochen dann!" Oder man weist darauf hin und geht trotzdem ins Gespräch. Ich hab damals natürlich sehr ausdrücklich drauf hingewiesen, dass ich das nur aus Nettigkeit tue. Der AG hatte mich dazu sogar noch im Urlaub einbestellt, so als wäre es womöglich ein IT-Notfall, das geht natürlich eigentlich GAR NICHT.
Ach ja, und ein Mitglied des BR oder eine/n Mitarbeitende/n darf man auch mitnehmen, als Vertrauensperson, aber keinen Anwalt oder jemand von außen.
Zweite Lektion: Nicht unter Druck setzen lassen. Nix unterschreiben. Anhören, Vertrag mitnehmen, Bedenkzeit. Gerne bezahlte Freistellung, man kann ja mal drauf hinweisen, dass das besser wäre, weil man grade doch irgendwie total mitgenommen und auch demotiviert ist von der Sache. Bezahlte Freistellung immer schriftlich geben lassen, von HR und/oder Chef unterschrieben, mit Datum bis wann.
Dritte Lektion: Verhandeln. Mir hat man damals eine lächerliche Abfindung angeboten. Ich habe das Angebot am Ende locker um Faktor acht gesteigert (also 800%), je nach Ausgangslage geht da was. Wobei, ich war Betriebsrat mit drei Jahren Restlaufzeit, das half natürlich immens. Wenn man aus irgend einem Grund für eine Weile faktisch unkündbar ist (Mutterschutz, Betriebsrat oder auch nur bei den Wahlen Organisator gewesen, Schwerbehindert), dann das anführen. "Ich rechne ihnen mal vor, wie lange ich noch hier sein werde und was ich in der Zeit verdiene" hilft. Auch lange Betriebszugehörigkeit oder Familie kann helfen, denn die kann man bei einer betruebsbedingten Kündigung, Stichwort Sozialauswahl, nur nach den Singles los werden. Kurz: Wer seine Rechte kennt, gewinnt.
P.s. ja, auch Schwerbehinderte wurden bei uns mit Abfindungs-Überfall bedacht, aber Leute, die GERNE gegangen wären und kurz vor der Rente standen, nicht. Weil, man hatte die Chefs einfach mit wenigen Stunden Vorlauf Listen machen lassen. "Wenige Stunden Vorlauf" wegen Geheimhaltung - man will ja den Betriebsfrieden nicht stören, eh? :)
A propos Geheimhaltung: Firmen, die grade 200 Abfindungsverträge raus hauen, sind die selben Firmen, die laut proklamieren: "Wir haben noch NIE jemand betriebsbedingt entlassen!". Es kann also ein SUUUPER Argument sein, dass das alles ein bisschen öffentlich werden könnte. Bildzeitung und so, Sie verstehen? Man muss das halt sehr vorsichtig und "durch die Blume " anklingen lassen, Treuepflicht und so. Aber man sollte sich nicht einreden lassen, dass ein Aufhebungsvertrag ein Betriebsgeheimnis sei; die sind nämlich sehr strikt im Gesetz definiert. Und wenn man es geheim halten soll, dann kostet das, und zwar extra. Genau wie Sperrklauseln.
Bei alledem hat der Fliessbandarbeiter natürlich schlechtere Karten als jemand mit mehr Standing, das ist leider so. Aber trotzdem rate ich zu Verhandlungen. Bei uns hatte man auch versucht, Leute zu drängen mit "das ist das erste und EINZIGE Angebot". Man fragt dann mal nach, was sonst passiert. Bei uns gab es darauf nur Erstaunen und keine Antworten, aber ich glaube nicht, dass sie das Angebot durch Verhandeln invalidiert hätten. Inhaber und CEO wollen die Quote erfüllt sehen, HR ist nur wichtig, wie viele am Ende gehen. Ob der Einzelne versucht hat zu verhandeln oder nicht, interessiert die am Ende nicht die Bohne.
Auch noch pro Tip: Im Abfindungsvertrag muss natürlich drin stehen: "Dieser Abfindungsvertrag dient zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigung." Dann gibt es auch keine Sperrklausel beim Arbeitslosengeld. Die ARGE will das manchmal nicht hören, dann muss man halt mit Anwalt drohen.
Je nachdem lohnt es sich sowieso, den einzuschalten, und trotz ausverhandeltem Aufhebungsvertrag eine Kündigung zu forcieren, gegen die man dann Kündigungsschutzklage einreicht. Wohl dem, der eine Rechtschutz hat. So wird der Aufhebungsvertrag nämlich gerichtsfest, und aus der Abfindung wird ein Titel. Geht die Firma nämlich pleite, läuft man sonst seiner Abfindung hinterher und geht wahrscheinlich leer aus, mit einem Titel in der Hand aber nicht. Wenn sich jemand fragt, warum deutsche Gerichte überlastet sind: "Zwischen beiden Parteien abgesprochene Kündigungsschutzklage mit bereits feststehendem Vergleich zur Erlangung eines Titels" ist so ein Grund.
Zuletzt muss man noch auf die Steuer achten. Da gibt es so eine Veranlagung auf 5 fiktive Jahre, die massiv Steuern spart, besonders wenn man danach nicht sofort wieder viel verdient. Die muss der AG unter Umständen gleich mit beantragen, dazu müsste er die "Günstigkeit" prüfen, was er nicht absolut kann, und manchmal halt gar nicht tut. Sonst ist die Möglichkeit aber womöglich futsch; aber die Gesetze haben sich da 2024 geändert und das sollte jeder vorher selbst mal nachlesen.
Just my $0.02
p.s. zwei Wochen, nachdem man 200 Leute abgefunden hat, plus einen Haufen Externe weg geschickt hat, hat die Firma dann wieder haufenweise Leute eingestellt; teils auf die selben Stellen und mit mehr Gehalt. Im modernen Turbo-Kapitalismus ändert sich halt die "Lage der Nation" in zwei Wochen, oder die rechte weiss nicht, was die linke tut. Und das war nicht mal eine Aktiengesellschaft, die sind bei sowas noch viel schlimmer.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (08.01.2025 14:45).