WARNUNG: Der folgende Beitrag erfordert vom Leser die Bereitschaft, sich auf ungewohnte Gedanken einzulassen.
Es gab zur Zeit des Bauhauses eine Architektur-Initiative, die nie begriffen wurde und von der sich selbst viele ihrer Verfechter als überfordert erwiesen. Ich schreibe von dem, was Steiner, Gründer der Anthroposophie in Dornach in der Nähe von Basel zu inaugurieren versucht hat. Wer glaubt, daß anthroposophisches Bauen das reine Nachäffen irgendewelcher Bauten mit abben Ecken sei, der hat von Steiners Ansatz nichts begriffen.
Der Steinersche Ansatz ist so weitgehend, daß einem schwindelig werden kann. Er liefert zunächst ein umfangreiches Panorama geistiger Wesen, in dem die Menschheit eine Abteilung (Hierachie) ist. Der Mensch steht, was ihm in früheren Zeiten bewußt war, in inniger Verbindung mit einem weiten Spektrum von Geistwesen, in deren Wirken er eingebettet ist. Seine Aufgabe besteht darin, sich innerhalb dieses Reigen nach und nach eine Form von Eigenständigkeit zu erarbeiten. Den äußere Ausdruck dieses Menschwerdens nennen wir "Kultur".
Nun ist es so, daß das Ganze keine geradlinige Angelegenheit ist. Und schon gar nicht sollte man meinen, daß es alle Geistwesen gut mit den Menschen meinen. Es gibt Wesen, die die Menschheit fördern und solche, die sie zu ihren separaten Zielen mißbrauchen wollen.
Und so konstatiert Steiner die Existenz von Geistwesen, die einen verführerischen Einfluß auf die Menschheit ausgeübt haben und noch immer ausüben, die unter der Bezeichnung "Luzifer" Karriere gemacht haben und deren Wirken die Menschheit seit ca 5000 Jahren in besonderer Weise unterworfen war. Nun ist das Wirken dieser Geister ab etwa 1840 durch eine andere Klasse von Geistern abgelöst worden, für die die etablierten Weltanschauungen noch gar keine passende Bezeichnung gefunden haben. Steiner nennt diese Geister "Ahriman". Während Luzifer die Menschheit dazu verführen wollte, sich als zu hoch zu betrachten (siehe, du bist wie Gott), ist es Ahriman's Absicht, die Menschheit Glauben zu machen, er sei nur eine Art höheres Tier. Das reine Nützlichkeitsdenken is es, was die ahrimanischen Geister der Menschheit einträufeln wollen, und man muß nur die Kulturentwicklung seit 1840 vergleichen mit allem, was vorher passiert ist, um zu bemerken, in welch außerordentlichem Maße alles nach Utilitarismus, Nützlichkeit, reiner geistloser Funktion strebt.
Dieser Einfluß ist gerade dabei, sich voll zu entfalten und wird die Menschheit noch jahrtausende beschäftigen. So wie die Menschheit lernen mußte, sich Luzifer gegenüber zu behaupten, wird sie lernen müssen, die ahrimanischen Kräfte zu bezwingen.
Man kann nirgendwo so deutlich den Umschwung der luziferisch inspirierten Kultur zum ahrimanisch impulsierten Funktionalismus beobachten wie in dem, was einmal Baukunst war. Die Leute merken, daß da etwas sehr wesentliches passiert ist, aber sie können sich keinen Reim draus machen. Man debattiert über Bauhaus oder nicht Bauhaus, aber das Ergebnis ist im Grunde egal: alle Seiten sind ahrimanischem Nützlichkeitsdenken verfallen und es ist im Grunde egal, wer Recht behält.
Was die Menschheit sich erarbeiten muß im Laufe der nächsten Jahrtausende, wird im zweiten Teil des Faust deutlich beschrieben: Faust will zu den "Müttern", den geistigen Urbildern, die allen Erscheinungen zugrunde liegen. Mephistopheles will ihm das ausreden und sagt: "Nichts wirst du sehn in ewig leerer Ferne, den Schritt nicht hören den du tust, Nichts Festes finden wo du ruhst". Faust antwortet: "In deinem Nichts hoff’ ich das All zu finden." Daraufhin gibt sich Mephistopheles geschlagen und bestätigt: "Ich rühme dich, eh’ du dich von mir trennst, und sehe wohl, daß du den Teufel kennst; Hier diesen Schlüssel nimm."
Solange die Menschheit nicht an einen vergleichbaren Punkt kommt, wird sie, nicht nur was das Bauen angeht, nichts als utilitaristische Nullitäten zustande bringen.