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  • Emrymer

mehr als 1000 Beiträge seit 28.08.2020

Den Alltag schränken die anderen ein

Die Diskussion dreht sich um alltagseinschränkende Verhaltensabweichungen vom sonst üblicherweise erwartbaren, das nicht alltagseinschränkend ist.

Wissen Sie, wie hart man bis heute noch für rote Locken gemobbt werden kann? Zählt das als "alltagseinschränkend", oder muß man das eben hinnehmen, so als "persönliches Pech, kann ja jeder mal haben mit solchen Haaren"?
Dasselbe trifft übrigens auf Gewitterblitze zu: gar nicht wenige Menschen haben Angst vor ihnen (oder vor den sie begleitenden Geräuschen). Und weil diese Angst innerhalb gewisser Grenzen absolut berechtigt ist (Blitzableiter sind ein Segen! Nur kann man nicht überall, wo es im Sommer trocken und im wahrsten Sinne des Wortes "brandgefährlich ist", einfach mal statistisch verteilt Blitzableiter aufstellen...), ist auch die Erfassung jenseits wissenschaftlicher Neugier durchaus eine sinnvolle Angelegenheit.

Andererseits ist das, was "alltagseinschränkend" ist, ganz überwiegend eine gesellschaftliche Setzung. "Die Natur" schränkt uns ja schon lange quasi gar nicht mehr ein, es sind andere Menschen. Es ist eine Frage der Konvention, welche Einschränkungen völlig selbstverständlich und "en passent" ausgeglichen werden - das mangelnde Sprachvermögen von Kleinstkindern etwa, über das kein vernünftiger Mensch sich auch nur im geringsten mokiert, weil es ja selbstverständlich ist. "Alltagseinschränkend" ist es trotzdem, wenn der kleine Mensch nur weinen kann, um sich verständlich zu machen. Auch das Halten eines Haustieres ist "alltagseinschränkend", bei manchen Haustieren schon ziemlich "abweichend" und wird trotzdem nicht als "krankhaft" betrachtet, sofern es nicht bestimmte Regeln verletzt.
Andererseits ist wenigstens bei manchen Kindern, bei denen ADHS (zu recht?) diagostiziert wird, schon die Frage, ob eine "Alltagseinschränkung" überhaupt vorläge, wenn sie nicht dummerweise in eine konventionelle Schule müssten... (@ Steffen12345 : Ich leugne damit nicht, daß es Menschen gibt, bei denen eine ADHS-Symptomatik zu echten Alltagseinschränkungen führt. Ich bezweifle nur, daß es bei allen, bei denen es diagnostiziert wird, so ist - und insbesondere: so wäre, wenn man ihnen einen Lebenraum gewähren würde, in denen sie nicht als krank, sondern als sie selbst betrachtet würden.)

Ist das weit genug für dich?

Ad hominem? Ist das notwendig?
Ich halte mehr davon, sich vernünftlich über sachliche Fragen auszutauschen. Ohne übrigens sich daran zu delektieren, irgendjemand die Finger abzuschneiden, verbrennen zu lassen oder auch nur in Tintenfässer zu stecken.
Wenn etwas als Abweichung "alltagseinschränkend" ist, gibt es immer noch eine ganze Latte von Möglichkeiten, damit umzugehen. Man kann die Abweichung sanktionieren (Finger abscheiden, mobben, für krank erklären, ...), widerwillig mit ihr leben (wegschauen, schulterzucken, ...), sie mit einem gewissen Interesse betrachten (neugierig, wissenschaftlich, ...), oder sie wohlwollend integrieren (das Gute daran sehen, sich herausfordern lassen...).
Warum sollte man eine negative wählen, wenn es auch positive gibt?

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