Eine medienkritische Analyse
Wissenschaft scheint zu einem Kampf zwischen Gut und Böse zu
verkommen. Nicht Erkenntnisgewinn scheint in der Wissenschaft das
Ziel zu sein, sondern ob sie "gut" oder "böse" sind. Der Artikel von
Stefanie Schneider zeigt eindruckvoll, mit welchen Mitteln sich
berufen fühlende Journalisten den Kampf um die "gute" - hier:
ökologische - Wissenschaft führen und wie sie letzlich so selbst die
Ideologielasigkeit in der Wissenschaft porträtiert.
Es dauert beim Lesen nicht lang, bis die Autorin den Pfad der
sachlich-rationalen Auseinandersetzung verlässt:
"'Hat ein ganzer Forschungszweig seine wissenschaftliche Redlichkeit
verloren?'" zitiert sie ein populärwissenschaftliches Magazin. Dessen
Unwissenschaftlichkeit stellt sie - zu Recht - auch gleich dar:
"gemeinsam allerdings mit Schicksalsfragen wie 'Werde ich schneller
blau. wenn ich mein Bier mit dem Strohhalm schlürfe?' oder 'Ist
Schluckauf ansteckend?'"
Dass solche Magazine eher zur Verblödung als zur Bildung beitragen,
ist bekannt, ihre Kritik daran in einem Artikel über Klimaforschung
geht hingegen am Thema vorbei. Oder doch nicht? Will sie mit ihrer
Kritik etwa die Aussage, dass es gar nicht so gut um die Objektivität
der Klimaforschung steht, in Verruf bringen, weil sie von einem
schlechten populärwissenschaftlichen Magazin getätigt wurde? Das ist
nicht nur keine gute Argumentation, damit zeigt die Autorin ihre
eigene ideologische Voreingenommenheit.
Tatsächlich stellt sie korrekt fest, dass die Diskussion um das Klima
eine ideologisches ist:
"Die Folge ist eine hoch politisierte Debatte, die sich mittlerweile
an einzelnen Personen festmacht und sich von der Klärung eines
wissenschaftlichen Sachverhalts zusehends entfernt hat."
Doch anstatt diese Kritik aufzunehmen und sich auf eine sachliche
Ebene zu begeben, klärt sie den Leser sogleich über die beiden Lager
auf und macht so selbst die Diskussion zu einer Frage der Person und
nicht des Inhalts:
"Auf der einen Seite Michael Mann, durch seine
Hockeyschläger-Veröffentlichungen bereits in jungen Jahren zu Ruhm
und Ehren gekommen; auf der anderen Seite die beiden kanadischen
Klimaskeptiker…"
Wie im traditionellen Western muss dem Zuschauer - hier: dem Leser -
sogleich vermittelt werden, wer die Rolle des Bösen einzunehmen hat.
Das erleichtert das Verständnis bei der Verfolgung des Films bzw. des
Artikels. Denn wie im Film: der Böse hat natürlich unrecht. Böse sind
hier die Klimaskeptiker, was die Autorin auch gleich zitiert:
"Wer sich nun fragt, was einen Klimaskeptiker eigentlich ausmacht ...
Vertreter dieser Spezies finden sich bevorzugt im Dunstkreis
wahlweise konservativer oder neoliberaler Think Tanks, der Kohle
und/oder Erdölindustrie. Zur Diskreditierung der Klimaproblematik und
der Klimaforscher bedienen sich die Skeptiker dabei des gängigen
Strickmusters von Vereinfachungen, der Einstreuung falscher
Behauptungen und der Zitierung von einzelnen abweichenden
Expertenmeinungen. Originalität, Fehlanzeige – dafür reichlich
schrill tönende Polemik."
Die von der Autorin so bezeichneten Klimaskeptiker - die Guten heißen
bei ihr Klimaforscher - gehören also dem Bösen Lager an, weshalb ihre
Argumente natürlich falsch _sein_müssen_ (es geht der Autorin ja
nicht um eine sachgerechte Abwägung). Wenn die Autorin also
fortfährt, über die Kritik an der Klimakatastrophe zu schreiben, hat
sie schon den Zuschauer - pardon: Leser - auf das Böse und seine
Argumente eingestimmt: die Kritik ist natürlich nichts anderes als
eine "Diffamierungskampagne", das "Können" eines der bösen
Protagonisten wird gequotet und all dem kommt eine "gewisse
Aussagekraft zu". So zieht die Autorin eine Argumentation ad hominem
auf.
Einer der Hauptkritikpunkte an der Arbeit der Guten, Michael Mann,
ist schlampige Datenhaltung und -dokumentation. Die Autorin stellt
zunächst klar, dass dies ein schwerer Verstoß gegen wissenschaftliche
Statndards ist. Doch weil das Gute immer recht hat, will sie dies
nicht gelten lassen und stellt die angeworfene Schlamperei als die
Verteidigung des Guten gegen das Böse dar:
"Eine andere Interpretationsmöglichkeit wäre aber, dass die Autoren
Steven McIntyre, der sich alsbald als Wolf im Schafspelz und an
sachlicher Fachdiskussion wenig interessierter Klimaskeptiker,
entpuppt haben dürfte, ihr Datenmaterial nicht überlassen mochten;
denn freiwillig die eigene Demontage befördern will wohl niemand."
Das heißt: der gute Wissenschaftler braucht seine Daten nicht zu
veröffentlichen, weil der böse Wissenschaftler sie ja kritisieren
könnte. Doch es kommt viel schlimmer:
"Brauchbare Datensätze, derer sich die Klimaforschung bedienen kann,
liegen nun mal nicht auf der Straße bzw. in der Pampa. Mitunter ist
es daher notwendig, mit suboptimalem Material zu arbeiten, da
schlicht kaum Alternativen verfügbar sind. So haben Mann et al. auf
die Limitierungen der Verwendung von Borstenkiefer-Reihen in ihrer
Veröffentlichung 1999 eigens hingewiesen."
Nach der Logik der Autorin kann ein Wissenschaftler seine Schlüsse
auf nicht optimales Datenmaterial stützen, wenn kein besseres
Datenmaterial vorliegt. Oder anders: man sollte dem guten
Wissenschaftler glauben, wenn er auf "suboptimalen" Daten arbeitet.
Denn: der gute Wissenschaftler hat schon allein deswegen Recht, weil
er die gute Sache vertritt. Ein Klischee aus Westernfilmen, das sich
auch in der Wissenschaft niederschlägt.
Die ganze Diskussion zeigt auf, dass sich einerseits Wissenschaft
gerne vereinnahmen lässt, indem sie auf gesellschaftliche Modetrends
wie Ökologie setzt und sich so Gelder sichert. Sie zeigt aber auch
auf, dass Wissenschaft gerne politisch vereinnahmt wird, sei es durch
pseudowissenschaftlichen Journalismus, der wissenschaftliche
Untersuchungen einseitig oder gar falsch darstellt oder sei es durch
die Politik, die ihrerseits Wissenschaft gerne als Legitimtion ihres
Handelns sieht.
Das Dilemma, in dem sich die Wissenschaft nun befindet ist
selbstgemacht. Erscholl noch vor nicht allzu langer Zeit der Ruf aus
dem Elfenbeinturm auszubrechen, so fluchen manche Wissenschaftler
über diesen Schritt, der Wissenschaft zum Spielball von Entertainern
und Politik machte.