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  • Trent

mehr als 1000 Beiträge seit 24.07.2001

fortsetzung1

4. Kalter Krieg im Norden und heiße Kriege im Süden    [Übersicht]
Nach den beiden großen Weltkriegen verlagerte sich das
Kriegsgeschehen aus dem industrialisierten Norden vor allem in die
Länder des 'unterentwickelten' Südens. Das heisst, man folgte dem Rat
aus dem 
    Jahr 1891 gleich auf doppelte Weise,
indem man diese Länder nicht nur über hohe Verschuldungen mit
Industriegütern versorgte, sondern auch noch mit den Rüstungsgütern
zur Durchführung von Stellvertreterkriegen, bei 
    denen man gleichzeitig die Qualität
neuer Waffen erproben konnte. Doch obwohl man auf diese Weise Europa
und die USA kriegsfrei halten konnte, betrieb man während des
sogenannten Kalten Krieges zwischen West und Ost 
    eine Aufrüstung, deren Größenordnung
alles bislang Dagewesene in den Schatten stellte. Allein ein
einzelnes U-Boot der US-Trident-Klasse wurde bereits mit einer
Atomraketen-Bestückung ausgerüstet, deren Sprengkraft 
    die der gesamten im letzten Krieg in
Europa und Asien eingesetzten weit überstieg. Mit diesem immer
wahnsinnigeren und immer teureren Wettrüsten sorgte man nicht nur für
lukrative Kapitalanlagen, sondern zwang 
    schließlich auch den Ostblock in die
Knie, der – neben der Versorgung seiner Bevölkerung – das Tempo
dieser Aufrüstung nicht mithalten konnte.
Dennoch trafen der westliche Kapitalismus und der östliche
Kommunismus nicht nur bei diesem 'Rüstungskrieg' und indirekt bei den
Stellvertreterkriegen im Süden aufeinander, sondern auch direkt
bereits 
    im Korea-Krieg und in einer bisher
kaum bekannten grausamen Realität und Brutalität zum zweiten Mal in
Vietnam. Das Ausmaß der dabei angerichteten Schäden an Mensch und
Natur, auch an den seelischen der 
    Überlebenden, ist kaum zu ermessen.
Neben den militärischen Formen der Kapitalvernichtung, zu denen auch
der ständige Austausch der Waffengenerationen gegen neue und immer
kostspieligere zu zählen ist, wurden in den Jahr-zehnten nach 
    dem Zweiten Weltkrieg auch
verschiedene zivile Formen entwickelt, die Kapitalmärkte tendentiell
vom Druck der überschüssigen Geldvermögen auf die Zinsen zu
entlasten.
Dies geschah einmal durch eine ständig steigende Verschuldung der
Südhalbkugel, mit der gewissermaßen die frühere Ausbeutung durch
offene Sklaverei in eine versteckte umgewandelt wurde. Der 
    brasilianische Arbeiterführer Luis
Ignacio Silva bezeichnete darum die Auswirkungen der Auslandsschulden
einmal als "Dritten Weltkrieg", als "geräuschlosen, aber deshalb
nicht weniger unheilvollen 
    Krieg ... gegen die gesamte Dritte
Welt, ein Krieg um die Auslandsschulden. Seine schärfste Waffe ist
der Zinssatz, und sie ist tödlicher als die Atombombe." [5]
Mit diesen Kreditgewährungen an den Süden entlastete der Norden
außerdem die Kapitalmärkte in den Industrienationen und trug auf
diese Weise – auf Kosten der Schuldnerländer – zu einem Hochbleiben
der 
    Zinsen bei. Dass die Schuldnerländer
zur Bedienung ihrer Schulden zum Export um jeden Preis und zu
entsprechenden Dumpingangeboten gezwungen waren, kam dem Norden über
billige Rohstoff- und Agrarpreise nochmals 
    zugute. Die US-Publizistin Susan
George hat nicht zu Unrecht eines ihrer Bücher mit dem Titel "Sie
sterben an unserem Geld" versehen5. Und auf dem Völkertribunal
anlässlich der Tagung des IWF in Berlin 
    1988 fand man noch stärkere Worte:
"Der Terrorismus der heutigen Welt ist der Terrorismus des Geldes".
Zum zweiten erreichte man in den Industriegesellschaften die zur
Zinshochhaltung erforderliche Kapitalknappheit (und damit die
Vermeidung größerer kriegerischer Kapitalvernichtungen) bislang mit
einer ressourcenverschwendenden Produktion von Verschleiß- und
Wegwerfgütern, also mit einem gigantischen Krieg gegen die Vernunft
und die Natur. Da sich aber die Bürger trotz einer immer
übermächtiger werdenden Werbeflut 
    nicht genügend an dieser
Verschwendungswirtschaft beteiligten, sprangen die Staaten mit der
Förderung von immer neuen Großtechnologien in die Bresche.
Doch gemessen an der Alternative, die Zinsen mit Kriegen hoch zu
halten, sind diese zivilen Methoden der Kapitalvernichtung noch als
human zu bezeichnen, wenngleich es vielmals humaner wäre, unsere 
    Volkswirtschaften aus dieser
Zwickmühle zwischen noch mehr Wachstum oder Krieg zu befreien.
Die sogenannte Nachkriegszeit nach 1945 (die allzuoft schon zu einer
neuen Vorkriegszeit zu entarten drohte!) war also keine wirkliche
Friedenszeit, sondern eine Zeit, in der sich einerseits 
    gigantische Geldvermögen und
Realvermögen durch Zins und Zinseszins anhäuften und in der
andererseits zur Sicherung der Rentabilität dieser Vermögen ungeheure
Mengen davon auf unfriedliche Weise vernichtet werden 
    mussten. So kam es nach 1945 zu mehr
als 200 Kriegen in aller Welt. Doch auch schon der Krieg gegen die
Natur und den Süden und die vielfältigen damit verbundenen sozialen
und ökologischen Zerstörungsprozesse lassen 
    daran zweifeln, dass unser Zeitalter
der modernen Zivilisa-tion nur im Zeichen menschlicher Vernunft
gesehen werden kann. Denn Vernunft, Menschenrecht und Fortschritt
gehen immer noch einher mit 
    Menschenrechtsverletzungen und
Zerstörungen von Leben. Weder in der zivilen Arbeitswelt noch im
militärischen Bereich geht es rational – also vernünftig – zu,
sondern im gerade- zu irrationalen Streben nach 
    maximalen Kapitalrenditen wird
inzwischen schon die angeblich 'zu teure' menschliche Arbeitskraft
aus der Arbeitswelt wegrationalisiert und durch Kapital ersetzt.




Der sich völlig überschlagende Börsenboom und das heutige Bemühen,
den Einsatz und die Bedienung des Kapitals durch seine globale
Ausweitung sicherzustellen, sind möglicherweise der letzte Versuch, 
    dieses System noch einmal auf
friedlichem Wege über die Runden zu bringen. Es sei denn, wir
versuchen es auch noch über die Erde hinaus in den Weltraum oder gar
auf andere Gestirne auszuweiten. Da alle diese Auswege 
    letztlich aber immer an den irdischen
Möglichkeiten scheitern müssen, droht uns – wie in dem Fluss-Schema
dargestellt – am Ende immer noch jene große zerstörerische
Auseinandersetzung zur 'Vernichtung der 
    Überproduktionen', die aufgrund des
atomaren Vernichtungspotenzials allzuleicht auch zu einem Ende
unserer Zivilisation oder gar des menschlichen Lebens führen könnte.
5. Der Missbrauch der Entwicklungsländer     [Übersicht]
Im Frühjahr 1995 konnte man in der Nr.14 der Zeitschrift "Focus"
lesen, dass die Kriege unserer Tage nicht so sehr die großen
Konflikte zwischen verfeindeten Staaten seien, sondern 
    überwiegend grausame Bürgerkriege,
deren Ursachen vor allem ethnische, religiöse und soziale Spannungen
wären. "Schauplatz dieser blutigen Kriege sind zu 90 Prozent die
Länder der Dritten Welt. Opfer sind vor 
    allem unschuldige Zivilisten –
Frauen, Kinder und Alte. Auf einen getöteten Soldaten kommen zehn
tote Zivilisten."
Die hier genannte Ursachenreihung wäre allerdings besser umzukehren,
denn die ethnischen und religiösen Ursachen treten meist erst dann zu
Tage, wenn die sozialen Bedingungen unerträglich werden. 
    Satte und zufriedene Menschen haben
wenig Lust zu Revolten und Revolutionen, noch weniger, ihren Besitz
oder gar ihr Leben dabei aufs Spiel zu setzen. Schon der
Generalsekretär der Uno, Boutros-Ghali, hatte am 6. 
    März 1995 in Kopenhagen darauf
hingewiesen, dass die Staatengemeinschaft ihren Blick allzusehr auf
die Friedensoperationen der UN gerichtet und dabei übersehen habe,
dass soziale Entwicklung eine Grundvoraussetzung 
    für Frieden sei. Denn "79 der 82
Konflikte in den vergangenen Jahren hätten soziale Ursachen".
Boutros-Ghali rief deshalb zu einem Sozialpakt auf. Auch der damalige
Bundesarbeitsminister Norbert Blüm 
    warnte vor den Folgen sozialer
Ungleichheit: "Die Welt wird in einem Chaos von Völkerwanderungen
versinken, wenn die Kluft zwischen Arm und Reich so bleibt, wie sie
ist, oder sogar noch größer wird."
Doch all diesen schönen Worten auf internationalen Tagungen steht
eine andere Wirklichkeit gegenüber: Die reichen Industrienationen
schaffen es noch nicht einmal, jene 0,7 Prozent des Sozialprodukts 
    für die armen Länder abzuzweigen, zu
deren Zahlung sie sich schon vor Jahrzehnten verpflichtet haben.
Inzwischen sind diese Leistungen – mit abnehmender Tendenz – bei 0,3
Prozent des BSP gelandet. Und was noch 
    schlimmer ist: Ihre Hilfe für die
Dritte Welt ist nicht nur von Schulden überwuchert und mit Auflagen
zum Vorteil unserer eigenen Industrien verknüpft, sondern in einer
unverantwortlichen Weise mit 
    Rüstungslieferungen. Man braucht sich
nur einmal die beiden Abbildungen in der Darstellung 2 anzusehen, die
im Dezember 1990 in der Zeitschrift "Finanzierung und Entwicklung"
veröffentlicht wurden, 
    herausgegeben von IWF und Weltbank."





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