Das ist die Diagnose des Autoren, den ich übrigens sehr gern lesen, weil er unterhaltsam ist und gescheit zu schreiben vermag. Und trotzdem habe ich ein Problem mit dem Text. Und das als männlicher Mensch, der kein eigenes Auto mehr besitzt und für den das Fahrrad das Hauptverkehrsmittel ist. Übrigens aus sehr praktischen wirtschaftlichen, gesundheitlichen, psychischen und gar nicht ideologischen Gründen.
Nur lesen wir, dass das Auto eine männliche Selbstwertprothese ist. Ok, mag so sein. Nur, wodurch ist das bewiesen? Weil der Autor Autor auf dem Weg zum Schwimmen Zeuge eines kleinen Rennens übergeschnappter Jungmannen wurde? Weil in anderen im Text beschriebenen Fällen KFZ als Waffe zur Ermordung vieler Menschen genutzt wurden oder werden sollten? Und dieser Beweis gestattet die Schlussfolgerung auf die 48.200.000 und ihre Fahrer und Fahrzeughalter?
Was ist das? Anekdotische Evidenz oder mehr die Überzeugung, dass es so sein muss, weil man es zuvor schon so oft gelesen hat.?
Für mich ist es Voodoo, Spekulation und, Verzeihung, Phrasendrescherei. Ich glaube zum Thema des Amoklaufes schon Klügeres, Überzeugenderes und auf jeden Fall Bedenkswerteres gelesen zu haben und dass in unserer Weltgegend, wo es nicht leicht ist, sich eine andere wirksame Waffe zu beschaffen, das Auto sich für die Täter anbietet, ist nicht so schwer zu verstehen. Jedenfalls ist der Amoklauf keine Funktion des KFZ. sonst hätten wir ein Problem. Nicht mal eine des SUV.
Und bleiben wir bei der Substitution männlichen Selbstwertgefühls durch bewegliches Blech. Von der fehlenden Evidenz für diese These schrieb ich schon. Und bitte, die sofortige Erwähnung , dass man da einen durchgeknallten Porschefahrer nebenan kenne, ist was anderes als Evidenz. Wenn man trotzdem der unabänderlichen Meinung ist, das dies mehr oder mehrheitlich auf die 48.200.000 Fahrer, wenn sie denn männlich sind, zutrifft, reicht mir die blanke Behauptung nicht. Und wenn man es denn einschränkt auf eine -vermutlich und Gott sei Dank sehr kleine- Minderheit, muss man diese soziologisch schon eingrenzen und exakt beschreiben. Kommt vielleicht was dabei raus, dass man dann wieder nicht schreiben mag.
Aber meine Beobachtungen sind auch in dieser Frage ganz anders, keinesfalls so, dass mangelndes Selbstwertgefühl, männliches zumal, sich da aufdrängt. Im Gegenteil und mehr als beim üblichen Mittelstandsnerd und Warcraftspieler wird man schon da finden. Nun sind meine Beobachtungen genauso viel Wert wie die des Autoren, nämlich, wenn es um eine Verallgemeinerung geht, nichts. Aber die These von der angenommenen Schw*verlängerung greift viel zu kurz. Oder, um es genauer zu schreiben: so populär wie sie ist, so unbelegt und dumm erscheint sie.