Auch in Deutschland wird man als Fahrradfahrer sehr selten von der Polizei 'drangsaliert'. Die beiden Male, wo mir das passiert ist, war ich noch Schüler bzw. Student (einmal eine Rotlichtfahrt, bei der ich den Streifenwagen neben mir ignorierte und einmal weil ich den Radweg in der falschen Richtung befuhr). Die Polizei hat garnicht genug Resourcen um regelmäßig gegen falschfahrende Radler vorzugehen.
Die Verhältnisse in Dänemark und den Niederlanden hätte ich hier auch gerne, inklusive grüner Welle für Radler per App oder Regensensor. Mein Eindruck in den Niederlanden (Anfang der 1980er Jahre als Auto- und Radfahrer in Amsterdam) war, dass dort eine etwas andere Verkehrskultur in Bezug auf das Radfahren herrscht. Das Fahrrad als Verkehrsmittel hat dort eine lange Tradition und anderen Stellenwert als in Deutschland. Der Rest funktioniert eventuell über soziale Kontrolle, was hier in Deutschland gar nicht geht (Verkehrsteilnehmer die hier gegenseitig auf Verkehrsregeln und Verstöße hinweisen, sind der schnellste Weg zum Austausch von Beleidigungen und eventuellen körperlichen Auseinandersetzungen). In Kopenhagen (Anfang der 2000er, allerdings nur als Autofahrer) hatte ich das Gefühl, dass es sich nicht so sehr von einer deutschen Großstadt unterscheidet (die Sonderstellung der Radfahrer in Amsterdam war dagegen sehr deutlich). Aber was man so hört sind die Dänen auf einem guten Weg und wenn wir in einer deutschen Großstadt mit Kopenhagen gleichzögen, wäre schon viel erreicht.
Worauf ich hinaus will, ist dass ein anderes Verkehrsgeschehen auch eine andere 'Verkehrskultur' erfordert. In Vancouver (Anfang der 2000er als Fußgänger erlebt) halten Autos sofort wenn ein Fußgänger nur den Anschein erregt am Zebrastreifen die Straße überqueren zu wollen (hier nicht denkbar) oder große mehrspurige Kreuzungen welche statt mit Ampeln durch 4-Way-Stop geregelt werden, das hat damals sehr gut funktioniert. Eine andere Verkehrskultur erfordert eine Änderung in den Köpfen der Verkehrsteilnehmer. In Deutschland sind die meisten Radfahrer (da nehme ich mich nicht aus) nicht anders drauf als der durchschnittliche Autofahrer.
Meine Arbeitsstelle liegt ca. 10 Kilometer von meiner Wohnadresse entfernt. Homeoffice ist in meinem Beruf nicht möglich. Ich fahre die zweimal 10 Km mit dem Rad sommers wie winters weil ich etwa gleich schnell ankomme wie wenn ich den ÖPNV benutze (Umsteigen und entsprechende Wartezeiten fallen weg). Letzten Sommer war wegen der Pandemie plötzlich richtig viel los. Auf Wegen die ich mir vorher nur mit zwei Joggern, drei Radfahrern und einem Fußgänger mit Hund "teilte" waren jetzt, je nach Tageszeit, etwa die drei bis zehnfache Zahl an Leuten unterwegs. Egal auf welchen Strecken war plötzlich Radverkehr wie sonst nur an einem sonnigen Wochenende. Wenn ich das in Gedanken nochmal mit X multipliziere (es muss ja ein nennenswerter Prozentsatz vom Auto auf das Rad umsteigen um von einer Verkehrswende zu sprechen), kommen mir Zweifel, ob der Spagat zwischen dem Fahrrad als Freizeitbeschäftigung und einem ernsthaften Transportvehikel für die Massenmobilität in den Städten gelingt.