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  • Naturzucker

mehr als 1000 Beiträge seit 06.03.2012

die Politik muss wieder lernen, dass sie nicht jede Infektion verhindern kann

Nach 20 Monaten kann man durchaus mal die These wagen, dass nicht die Infektion an sich das Problem darstellt, sondern die Krankheit, die aber vor allem ältere Menschen betrifft.

Jedenfalls kann es auf Dauer keine Lösung sein, wenn die Politik die Menschen jedesmal bei Aufreten einer neuen Mutation erst einmal prophylaktisch wegsperrt. So lange vor allem ältere Menschen häufiger schwer an Corona erkranken, stellt sich die Frage, ob man bei der übrigen Bevölkerung am Ende mit fortgesetzten Lockdowns nicht das Gegenteil bewirkt. Wir sehen bei Kindern, dass durch erzwungene Isolation und Verhinderungen von Kontakten deren Immunsystem sogar geschwächt wird. Ich halte es nicht für unwahrscheindlich, dass erzwungener Bewegungsmangel durch Schließung von Sportstätten und fehlende Kontakte bei Erwachsenen den gleichen Effekt haben. Hinzu kommt, wenn man die Kontakte vom Freien in geschlossene Privaträume verdängt, dann dient dies auch nicht unbedingt dem Schutz vor Infektionen.

Van Dissel räumte ein, dass sich die Omikron-Variante als harmloser herausstellen könne. Wenn man aber nicht jetzt reagiere, dann sei es im Januar 2022 zu spät für härtere Maßnahmen. Somit ist der Lockdown ab dem heutigen 19. Dezember der Erste, der präventiv wirken soll.

Mit dieser Begründung können die Niederlande jedes Jahr ein paar Male in einen Lockdown gehen. Denn neue Mutationen von Sars-Cov2 sind so sicher wie das Amen in der Kirche und von der Anpassung vorhandener Impfstoffe bis zu der Auslieferung erster Dosen vergehen 100 Tage. Dann ist der Winter in der Regel schon vorbei.

Bislang wurde von jeder neuen Mutation behauptet, sie sei ansteckender und gefährlicher als ihre Vorgänger. Der Umstand, dass sich eine neue Variante als dominant durchsetzt, reicht den Medien ja bereits dazu, dies als Nachricht aufzubauschen. Dabei ist es in der Natur ein völlig normaler Vorgang. Eine Variante verdrängt die vorhergige. In der Folge sieht man, wenn man positive Tests sequenziert, halt einen deutlich Anstieg, was auf eine stärkere Verbreitung schließen lässt. Wo ist hier die Nachricht?

So lange es keine wissenschaftliche Erkenntnisse dazu gibt, dass CFR und IFR oder andere Auswirkungen der Krankheit deutlich erhöht sind, muss die Regierung halt diese Ungewissheit aushalten. Ansonsten droht künftig mit jeder neuen Mutatation ein Lockdown. Und da die Wahrscheinlichkeit neuer Mutationen bei nahezu 100% liegt, wäre dann auch ein Lockdown zu nahezu 100% wahrscheinlich. Trotz Impfung, Booster und allen anderen Maßnahmen.

Aber vielleicht liegt das Problem ja auch ganz wo anders?

Die Erwartung der harten Maßnahmen führte aber auch zur Kritik, die Niederlande hätten zu spät mit den Auffrischungsimpfungen ("Boostern") angefangen. Zudem hieß es, der Druck auf das Gesundheits- und Pflegesystem sei auch deshalb so hoch, weil man die Maßnahmen im Sommer zu schnell gelockert hätte.

Auch diese Analyse geht am Kern vorbei. In den Niederlanden wie auch in Deutschand sind ca. 2/3 der Covid-Patienten auf den Intensivstationen älter als 60.

https://coronadashboard.government.nl/landelijk/intensive-care-opnames

Siehe Tabelle ICU admissions per age group over time. Aufgrund der mutmaßlich längeren Liegedauer älterer Patienten werden sich die Zahlen kaum von denen in Deutschland unterscheiden.

https://www.intensivregister.de/#/aktuelle-lage/altersstruktur

In Deutschland haben sich die Zahlen in den letzten Wochen etwas in Richtung jüngere Patienten verschoben. Hätte man hier jedoch im Oktober die Auffrischung der Impfungen von Menschen über 50 abgeschlossen, dann lägen viele von denen jetzt nicht auf den Intensivstationen.

Israel hat dies rechtzeitig begriffen und nachgeschossen.

https://ourworldindata.org/explorers/coronavirus-data-explorer?zoomToSelection=true&time=2020-03-01..latest&facet=none&uniformYAxis=0&pickerSort=asc&pickerMetric=location&Metric=Vaccine+booster+doses&Interval=7-day+rolling+average&Relative+to+Population=true&Align+outbreaks=false&country=DEU~ISR~NLD

https://ourworldindata.org/explorers/coronavirus-data-explorer?zoomToSelection=true&time=2020-03-01..latest&facet=none&uniformYAxis=0&pickerSort=asc&pickerMetric=location&Metric=Hospital+admissions&Interval=7-day+rolling+average&Relative+to+Population=true&Align+outbreaks=false&country=DEU~ISR~NLD

Man sieht in Israel eine eindeutige Korrelation zwischen Booster Imfungen und ICU Einweisungen. In Israel hat man Ende Juli mit der Auffrischung begonnen. Rechtzeitig zu dem Zeitpunkt, als die Wirkung der MRNA Impfung wie durch vorherige Kenntnisse belegt, deutlich nachgelassen hatte. Ab Ende August geht die Zahl der ICU Einweisungen dramatisch zurück. Zufall?

Wir haben in Deutschland und den Niederlanden kein Erkenntnisproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem. Sowohl nationale Regierungen aber insbesondere auch Brüssel haben es erneut versäumt, von Israel zu lernen und rechtzeitig die richtigen Maßnahmen einzuleiten. Auch, wenn die derzeitigen MRNA Impfstoffe noch nicht auf Omikron bzw. Delta angepasst sind, so reichen diese augenscheindlich dennoch, in den am meisten betroffenen Altersgruppen das schlimmster zu verhindern.

Es liegt also nicht an den gelockerten Maßnahmen, sondern an den zu spät getroffenen Maßnahmen. Europa hat sich sehr früh auf eine Impfung als Ausweg aus der Pandemie festgelegt. Man wusste aus Studien von Biontech und aus Israel, wie schnell die Schutzwirkung der MRNA Impfstoffe nach der zweiten Dosis nachlässt. Hätte Europa rechtzeitig sich darauf konzentriert, Menschen über 50 oder 60 die dritte Spritze zu setzen, dann wäre man locker durch den Winter gekommen. Statt dessen konzentriert man sich immer noch darauf, die vorhandenen Kräfte möglichst breit zu verstreuen und selbst Kinder zu impfen, damit sie Oma und Opa nicht anstecken, anstatt die vorhandenen Kräfte zu bündeln und Oma und Opa direkt zu schützen.

Maßnahmen eignen sich offenbar nur bedingt, ein Überspringen des Virus auf die am meisten gefährdeten Personenkreise zu verhindern. Deutschland hat dies im letzten Winter schmerzlich erfahren müssen, als trotz diverser Einschränkungen die Sterblichkeit in den älteren Semestern daramtisch zunahm.

Für ältere Mitbürger ist der Impfschutz derzeit der einzig offiziell zugelassene Weg, der ihnen offenbar am meisten hilft.

Eine zu späte Auffrischgung, eine Auflösung von Impfzentren und mobilen Impfteams, muss man angesichts vorhandener Erkenntnisse schon als unterlassene Hilfeleistung werten.

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