Bartträger schrieb am 20.03.2021 10:39:
KarlderEinfaeltige schrieb am 19.03.2021 18:34:
Es ist bis heute ungeklärt, wer für das Attentat auf Khyber verantwortlich ist.
https://de.wikipedia.org/wiki/Saurrevolution
Zum Auslöser des Putsches wurde die Ermordung von Mir Akbar Khyber, eines kommunistischen Ideologen des Partschamflügels, am 17. April 1978 durch bis heute nicht identifizierte Attentäter. Die Regierung machte Hizb-i Islāmī unter Führung von Gulbuddin Hekmatyār für den Tod Khybers verantwortlich. [...] Taraki beschuldigte nach der Machtübernahme der DVPA das Daoud-Regime, für den Mord an Khyber verantwortlich zu sein. Nachdem Karmal nach Amins Tod Präsident wurde, erklärte dieser, dass Amin die Brüder Siddiq und Arif Alamyar mit der Ermordung Khybers beauftragt hätte. Karmal ließ die Brüder im Juni 1980 hinrichten.
Ja. Der Punkt ist, dass es der Auslöser des Putsch war. Auf Tarakis Ansicht würde ich nicht viel geben.
Ändert eben nichts daran, dass es schlicht unbekannt ist, ob die Islamisten oder sonst irgendjemand für das Attentat verantwortlich ist. Und damit ist das Argument, "die Islamisten hatten mit der Tötung des Parteiführers die Eskalation initiiert" eben hinfällig.
https://www.zeit.de/zeit-magazin/2019/14/massaker-kerala-afganistan-mudschahedin-taliban-kommunisten
Am 20. April 1979 wurden afghanische Regierungstruppen angewiesen, in dem Dorf Kerala alle Männer zu erschießen. Das Massaker mit 1.260 Toten gilt als der Beginn des bis heute andauernden Bürgerkriegs.
Ein herrliches Beispiel verkürzter Erzählung. Leider eine Kernkompetenz westlicher Geschichtsschreibung und unserer Leitmedien.
Im Artikel (allerdings hinter der Paywall) steht schon deutlich mehr drin. Der Untertitel gibt naturgemäß nicht den ganzen Text wieder.
Diese blutige Politik hat überhaupt dazu geführt, dass sich der Widerstand so breit etablieren konnte. Die Sowjets haben im Laufe des Jahres 1979 immer wieder versucht, die DVPA zu einer moderateren und weniger gewalttätigen Politik zu veranlassen
Hab ich auch gelesen. Glaube ich auch. Insbesondere Taraki scheint ein Brutalo gewesen zu sein. Zur Geschichte gehört aber auch, dass die islamistischen Guerilla-Kämpfer damals überhaupt nennenswert Waffen hatten, weil die von ausländischen Geheimdiensten ausgerüstet wurden. Damit wurde das staatliche Gewaltmonopol gezielt hintertrieben und die Gewalt von außen eskaliert.
Nein, das ist sicher nicht korrekt. Die ersten Waffenlieferungen der CIA erfolgten im Januar 1980. Der ISI hat zuvor sicher schon Waffen gestiftet, in welchem Umfang ist auch unbekannt. Aber das war mit Sicherheit nicht der Löwenanteil. Die meisten Waffen hat der Widerstand aufgrund großflächiger Desertierungen von Armeeeinheiten erhalten. Von 1978 ging die Truppenstärke der afghanischen Armee von 110.000 auf 25.000 im Jahr 1980 zurück. Die Herrschaften haben beim Desertieren sicherlich nicht ihre Ausrüstung abgegeben. Das wurde gerade sichtbar beim größten Aufstand im März 1979 in Herat als ganze Einheiten übergelaufen sind. Die vom ISI unterstützte Hizb-i Islami von Hekmatyar war in Herat überhaupt nicht involviert.
https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Cyclone
Entscheidend für die Ausbreitung des Widerstands waren weniger dessen militärische Stärke, sondern vielmehr Auflösungserscheinungen der afghanischen Armee. Die Mannstärke der afghanischen Armee reduzierte sich hauptsächlich durch Desertionen von 110.000 im Jahr 1978 auf 25.000 im Jahr 1980. Die US-Botschaft in Kabul kabelte nach Washington, die afghanische Armee schmilze dahin „wie eine Eisscholle im tropischen Ozean.“
Siehe auch UN-Charta Artikel 2, Absatz 4; Resolution 2625: "Jeder Staat hat die Pflicht, die Organisierung, Anstiftung oder Unterstützung von Bürgerkriegs- oder Terrorhandlungen in einem anderen Staat und die Teilnahme daran oder die Duldung organisierter Aktivitäten in seinem Hoheitsgebiet, die auf die Begehung solcher Handlungen gerichtet sind, zu unterlassen, wenn die in diesem Absatz genannten Handlungen die Androhung oder Anwendung von Gewalt einschließen."
Gegenfrage: Welche der Parteien hat sich denn an die UN-Charta gehalten? Afghanistan hat schön Ausbildungslager für paschtunische und belutschische Separatisten unterhalten und hat 1960/61 Armeeeinheiten (natürlich ohne offizielle Klamotten) nach Pakistan geschickt, die USA, Pakistan, Saudi-Arabien und China haben den afghanischen Widerstand unterstützt und die Sowjets haben bei ihrer Intervention den amtierenden afghanischen Präsidenten liquidiert. Also ich sehe keine.
So bringt man Menschen zum Kämpfen, die sonst keine Jobs haben. Afghanistan Ende 70er ist ein entscheidender Wegpunkt von Osama bin Laden, der damals mit eigenem und fremden Geld die Anwerbung und Bezahlung von Kämpfern begann. Von CIA und ISI, die schon zur Bildung der "Rettungsfront" beitrugen, hatten wir's schon oben. Osama wird auch sicher nicht der einzige Geldverteiler und Job-Beschaffer gewesen sein. Wer diesen Detektor im Hinterkopf hat, findet auch beim Lesen von bspw. ZEIT-Artikeln (einem Hotspot bellizistischer Schreiber-Scharlatane in Deutschland) Körnchen von Ẃahrheit.
Nur hat die Aquirierung ausländischer Freiwilliger erst Mitte der 1980er nennenswert angefangen. 1984 waren's gerade um die 50 ausländische Kämpfer. Und die sind da auch nicht wegen der CIA oder dem ISI hingefahren, sondern wegen der sowjetischen Intervention und Repressionen in ihren Heimatländern.
https://books.google.de/books?id=7FfPDwAAQBAJ&pg=PA268
Wenn eine ganze Region erst eine Kriegswirtschaft bzw. Kriegsgesellschaft aufgebaut hat, wie Afghanistan seit den End-70ern, braucht es Generationen, bis sich das System wieder normalisieren kann. Schon wenn keine Geldgeber von außen eingreifen. Schlechte Karten. Zumal immer mehr Geld auf der Welt unterwegs ist, das keine Möglichkeit mehr zur sinnhaften Investition finden kann. Viel höher Steuern wären ein unblutiger Weg, aber der hat für Neoliberale unüberbrückbare Hürden. Ein weiteres ideologisches Kampffeld.
Die höheren Steuern sorgen noch lange nicht dafür, dass die Gelder in den Zielländern sinnvoll eingesetzt werden und das ist auch ziemlich schwierig. Afghanistan ist schon ziemlich lange ein Rentier-Staat.
https://www.afghanistan-analysts.org/en/special-reports/the-cost-of-support-to-afghanistan-new-special-report-considers-the-reasons-for-inequality-poverty-and-a-failing-democracy/