Ein riesiges strategisches Problem von le Pens Partei RN (Rassemblement National, ehem. FN = Front National) ist halt, dass die Partei immer noch viel zu stark vom Le Pen Clan dominiert wird, obwohl die - selbst innerhalb der eigenen Partei - nicht gerade die hellsten Kerzen auf der Torte sind und das gerade bei einem offenen TV-Duell dieses Formats halt sehr deutlich rüberkommt und ein Riesen-Handicap ist.
Man brauchte den beiden nur während des TV-Duells zuzuhören um ganz schnell zu merken, dass Le Pen im Vergleich etwa 20 bis 30 IQ-Punkte fehlten. Es war für Macron ein leichtes Spiel, bei jedem ihrer viel zu undurchdachten Versuche nicht nur die logischen Fehler aufzuzeigen und sie damit bloßzustellen, sondern auch die ein paar Schritte weiter gedachten Konsequenzen, die ihr offensichtlich entgangen waren. Und mehrmals als das passierte, wirkte sie dann verloren, offensichtlich voll aus dem Konzept gebracht oder auch total inkohärent babbelnd, etwa mit ihrem Verratzten Versuch, mit offensichtlich falschen Daten total schräg themenfremd auf MERCOSUR umzuschwenken in einer Weise, die Macron dann nur noch mehr Vorlagen zur Bloßstellung von Fehlern gab.
Sie hat einfach nicht das rednerische, strategische und intellektuelle Talent, um in der selben Liga mitzureden. Dass er demgegenüber etwas professorenhaft rüberkam, braucht ihn angesichts dessen wohl auch im Nachhinein gar nicht mehr zu stören; der bleibende Eindruck aus diesem TV-Duell ist halt - wie der in den französischen Foren und sozialen Medien heute vielzitierte Spruch treffend auf den Punkt bringt: "Macron suffisant, Le Pen insuffisante" - also in etwa (wobei das Wortspiel nicht übersetzbar ist): Macron süffisant (hier im Sinne von: professorenhaft, fast arrogant), Le Pen ungenügend (hier im Sinne von: sachlich nicht auf der Höhe, minderbemittelt).
Das Problem ist im RN aufgrund der dynastiehaften parteiinternen Vorherrschaft des Le Pen-Clans hausgemacht: Schon ihr Vater Jean-Marie, der noch als Antisemit alter FN-Schule offen davon phantasierte, ihm ungenehme jüedische(*) Persönlichkeiten wie Patrick Bruel mit der "nächsten Ofenladung" ("prochaine fournée") loszuwerden, schadeten - unabhängig von jeglicher politischer oder moralischer Bewertung - auch der Partei mit seiner dämlich undurchdachten Äußerungen auf strategischer und ergebnisorientierter Ebene enorm - gerade auch was die Wählbarkeit betrifft. Bei einem derart dämlichen Gegner war es dann selbst für Chirac ein leichtes, haushoch zu gewinnen.
Zwar hat es Marine Le Pen damals noch soweit verstanden, dass es für die Partei nötig war, ihren nicht ganz hellen Vater aus der Machtposition in der Partei loszuwerden - und die Tochter hat ja danach auch enorm viel Aufwand betrieben, um dem unter Le Pen Vater noch offen faschistisch-antisemitischen FN mittels einer Umbenennung und viel Schminke ein neues Gesicht zu geben, das zumindest nicht schon beim ersten Blick als die direkte Fortsetzung des alten FN zu erkennen ist. Das Problem für die Partei ist halt: Marine ist zwar einen Schritt heller als der Vater, aber eben auch nur einen Schritt und das reicht halt nicht. Erst recht nicht für ein direktes TV-Duell mit einem Gegner, der schneller denkt, weniger Fehler macht und besser vorbereitet ist.
Dabei hätte der RN durchaus mit Jordan Bardella jemanden gehabt, der in der Lage gewesen wäre, bei diesem Spiel mit Macron auf Augenhöhe zu boxen. Wäre der für den RN angetreten, hätte Macron viel eher was zu fürchten gehabt und damit wäre auch das Duell wieder etwas spannendes gewesen statt eines chancenlosen einseitigen Abwatschens. Der RN hat es halt versäumt, rechtzeitig als Kandidaten Le Pen durch Bardella zu ersetzen.
(*) seltsam: wenn ich das Wort normal schreibe, ob mit Umlaut oder ue, bringt das Heise-Forensystem beim Versuch, meinen Beitrag abzuschicken, eine Fehlermeldung. Dabei ist das Wort imho in diesem Kontext total unproblematisch.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (22.04.2022 03:47).