Grundsätzlich teile ich Schusters Analyse, doch bin ich überzeugt, dass sein Versuch, seine Position nochmals transparent zu machen, ins Leere läuft. Denn an einem wesentlichen Grund für die Anschlussfähigkeit der an sich recht offensichtlich dümmlichen rechten Corona-Politikkritik weit in linke Gefilde hinein läuft er blind vorbei.
Dass der bürgerlich-kapitalistische Staat in erster Linie die Aufrechterhaltung des ökonomischen status quo im Auge hat und daher zum Mittel der Freizeit-Lockdowns greift, ist eine geradezu triviale Feststellung, die den absurden Reset-Theorien den Boden komplett entzieht. Genauso klar ist aber, dass das Unbehagen in der Globalisierung nach dem Finanzkrisen-Schock laufend zugenommen hat, die negativen Auswirkungen der neoliberalen Kapitalismusreradikalisierung immer deutlicher zum Vorschein kommen.
Zu diesen negativen Auswirkungen gehört eine ständige Vertrauenserosion. Hypermisstrauische Menschen neigen dazu, Zusammenhänge zu sehen, wo keine sind, andererseits aber besonders leicht dem Syrenengesang der Charismatiker zu verfallen. In vielen Bewusstseinen gibt es daher eine direkte Linie, die von der Lehman-Pleite zur Corona-Pandemie führt. Da wird dann mehr oder weniger implizit unterstellt, es handle sich um eine durchgehende Machination der Superreichen, die Normalmenschen zu unterdrücken. Vielleicht hätten diese die Pandemie nicht gleich selber veranstaltet, aber denn doch umgehend in ihre teuflischen Pläne integriert.
Die Pandemie gerinnt in dieser Sicht zum blossen Anlass, der an sich mehr oder weniger vernachlässigt werden könne. Die Feststellung, dass sie trotz relativ niedriger Mortalitätsrate, ja eigentlich gerade deswegen, heimtückisch und gefährlich sei, stösst auf taube Ohren. Jede Präventionsmassnahme wird nicht primär als solche, sondern als Faden eines Netzes wahrgenommen, in dem man immer hilfloser zapple. Der Hinweis darauf, dass von diesen Massnahmen nach Abklingen der Pandemie weit weniger übrigbleiben werde, als von den unter dem Vorwand der Terrorismusabwehr verschärften 'Sicherheits'gesetzen, findet kein Gehör. Ob es denn kein Beweis sei, dass die Börsen boomen und die Hyperreichen noch schneller noch reicher werden? Dass das die logische Folge der zusätzlichen Fiat-Geldbillionen ist, wird auch links gern übersehen, erst recht rechts und hüben wie drüben eine diabolische Intension unterstellt.
Der Misstrauische kämpft gegen sein Gefühl ausgeliefert zu sein, gegen die Ohnmacht. Dagegen hilft das Durchschauen des bösartigen Wirkens. Daher die immer stärker grassierende Durchblickeritis. Am eignen Machtniveau änderts nichts, aber immerhin psychisch ist es entlastend.