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  • Mrothyr

mehr als 1000 Beiträge seit 01.06.2001

Re: Impressionen aus Freital

EL_One schrieb am 28. Juni 2015 00:09

> Leider ist es aber auch übertrieben viel - zu diesem meinem kleinen
> Beitrag gewesen. 

Ach nee. Dein Beitrag war einfach der Auslöser, um sich was von der
Seele zu schreiben. Und irgendwie war es ein Beitrag, der noch
Selbstreflektion erkennen ließ - ich hab ja selbst daß Problem, daß
in mir Ratio und Emotio immer streitet. Und Emotio allein in die Irre
führt, Ratio aber bei aller Logik halt auch unmenschlich macht. Es
ist einfach, sich auf die Seite der "Guten" zu schlagen und die
andere Seite zu dämonisieren.

> Aber dennoch bin ich der Meinung, das eine en-vogue gewordene
> verherrlichung einer antifaschistischen Grundeinstellung ...
> anders...

Das Problem ürfte eher sein, daß der Begriff "Faschismus" abgegriffen
ist. Ich komme (meine gesamte Jugend hab ich in der DDR verbracht)
aus einem Land, das den Antifaschismus institutionalisiert hat. Das
stumpft gegen den Faschismusvorwurf stark ab (so wie jede
Staatsideologie eine entsprechende innere Kompensationshaltung
erzeugt). Der bundesdeutsche Mode-Antifaschismus, der sich eher als
Event tarnt ist dagegen wirklich zahm. Auch und vor allem, da
entgegen dem systematisch durchdesignten Antifaschismus des
DDR-Staates der BRD-Antifaschismus dumm ist und selbst unbewußt
Faschismus und Rassismus, Ressentiments und Entmenschung atmet.

Schau dir verschiedene Beiträge von links hier an - auch wenn
Ossi-Blaming in Deutschland mediengängig ist, so ist es doch
schlußendlich nichts als ein Ressentiment, das durchaus in die
Theorie vom "Rassismus ohne Rasse" passt.

> Wir reden ja vom Neofaschismus... richtig?

Schon, ja.

> Möglicherweise haben Sie recht. - Nicht Strafe sollte die Antwort
> sein, sondern Heilung. Denn die Frage lautet doch, wie sehr sich
> Neofaschismus von einer Geisteskrankheit wie z.B. der Schizofrenie
> unterscheidet bzw. mit dieser einhergeht und fortschreitet. Der
> Neofaschismus ist ja auch geprägt von schizofrenen Ansichten wie z.B.
> der "Verschwörung des Weltjudentums", der "Herrenrasse" u.v.m. 

Das ist kein Neofaschismus. Das ist klassische nationalsozialistische
Theorie. Der neofaschismus ist eher der Sozialdarwinismus in den
entwickelten Ländern, die Tendenz zu genetischer Auslese und die
Entwicklung einer neuen, isolierten Oberschicht mit eigenen
Wohngebieten, Schulen und schlußendlich Unternehmenspositionen. Also
die Abnahme der sozialen Durchlässigkeit der Gesellschaft und der
ideologischen Hinterfütterung durch die moderne wirtschaftsliberale
Ideologie. Der moderne Antifaschismus mit seinen veralteten
Feindbildern, seinem latenten Rassismus und seinem Wegducken vor den
imperialistischen bzw. neokolonialen Tendenzen des Finanzkapitalismus
ist dabei Steigbügelhalter - die Fixierung auf einen behaupteten
Rassismus in Anbetracht eines tatsächlichen weltweiten Klassenkampfes
mit allen damit einhergehenden Verwerfungen (zu denen auch die
Wanderungsbewegung aus den Failed States gehört) hilft doch nur der
weiteren Stabilisierung dieses Systems.

nd nein, ich glaube an keine Weltverschwörung. Ich denke dabei eher
an Emergenz - was die Entwicklung schlußendlich aus den moralischen
Wertungen in die Logik hebt und damit auch bekämpfbar macht (wenn man
denn will und die ideologischen Scheuklappen mit ihren veralteten
Feindbildern ablegt).

> Wenn Obiges zutrifft, ab wann ist Neofaschismus dann also
> heilungsbedürftig. Erst wenn jemand zusammengetreten wird oder schon
> wenn lauthals durch die Straßen gegrölt wird und der
> Anti(neo)faschismus verherrlicht wird. Ich finde es schon
> grenzwertig, wenn das in Deutschland passiert... 

Idioten gibt es überall. Und bei aller Vordergründigkeit all dieser
"Bewegungen": Sie haben kaum politischen Einfluß genommen, sondern
wurden infiltriert und instrumentalisiert. Der
Wirtschaftsliberalismus mit seiner allseitigen Ökonomisierung aller
Lebensbereiche (auch der privatesten Bereiche) ist längst nicht mehr
Theorie, sondern Partei. Und schafft es, Kritiker wahlweise als linke
oder rechte Krawallmacher darzustellen. Die Flüchtlingsbewegungen
sind eine Folge der neokolonialen Politik des Westens - die
Kollateralschäden werden als "Asylpolitik" ansatzweise sozialisiert.
Die, die schlußendlich die sozialen Lasten tragen (auch wir hier
haben gestiegene Kleinkriminalität, letztens einen Asylbewerber als
Vergewaltiger und neuerdings eine No-Go-Area) werden, wenn sie sich
mit ihren Sorgen artikulieren, als Rechte abgekanzelt. Bis sich die
echten Rechten der Sache annehmen. Selbst der regionale Fernsehsender
(sicher nicht als rechts verdächtig) sagt, daß die Haltung der
Verwaltung, speziell des Polizeichefs hier die Gründung einer
Bürgerwehr provoziert. Wer da drin dann marschiert dürfte klar
sein....

Und nein, wenn die Leute 25 Jahre Kredite abzahlen und ein
überraschender Verwaltungsakt den Immobilienwert dann um 75%
reduziert (was schlußendlich auch die Alterssicherung der
betreffenden Bürger betrifft, nicht nur deren Wohlfühlsphäre) - da
brauche ich keine Glaskugel, um den Ärger vorherzusehen. Da nützt
dann auch keine Bereicherungsrhetorik.

> Vieliecht haben Sie Recht und es gibt zwei entgegengesetzte Pole.
> Aber vieleicht gibt es ja auch drei - Die Stelle an der sich Plus und
> Minus die Waage halten. Und ich sehe mich dort stehen. Ich vertrete
> keinesfalls den von Ihnen dargelegten Kontrapunkt. Und doch muss ich
> als Deutscher sagen: Wehret den Anfängen. 

Das Problem ist, daß eine Position zwischen den Polen nicht gehört
wird. Die Emotionalisierung und schlußendlich die damit einhergehende
Polarisierung führt dazu, daß Leute, die zwischen den beiden Polen
stehen von beiden Seiten als der anderen Seite zugehörig angesehen
werden.

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