In dieser Studie der Gesellschaft für bedrohte Völker liest man, was Assad so macht, was die Freie Syrische Armee und die Islamisten:
"Die saudische sowie die westliche Hilfe für die Islamisten ging in der Regel über die Türkei. Das ist der Grund, warum schließlich die Türkei bestimmt hat, welche Gruppe in Syrien gestärkt oder geschwächt wird. Sie trägt vor allem die Verantwortung dafür, dass der IS und andere radikalislamistische Gruppen in Syrien und im Irak gestärkt worden sind. Die Unterstützung, die die „Syrische Nationalkoalition“ zusätzlich von Ländern wie den USA, Frankreich und Deutschland erhält, läuft in der Regel auch über die Türkei. Von dieser westlichen Hilfe profitieren deshalb vor allem die syrischen Islamisten und die islamistische Regierung von Erdogan. Auch wenn sich die Muslimbruderschaft als „islamisch-moderat“ bezeichnet, gehen viele Beobachter davon aus, dass sie im Falle eines Erfolges gegen das Regime die Einführung der Scharia fordern wird. Genau davor hatten die Minderheiten Angst. Daher distanzierten sich viele von ihnen von den Muslimbrüdern. Wenn Christen und andere Minderheiten heute vor die Wahl gestellt würden, würden sie sich mehrheitlich für die Assad- Diktatur und nicht für das Scharia-Recht der Islamisten entscheiden.
Die Folgen des Bürgerkrieges und der Radikalisierung der Rebellion werden am Beispiel der christlichen Minderheit vielerorts sichtbar. Zum einen häufen sich die Berichte über grausame Hinrichtungen, gezielte Ermordungen, Entführungen und Vergewaltigungen von Christen und Angehörigen anderer Minderheiten durch radikale Islamisten, zum anderen verlassen immer mehr Minderheiten aus Angst das Land.
Auch die Neutralität christlicher Führungspersönlichkeiten während der Rebellion, die dazu dienen sollte, die Gläubigen nicht zwischen die Fronten geraten zu lassen, birgt Gefahren. Schon jetzt werden Verbrechen an ihnen damit gerechtfertigt, dass sie „nicht auf Seiten der Revolution“ und somit vermeintlich auf Seiten des Regimes ständen. Falls am Ende des Bürgerkriegs der Aufbau eines islamischen Staates stehen sollte, muss befürchtet werden, dass sich immer mehr Christen Syriens zur Flucht gezwungen fühlen, oder dass sie vertrieben werden. Das Leben eines christlichen Alltags dürfte dann fast unmöglich und eine Diskriminierung derer, die sich nicht assimilieren bzw. konvertieren lassen, nicht zu verhindern sein.
Ein Vorfall zeigt die Gefahr, die Christen und anderen religiösen Minderheiten droht, exemplarisch. Von den beiden christlichen Bischöfen, die am 22. April 2013 von einer bewaffneten islamistischen Gruppe entführt wurden, fehlt bis heute jede Spur. Ibrahim Hanna, Bischof der syrisch-orthodoxen Kirche von Aleppo, und Bischof Boulos Yazigi von der griechisch-orthodoxen Kirche wurden in der Nähe von Aleppo verschleppt. Ihr Fahrer, ein Diakon, wurde von den Entführern bei dem Überfall erschossen. Auch hier kommt die islamistische Neigung der syrischen Opposition und vor allem der Freien Syrischen Armee (FSA) zum Tragen. Für viele radikale Islamisten sind Christen nämlich Ungläubige. Gewalt gegen solche Ungläubige betrachten sie häufig als legitim.
3.2.2 Exodus der Christen aus Regionen unter Herrschaft der Islamisten
Wie bereits erwähnt, flohen Christen, immer wenn die Rebellen vorrückten, entweder in die Gebiete unter der Kontrolle der Regierungstruppen von Assad oder in die von Kurden beherrschten Regionen. Die syrischen islamistischen Rebellen beherrschen einige Gebiete im Norden von Syrien wie Azaz, Jarabulus, Al-Bab und Afrin. Alle diese Gebiete gehören administrativ zur Provinz Aleppo. Hinzu kommen die Provinz Idlib sowie Teile der Provinzen Hama und Latakia, die von syrischen Islamisten sowie von der Türkei besetzt werden. Die Türkei behauptet zwar, dass diese Regionen unter Kontrolle der syrischen Opposition stehen, faktisch hat aber die Türkei die uneingeschränkte Herrschaft dort. Es handelt sich bei diesen Regionen, insbesondere Afrin, um syrische Staatsgebiete, die von der Türkei völkerrechtswidrig besetzt werden." S.25ff
https://www.gfbv.de/fileadmin/redaktion/Publikationen_Dokumente/2019/GfbV_Menschenrechtsreport_Nr._86_Irak_und_Syrien_Christen_in_Angst.pdf