Es mutet komisch an, wenn erklärt wird, dass die libanesische Politik entlang der Konfessionen gespalten sei. Nur um drei Sätze später aufzuzählen, wer unter den nicht-Schiiten alles mit der Hizbollah verbündet ist / zusammenarbeitet.
Wenn man mal jenseits des Krieges auf den Libanon schaut und das kontinuierlich tut, dann findet man eher drei Gruppierungen: Einen multikonfessionellen Block mit der Hizbollah, der sich seit Jahren auf regionale Partnerschaften besinnt und sich externe Einmischung aus dem Westen und Israel offiziell verbietet, aber trotzdem mit IWF und Weltbank zusammenarbeitet. Einen multikonfessionellen Block, der sich stärker auf den Westen ausrichten will und gegen die Hizbollah ist. Im zweiten Block sind dabei einige derjenigen vertreten, die lange Zeit die wichtigsten Pfünde in der Hand hielten und diese durch die Hizbollah-Koalition in den letzten Jahren teilweise verloren haben (an Hizbollah etc.). Darunter sind auch einige Gruppierungen, die mit der israelischen Besatzung (im Bürgerkrieg und danach) ganz gut gelebt haben. Zuletzt noch ein paar Organisationen, die zwischen den anderen beiden lavieren. Die Mehrheit aller Gruppierungen will aber seit Jahrzehnten das Land nicht erneut spalten, weil so eine Zukunft zu ungewiss, zu unpopulär und gefährlich für die eigenen Pfründe wäre.
Die Konfession spielt durchaus auch eine Rolle: Die Anzahl der Christen geht seit Jahren zurück und gerade die waren auf den Westen ausgerichtet. Sind sie aber schon lange nicht mehr alle, weil die Erfahrungen des Bürgerkriegs mitnichten für alle christlichen Gruppen positiv waren und eine Übermacht der Christen heute vollkommen ausgeschlossen ist.
Warum erzähle ich das alles? Weil, Israel und seine westlichen Mutterländer im Libanon Kollaborateure brauchen, die über eine vernünftige Basis verfügen, um Israel unterstützen zu können. Jedenfalls dann, wenn man in Tel Aviv nicht die gesamte Bevölkerung südlich des Litani-Flusses vertreiben oder auslöschen will und gleichzeitig mindestens eine Waffenruhe mit dem (Rest-)Libanon haben möchte.
Dafür müsste man was anbieten können. Die Pfünde der Hizbollah? Das dürfte schwierig sein, weil die einerseits an der Konfession hängen (also für sunnitische und christliche Gruppen nicht so gut zu kontrollieren sind) und andererseits eng mit den Gebieten südlich des Litani verbunden sind. Israel droht aber effektiv damit die Bürgerkriegserfahrung zu wiederholen: Die Gebiete südlich des Litani nicht nur von der Hizbollah zu 'säubern', sondern sie gleich zu besetzen. Wer das im Libanon unterstützt (und sich bisher gegen die äußere Einmischung ausgesprochen hat), der droht seine Basis zu verlieren und gleichzeitig wissen alle, dass es in Israel stimmen gibt, die von einem deutlich erweiterten Groß-Israel träumen. Warum sollten die am Litani dauerhaft halt machen?
Also blieb eigentlich nur den Mutterländern und insbesondere den USA noch die Option mit anderen Dingen zu locken: Entweder eine Garantie, dass Israel sich zurückziehen wird oder aber ökonomische Hilfen (angesichts einer seit Jahren angeschlagenen Wirtschaft). Ersteres wird niemand so schnell glauben, weil die USA seit einem Jahr öffentlich von Mäßigung reden, aber in ihren Taten vorbehaltlos Israel unterstützen. Letzteres kann man im Westen kaum leisten. Die ökonomische Relevanz des Westens in der Region ist deutlich zurückgegangen und eine direkte Unterstützung des Libanon oder gar eine Lockerung der internationalen Forderungen ist überhaupt nicht im westlichen Interesse: Dann würde man die Verhältnisse im Libanon stabilisieren und mittelfristig eine Regierung bekommen, die wiederum auf einen Abzug der Israelis aus dem Süden drängt und plötzlich über Handlungsspielraum verfügt.
Sollten die Israelis Hizbollah zerschlagen, dann werden sich die anderen Koalitionäre evtl. ganz pragmatisch neu ausrichten und versuchen zu retten, was noch da ist - d.h. ggf. auch westliche Rückendeckung für eine neue Politik zu akzeptieren. Aber solange der Krieg nicht vorbei ist, hat man im Westen nicht wirklich etwas anzubieten, das locken könnte.
Ganz abgesehen davon, dass von der Türkei über den Iran bis zur arabischen Halbinsel noch andere Länder versuchen ihren Einfluss geltend zu machen - keiner von denen hat gerade große Überschneidungspunkte mit Israel.