Wie können Kinder, die für gewöhnlich keinerlei Einkommen aus Erwerbsarbeit, Spekulationen oder ähnlichem erzielen können, eigentlich "arm" sein? Natürlich ist das Quatsch: Kinder sind nicht arm, sondern deren Eltern sind es. Etwa wenn aus zwei Erwerbseinkommen trotzdem nicht genug Haushaltseinkünfte erzielt werden können, um die vierköpfige Familie angemessen versorgen zu können.
Das Kindergeld KÖNNTE man natürlich als Einkommen der Kinder betrachten, denn die Voraussetzung für einen Antrag an die Familienkasse für Kindergeld ist das Vorhandensein eines Kindes. Das Geld soll zudem zu seinem Wohle bzw. seiner Versorgung aufgewendet werden, aber sind wir ehrlich: natürlich reicht das Geld allein nicht dafür aus. Kritik an der Höhe gibt's reichlich, aber ich (Familienvater zweier Kinder) finde, dass man es hier auch nicht übertreiben sollte: Hartz-IV-Dynastien und die berühmte Großfamilie in Fußballstärke müssen von der Gesellschaft nicht gefördert werden.
Die Regeln zu Elterngeld und Kinderbetreuung sind viel kritisierungswürdiger: die ersten drei Jahre sollten Kinder in der Obhut ihrer Eltern bleiben und eben nicht in die Krippe gesteckt werden. Pädagogen haben da eine klare Meinung dazu (lieber länger bei den Eltern). Aber auch hier gibt's für mich die Grenze, wie stark der Staat eigentlich fördern sollte und meine, dass nach 3 Kindern spätestens Schluss sein muss. Bei der Kinderbetreuung das Gleiche: Personalmangel, Überlastung und ein realitätsferner Betreuungsschlüssel haben nicht den Mangel an KiTa-Plätzen beheben können, so dass der Anspruch auf einen KiTa-Platz nur auf dem Papier besteht. Eine echte Wahlfreiheit gibt's nicht (relevant: Ortsnähe und die Art der Betreuung), oft muss man nehmen, was angeboten wird, auch wenn dafür eine PKW-Bringfahrt notwendig ist und es nur eine kommunale auf Kante genähte Verwahranstalt ohne höheren pädagogischen Anspruch ist.
Während zumindest in Ostdeutschland klar ist, dass KiTas und Schulen auch in den Ferien ein Betreuungsangebot zur Verfügung stellen und damit auch ein Zweiverdienerhaushalt möglich (und oft auch nötig) ist, wird natürlich in vielen alten Bundesländern auch 30 Jahre nach dem Mauerfall experimentiert und weiterhin kein adäquates ganztägiges und ganzjähriges Angebot halten kann. In den Sommerferien sind KiTas mehrwöchig zu (okay, kann man machen), und oft wird, wenn überhaupt, nur Montag bis Donnerstag eine ganztägige Betreung angeboten, am Freitag muss spätestens um 13:00 Uhr der Nachwuchs abgeholt werden. Ob das mit den individuellen Arbeitszeiten dann zusammenpasst, interessiert nicht. Eine mir bekannte (privat geführte) KiTa gar bietet an keinem einzigen Tag eine Betreuung am Nachmittag an. Ein Elternteil kann also höchstens für 520 Euro arbeiten gehen, am Vormittag nämlich, denn selbst für eine 50%-Stelle beim kommunalen Arbeitgeber würde mehr Zeit beanspruchen, als für die KiTa-Betreuung zur Verfügung steht. Tja.
Kinderarmut ist eigentlich das Ergebnis jahrelangen Missmanagements auf politischer wie gesellschaftlicher Ebene: Kinder sind finanzielle Risiken und kaum mit den Anforderungen an das Erwerbsarbeitsleben der Eltern vereinbar. Denn sobald die KiTa vorbei ist und man meinetwegen sogar an 5 Tagen ganztägige Betreuung hatte und nur 2 Wochen im Sommer mal die KiTa Sommerpause machte - also Idealbedingungen sozusagen - ist spätestens mit der Einschulung der Ofen aus. Es gibt schlichtweg MEHR Ferientage als Urlaubstage und bei weitem nicht genügend Schulen, die eine Betreuung (Hort) in den Ferien anbieten. Dazu kommt, dass Stundenpläne und unplanbare Unterrichtsausfälle die Kinder viel zu früh aus der Schule heimschicken: geht die Schule um 8 los und sind nur 4 Unterrichtsstunden zu je 45 Minuten eingetragen, ist um 12 Uhr schon wieder vorbei. Und gerade bei Grundschülern muss halt jemand zu Hause sein, damit ein 6 bis 10-jähriges Kind keinen Unsinn anstellt.
Und dann?
Diese Themen sind aber eigentlich erst zu Problemen geworden, seit ein einzelnes Haushaltseinkommen (i.d.R. durch den Vater) nicht mehr ausreicht. Die Notwendigkeit für beide Elternteile arbeiten zu gehen wurde ja mal als "Emanzipation" gefeiert, ist aber schlichtweg nicht vereinbar in einer Gesellschaft, die traditionell bei der Kinderbetreuung ein Elternteil (zumeist die Mutter) zu Hause sieht. In Ostdeutschland hat der real existierende Sozialismus Lösungen angeboten, denn da waren Frauen in der Produktion halt üblich, während in der BRD eben der handwerkernde Vater genug Geld mit heimbrachte, damit seine Frau die Rolle von Mutter und Hausfrau ausfüllen konnte. Zwar sind diese Zeiten längst vorbei, aber die nötigen Lösungen, wie man den Rücken der Eltern freibekommen kann, damit diese gemeinsam das Haushaltseinkommen sichern können, gibt es einfach nicht.
Und dann reicht's halt nicht mehr für eine adäquate Versorgung der Kinder -> "Kinderarmut".
Lösbar wäre das schon. Aber dann müssten ja Betreuungsfragen geklärt oder grundsätzlich die Einkommen aus Erwerbsarbeit steigen, um die "Kinderarmut" zu bekämpfen. Und dabei hat man seit Agenda 2010 alles dafür getan, den "besten Billiglohnsektor in Europa" einzurichten - und die "Kinderarmut" ist eine logische Konsequenz daraus.
In dem Sinne.
Wann revoltieren endlich die Leistungsträger der Gesellschaft? Wann wird Familiengründung als systemrelevanter Prozess erkannt?