Herr Jeheimrat schrieb am 23.10.2022 22:05:
Die persönliche Freiheit hat dort zu enden, wo sie die Freiheit eines Anderen beschränkt.
Bedeutet das dann auch, dass die Freiheit der Sozialisten in der damaligen DDR, ganz konkret MEINE Freiheit einzuschränken (z.B. freie Berufswahl, Reisefreiheit, Meinungsfreiheit) an den Grenzen eben dieser meiner Freiheiten hätte enden müssen?
Ja. Der "real existierende Sozialismus" als Vorstufe des Kommunismus kann keine Blaupause für ein kommendes antikapitalistisches System sein.
Der kommende Sozialismus wird frei sein, oder er wird nicht sein.
Glaubst du im Ernst, dass es in irgend einem sozialistischen Land in den vergangenen 100 Jahren jemals wirklich so etwas wie "persönliche Freiheit" gegeben hätte?
DDR? Rumänien? Sowjetunion? VR China? Kambodscha? Nordkorea? Kuba?
Es gibt IMMER persönliche Freiheiten. Mal mehr, mal weniger. Je nach System.
In der DDR war eben z. B. die Urlaubsreise weitgehend beschränkt auf Ostsee oder Ungarn. Aber sie war grundsätzlich für JEDEN möglich. In unserem System ist die Urlaubsreise nur für die, die es sich leisten können. Die Anderen bleiben halt hier oder suchen sich für 3 Wochen einen kleinen Job zum Dazuverdienen.
Freiheit, vor allem persönliche Freiheit, ist ein Konzept, dass ich für absolut unvereinbar mit der (prinzipiell kollektivistischen) Idee einer "sozialistischen Gesellschaftsordnung" halte.
Das ist ein Irrglaube. Denn die "persönliche Freiheit" ist in unserem kapitalistischen System ebenfalls stark eingeschränkt.
Die DDR z.B. hat ihre Insassen wie Leibeigene gehalten (man denke an das mittelalterliche Verbot, die "Scholle zu verlassen") - oder wie soll man es nennen, wenn der Versuch, der DDR dauerhaft den Rücken zu kehren, auf legalem Weg beinahe unmöglich war (und dem Antragsteller riesige Nachteile einbrachte) und bei einem versuchten "illegalen" Grenzübertritt auf den "bösen Grenzverletzer" das Feuer eröffnet wurde? Wer als Machthaber Menschen mit Gewalt daran hindert, den Staat, in dem sie leben, zu verlassen und dies auch noch per Gesetz "legitimiert", hat keinerlei Interesse daran, dem Einzelnen persönliche Freiheiten zuzugestehen. Wer so handelt, sieht die Bürger (SED-Jargon: "unsere Menschen") als Verfügungsmasse, an der er ein Eigentumsrecht geltend macht. Ist der Unterschied zur mittelalterlichen Leibeigenschaft da wirklich so groß ...?
Die DDR hat die Grenzen nicht aus sozialistischen Gründen geschlossen. Zu viele Menschen verließen das Land, das wurde zu einem Problem - das bestenfalls indirekt mit Sozialismus zu tun hatte. Die Versprechungen des Westens waren gülden - und niemand in der DDR dachte an die negativen Eigenschaften der "freien" Marktwirtschaft. Das hat sich übrigens bei der Wiedervereinigung gezeigt. "Gommd de DeMarg bleiben wür - gommt se nüsch, dann gehen wür!" war die Parole. Die dachten alle, sie würden in Zukunft mit Benzen rumfahren, in Villen leben und Urlaub auf den Sheychellen machen.
Ich bin entsetzt, dass 33 Jahre nach den Fall der Mauer der (sozialistische) Kollektivismus mit seiner grundsätzlichen Ablehnung der Freiheit des Einzelnen in bestimmten Kreisen wieder salonfähig zu sein scheint ...
Wie gesagt. Die Freiheit sich auf Kosten Anderer zu bereichern, ist durchaus einschränkungswürdig.
Und bitte - nicht wieder die alte Leier "das war ja damals gar kein richtiger Sozialismus" ...
Das, was in ALLEN sozialistischen Staaten als Unfreiheit zur Staatsdoktrin wurde, war beleibe kein "Irrweg", sondern das reale Abbild der "Lehre von Marx/Engels/Lenin ..."
Nein, das war auch kein "richtiger Sozialismus".
Den richtigen, freien Sozialismus, den muss man erst erfinden und neu schaffen.