Was aus solchen "Denk-Ecken" kommt, ist systemisch notwendig, klar und bzgl. der Bedürfnisse und Interessen von Kindern und Jugendlichen unverträglich.
Die völlige Schieflage solcher "Analysen" ist im Vergleich zum "Vorher" erkennbar.
Gab es in Vor-Corona-Zeiten aus solchen "Denk-Ecken" ähnliche Empörung über die überdimensionierte Größe, die veraltete Ausstattung und die unterentwickelte Betreuungsprofessionalität von Schulklassen und Kitagruppen?
Hätten Klassen und Kurse in Schulen und Kita-Gruppen die ideale Größe von ca. 10-12 Kindern oder Jugendlichen, wären die Räumlichkeiten großzügig, hervorragend belüftet und mit geeigneten Möbeln und exzellenter Technik ausgestattet, wären Lehrkräfte und Erzieher*innen fachlich, pädagogisch und sozialpsychologisch intensiv ausgebildet, wäre das Ziel nicht Selektion, sondern Unterstützung der Persönlichkeitsbildung und gäbe es eine systematische und intensive Kooperation zwischen Eltern, Lehrkräften und Erzieher*innen, wären fundamental andere, nämlich für Kinder und Jugendliche (und übrigens auch für Lehrkräfte und Erzieher*innen) deutlich weniger belastende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus möglich gewesen.
Alle diese Voraussetzungen sind im vorhandenen Bildungs- und Betreuungssystem nicht erfüllt, weil staatliche und privatwirtschaftliche Geldmittel für anderweitige Zwecke prioritär eingesetzt werden und Kitas und Schulen zum Zweck der Einübung "moderner" Formen des Untertanentums eingerichtet sind. Sie sollen willige Arbeitskräfte, mündige Staatsbürger und gierige Konsumenten erzeugen. Im Sinne des demokratischen Kapitalismus funktionieren Schulen und Kitas, hinsichtlich der Bedürfnisse und Interessen von Kindern und Jugendlichen jenseits vom Kapital- und Staatszweck aber sind sie drastisch unterbestimmt. Bzgl. spezieller Anforderungen zwecks Eindämmung einer Pandemie zeigt das Schul- und Kitasystem wie durch ein Brennglas befeuert seine völlige Untauglichkeit.
Die Sachwalter und Reparateure dieser Untauglichkeit kritisieren nun aber im Wortsinne selbstverständlich nicht etwa die von ihnen mitzuverantwortende systemisch bedingte Untauglichkeit, sondern beklagen die Auswirkungen der Maßnahmen, als seien diese völlig unabhängig von der Untauglichkeit der Schulen und Kitas das Problem. Dass die Maßnahmen derartig belastend ausfallen, liegt aber gerade an dem Zustand von Schulen und Kitas, denn dieser Zustand ist eben auch besonders untauglich hinsichtlich des Umgangs mit einer Pandemie.
OECD, DIW und Co. sind objektiv verlogen, weil sie sich als Sachwalter der Bedürfnisse und Interessen von Kindern und Jugendlichen aufspielen, als hätten sie diese vorher nicht systematisch und systemisch bedingt missachtet. Die Berater der staatlichen Politik und die psychologischen Reparateure waschen ihre Hände in Unschuld.
Nebenbei, wie in einer pandemischen Lage ein untaugliches Bildungs- und Betreuungssystem zur Eindämmung der Pandemie beitragen kann, ohne die Kinder und Jugendlichen zu schädigen, können und wollen diese "Experten" nicht sagen, weil es nicht geht. Sie entscheiden sich für das Risikospiel verstärkter Virusverbreitung und behaupten sie sorgten sich jetzt (!) um das Wohl der Kinder. Ein klassischer Fall von Heuchelei. Viele aber werden diese Heuchelei nicht als solche wahrnehmen, sondern bejubeln, dass endlich mal Kinder und Jugendliche in den Fokus der Pandemiebetrachtung rücken. Das wissen die Heuchler.
Anmerkung: Wer behauptet, es gebe keine Pandemie, kann mit obiger Kritik nichts anfangen. Vielleicht aber kann er/sie wenigstens darüber nachdenken, ob das Bildungs- und Betreuungssystem unabhängig davon, ob es aktuell eine Pandemie gibt oder nicht, untauglich ist.