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  • Robert Rabe

581 Beiträge seit 11.01.2002

Re: Wenn du die Analyse nicht widerlegen kannst, greif' den Author an...

mwka schrieb am 01.06.2015 17:53:

Da man die Analyse offenbar fachlich nicht angreifen kann, macht man sich jetzt über sein abgebrochenes Medizinstudium lustig.
Wie billig.

Diese Art Kritik am Betreiber der Seite wie auch der Seite allgemein finde ich auch problematisch - selbst wenn die Seite (Bellingcat) von einer nicht neutralen Partei finanziert werden würde, sollte man sich schon eher mit den Argumenten (also z.B. der Analyse selbst) beschäftigen.

Ich kritisiere an der "Analyse", die m.E. z.B. bei Spiegel online merkwürdig überbetont wird (im Gegensatz zu qualitativ ähnlichen "Analysen", die im zugrundeliegenden Sachverhalt das genaue Gegenteil "beweisen" wollten), folgende Dinge:

1) Es fehlt ein neutraler Standpunkt.
In den Schlussfolgerungen wird deutlich, dass man die Behauptungen des russischen Verteidigungsministeriums widerlegen möchte, wozu man sich auf die eigene Analyse ("...eindeutig und zweifelsfrei...") beruft. Eleganter und überzeugender wäre es gewesen, wenn man sich darauf beschränkt hätte, wirklich nur die Bilder forensisch zu analysieren und man die Schlussfolgerung den Lesern der Analyse überlassen hätte - bzw. die Schlussfolgerung nur darin bestanden hätte, dass die vorgelegten Bilder manipuliert sind.

2) Es fehlt eine Nennung der eingesetzten Werkzeuge
Zwar werden die eingesetzten Methoden (Quellendaten-, Metadaten-, Fehlerstufen- und Referenzdatenanalyse) genannt, aber es wird nichts über die eingesetzte Software zur Anwendung der jeweiligen Analysemethoden gesagt. Es wird durchaus deutlich bzw. ist es erschließbar, dass vermutlich ausschließlich mit fotoforensics.com gearbeitet wurde - aber das reicht m.E. nicht bzw. ist es problematisch als Grundlage einer Analyse.

3) Mangelhafter Einsatz der genannten Methoden
Quellenanalyse
Hier wird eigentlich nur gesagt, dass man die Bilder vom russischen MoD vermutlich heruntergeladen hat und die Bilder damit hinsichtlich ihrer Quelle ausreichend analysiert sein sollen...
Metadatenanalyse
Es handelt sich lediglich um den Abdruck der Exif-Daten, aus denen zudem (m.E. nicht ganz korrekt) eine "Kompressionsqualität" von 75% abgeleitet wurde (und eben, dass die Bilder Photoshop CS5 bearbeitet wurden).
Fehlerstufenanalyse (ELA)
Für mich der beste und am meisten relevante Teil - allerdings ist das Ganze nicht sehr präzise und basiert wohl ausschließlich auf fotoforensics.com. Zum Teil ist die Argumentation (für mich) unverständlich bzw. nicht nachvollziehbar.
Referenzdatenanalyse
Eine sinnvolle Methode - aber hier vermisse ich einen Beleg oder Hinweise darauf, wie zuverlässig z.B. die Datierung für die verwendeten Referenzdaten ist. Und einige der genannten Merkmale und Indizien erscheinen mir nicht ganz schlüssig bzw. nachvollziehbar.

4) Unpassende Wortwahl
In der Analyse wird - ich habe v.a. die deutsche Fassung gelesen - von "hoher" oder "sehr hoher" Wahrscheinlichkeit für bestimmte Sachverhalte geschrieben. Daraus wird dann an anderen Stellen ein "eindeutig" und "unzweifelhaft". Das steht auch vergleichbar in der englischen Fassung so ("clearly", "undoubtedly").
Sprachlich wirkt die Analyse zum Teil wie von jemanden verfasst, der unbedingt mit scheinbar professioneller Wortwahl einen bestimmten Eindruck zu erwecken versucht

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Insgesamt wirkt diese Analyse auf mich wie das Werk von zweifelsohne sehr engagierten Laien.
Wirklich relevant ist m.E. die ELA der Fotos und vielleicht auch noch die Referenzdatenanalyse, die wohl tatsächlich deutliche Indizien für eine Manipulation liefern. Warum kommt so etwas nur von Laien? Warum erst jetzt (die Analyse ist vermutlich eher nicht das Ergebnis wochenlanger Studien)?

Es wäre jetzt schön, wenn sich qualifizierte Journalisten finden würden, die diese Analyse von z.B. professionellen Forensikern prüfen zu lassen oder zumindest selbst diese Analyse kritisch lesen.
Genauso gut wäre es, wenn sich seriöse Medien ergebnisoffen mit all den anderen Analysen und Darstellungen der Ereignisse kritisch auseinandersetzen würden, und dabei nicht nur eine vorgefasste Sichtweise berücksichtigt werden würde.

Auf mich wirkt es so, als wenn von relevanten Medien jetzt diese eine, laienhafte und m.E. nicht völlig überzeugende Analyse aufgegriffen wird, weil sie zufällig zur eigenen Sichtweise passt.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (01.06.2015 19:49).

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