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  • demon driver

mehr als 1000 Beiträge seit 25.02.2000

[2 von 2] Unplanbarkeit des Arbeitsmarkts, Verteilung, Strukturen

[Elektroingenieure]

Abgesehen davon, dass mir deine Annahme, die arbeitslosen
Elekroingenieure würden sich wirklich durch die Bank als nicht
vermittelbar herausstellen, nicht haltbar erscheint (insbesondere
nachdem Hartz IV auch die E-Techniker erreichen wird; da dürfte die
Fallhöhe in der Regel überdurchschnittlich hoch sein) - muss ich da
dann wohl einen gravierenden Irrtum zugeben.

Worauf es in dem Punkt eigentlich ankommt, ist aber die Tatsache,
dass sich der Arbeitsmarkt in vielerlei Hinsicht nicht steuern lässt.
Es ist doch schon immer so gewesen, spätestens seit den
Achtzigerjahren, als Arbeitslosigkeit langsam Thema wurde, dass ein
Großteil der Schulabgänger sich für die Weiterbildung verstärkt am
Arbeitsmarkt ausgerichtet hat. Das Problem ist, dass niemand wirklich
voraussehen kann, wie der Bedarf an einer bestimmten Spezialisierung
- und ein Problem dabei ist, dass auch die Spezialisierungen immer
differenzierter werden - in drei oder in fünf Jahren aussieht. Im
ungünstigsten Fall verläuft die Kurve antizyklisch, aber auch das
kann man leider nicht sicher vorhersagen. Als ich von der Schule
ging, herrschte gerade eine Lehrerschwemme und jeder riet, bloß nicht
Lehrer werden. Der IBM-PC hatte kurz zuvor das Licht der Welt
erblickt und man begann zunehmend die Arbeitplätze der Unternehmen zu
bestücken, es wurden händeringend Fachleute gesucht. Ergebnis: ein
paar Jahre später gab's plötzlich Lehrermangel und Informatiker
konnten sich nicht mehr aus zehn Stellen eine wählen, der Markt war
eng geworden.

> > > Auch der Preis für die Arbeit, also der Lohn, ist eine weitere
> > > Randbedingung von vielen ist, habe ich schon anderweitig ausgeführt.
> >
> > Der sich erstens an den regionalen Lebenshaltungskosten zu
> > orientieren hat

> Warum das? Wo ist der Zusammenhang? Lohn hat sich alleine an der
> Leistung zu orientieren, aus dieser heraus wird er ja auch sein Wert
> generiert.
> Und nicht nach irgendwelchen z.T. völlig ausserhalb der Ökonomie
> liegenden Faktoren und Lebenshaltungskosten - die z.B. schlicht
> deshalb unterschiedlich hoch sein können, weil es gerade "in" ist, in
> einem bestimmten Stadtviertel, einer Stadt oder einer Region zu
> leben.
> Abgesehen davon regelt sich auch dieser Umstand durch den Markt: Ein
> Arbeitgeber, der -gesuchte- Arbeitskräfte in einer bestimmten Gegend
> einstellen will, wird höhere Löhne zahlen müssen, um sie in teure
> Gegenden zu bekommen.

Ganz einfach: Solange die Gesellschaft nicht auf andere Weise für
einen gewissen individuellen Mindestwohlstand, der sich am Reichtum
eines Landes und dessen gesamtwirtschaftlichen Erträgen orientierte,
sorgen würde, solange Lohn einzige Voraussetzung für individuellen
Wohlstand abseits von Vermögen ist, hat sich Lohn nicht nur an
ökonomischen, sondern auch an sozialen zu orientieren. Lohn hat
wenigstens einem Mindesmaß an Gerechtigkeit zu gehorchen. Und, wie
die meisten andern, hat auch diesen Umstand noch nie der Markt
geregelt, bestenfalls dann, wenn mal ein überregionaler Mangel an
Arbeitskräften diese gegenüber Unternehmen ausnahmsweise in eine
Verhandlungsposition auf gleicher Augenhöhe gebracht hätte, was
jedoch angesichts der Entwicklung des Arbeitsmarkts als Prinzip für
jetzt und die Zukunft unter unveränderten Rahmenbedingungen
vollkommen hinfällig ist.

> > und, zweitens, dessen Gesamteinfluß auf die
> > angeblichen Schwierigkeiten einer Wirtschaft, die von Jahr zu Jahr
> > auf hohem Niveau weiter wächst

> In dieser Allgemeinheit schlicht falsch. Ein dickes
> Wirtschaftswachstum haben wir nun beileibe nicht,

Fakt ist, es befindet sich auf hohem Niveau und wächst weiter.
Insofern hat ja auch der Vergleich mit höheren Wachtumsraten anderer
Länder, die über ein absolut erheblich geringeres Wirtschaftsvolumen
verfügen, einen gravierenden methodischen Fehler.

> und gut laufenden Branchen stehen genauso solche gegenüber, in denen
> es lausig aussieht.

Das ist richtig und kein per se uninteressantes Thema, interessiert
aber im Kontext nicht, wenn es darum geht, was in einem Land
insgesamt erwirtschaftet wird, und auf der anderen Seite um einen
Anspruch des Einzelnen auf eine angemessene Teilhabe am diesem
Gesamtertrag.

> > und deren Unternehmen von Jahr zu Jahr
> > immer extremere Gewinne einfahren,

> Auch das stimmt so nicht, weil ebenfalls je nach Branche
> unterschiedlich.
> Es gibt genauso auch reichlich Pleiten oder Unternehmen, die an der
> Kante stehen.

Auch das stimmt als volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, und um
nichts anderes ging es. Dass viele und wie viele Unternehmen aufgrund
welcher Faktoren »an der Kante stehen« oder Pleite gehen (die
Unternehmensinsolvenzen sind gerade nochmal ein bisschen
zurückgegangen, aber das muss noch nichts Gutes heißen), ist wiederum
eine interessante Frage und hat natürlich mit dem Schlagwort
Globalisierung zu tun, es hat mit den Konzentrations- und
Monopolisierungstendenzen in vielen Bereichen zu tun, und es hat mit
dem Ansatz der Arbeitslosigkeitsverwaltung zu tun, Leute, denen
oftmals jede Fähigkeit zum Unternehmer fehlt, dazu zu bringen,
Unternehmen zu gründen, für die von vornherein dann auch noch
vielfach gerade mal null Nachfrage bestand.

> > von den Profiteurem der Krise
> > gerne maßlos übertrieben dargestellt wird.

> und von "Profiteuren" von hohen Löhnen wiederum gerne negiert wird,
> über das rechte Maß wird man immer streiten (müssen).

Ok...

> > > nach welchem Maß soll die Teilhabe am Wohlstand denn sonst bemessen
> > > werden?
> >
> > Wie wär's mit Vorschlägen?

> Da ich da bis auf weiteres wirklich definitiv nichts sehen kann,
> würde ich doch vorschlagen, bis zum Auftauchen von stimmigen,
> realisierbaren Vorschlägen es beim Leistungsprinzip zu belassen.

Ich dagegen betrachte das Maß, in dem es seine Aufgabe erfüllt,
bereits heute als indiskutabel schlecht, und - pardon, ich muss sie
nochmal erwähnen - die Tendenz deutet nun mal darauf hin, dass es
immer schlechter werden wird.

> > > Im praktischen Ergebnis würde es auf eine rein politisch-bürokratisch
> > > bestimmte Verteilung hinauslaufen - nein Danke.
> >
> > Die alte Angst des Kapitalisten vor Politik und Bürokratie.

> Diese "Angst" haben weiss Gott nicht nur Kapitalisten ... das
> politische/bürokratische Regelungswege meistens ineffektiv bis
> teilweise absurd laufen, ist eine so allgemeine Erfahrung, das sie
> schon statistischen und Wahrscheinlichkeitswert besitzt.

Das lässt sich natürlich nicht völlig abstreiten. Andererseits haben
gerade die neoliberalen Privatisierungswellen in Europa (und man kann
sich dazu auch die Verschlechterung in Neuseelands öffentlicher
Infrastruktur anschauen, und was von der noch geblieben ist, wo man
ja weltweit Privatisierungsvorreiter war) genug Beispiele
hervorgebracht, in denen sich die Qualität des Produkts mit dem Grad
der Privatisierung immer weiter verschlechterte (die Post, in
vielerlei Hinsicht die Telekommunoikation, die Wasserversorgung,
öffentlicher Verkehr, insbesondere die Bahn in GB ist ein
hervorragendes Beispiel von Kaputtprivatisierung).

> > Wie wäre es mit entbürokratisierten Strukturen,

> Eine "entbürokratisierten Struktur" ist ein Widerspruch in sich;
> schon die Erstelllung, überhaupt die Defintion und Festlegung einer
> Struktur wäre der erste bürokratische Akt.

Jetzt wird's wirklich albern. Was verstehst du unter dem Begriff
»Struktur«? Nichts ist ohne Struktur, und wo man keine erzeugt oder
beeinflusst, formt sie sich von selbst. (Ob die dann aber im Sinne
der Beteiligten ist, ist eine andere Frage.)

> > die verteilen?

> Alleine dieser Ansatz, es läge allein am "verteilen", negiert jeden
> Zusammenhang des Verteilens mit der Erzeugung des zu verteilenden.

Im Gegenteil. Denn es existieren Strukturen, die verteilen.
Arbeitskraft wird verteilt, Waren und Dienstleistungen werden
verteilt, Mehrwert und Erträge werden verteilt, Lohn wird verteilt,
Gewinne werden verteilt, Abgaben und Steuern werden verteilt, und
dahinter steckt eine Struktur. Leider mangelt es der aktuellen
Struktur, zumindest aber deren Verteilungsparametern, an
Verteilungsgerechtigkeit. Ich plädiere ja nun auch gar nicht dafür,
den Zusammenhang vollständig aufzuheben. Ich plädiere zunächst einmal
zum Beispiel dafür, dass in einem ähnlichen Maß, wie der Anteil der
arbeitenden Bevölkerung an der Produktion abnimmt, umgekehrt auch von
den Erträgen, die durch Maschinen erwirtschaftetet werden, ein
höherer Anteil der Bevölkerung zugute kommt.

> > Etwas mehr
> > Phantasie! Dass es möglichst vielen dabei möglichst gut gehen sollte,
> > sollte das Ziel sein, und dass möglichst niemand unterhalb einer
> > möglichst hoch anzusetzenden Wohlstandsgrenze bleibt. Erwirtschaftet
> > wird jedenfalls genug, dass davon alle einen hohen Lebensstandard
> > haben könnten.

> Es stellt sich sehr die Frage, ob es bei dieser wohlstandssichernden
> hohen Wirtschaftsleistung bleibt, wenn die Güter weitgehend
> unabhängig von der Erbringung eben dieser Leistung verteilt werden.

Das ist eine interessante Frage; aber mal ab davon, dass ich keine
solche völlige Unabhängigkeit herstellen will, stellt sich auch die
Frage, warum es nicht dabei bleiben sollte - oder, ob andere
gesellschaftliche Kriterien nicht Vorrang haben müssten, selbst wenn
es nicht dabei bliebe.

[...]

d. d.

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