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  • teutolith

mehr als 1000 Beiträge seit 25.03.2014

Re: Noch am Sonntagabend....

leomond schrieb am 28. Mai 2014 09:31

> teutolith schrieb am 28. Mai 2014 09:06

> > Möchte nicht
> > wissen, wieviele Leute, die sich doch noch aufgerafft hatten, sich
> > jetzt verwundert die Augen reiben.

> Wg. Juncker? Diese Leute haben möglicherweise ihr politisches
> Bildungspotenzial noch nicht ausgeschöpft.

Na und? Das ist doch ihr gutes Recht. Politik muß auch für Leute
gemacht werden, die sich nicht besonders für Politik interessieren.
Daß sie verarscht werden, merken sie trotzdem.

> > Die EU ist kein demokratisches System, so drastisch muß man es wohl
> > formulieren. Zur Demokratie gehören nicht nur Wahlen, sondern vor
> > allem ein System von "checks and balances". 

> Das fällt aber nicht vom Himmel, schon gar nicht dann, wenn diese
> "checks and balances" auf Kosten der Souveränität von Dutzenden
> Mitgliedsstaaten gehen, und dort selbstverständlich entsprechende
> Gegenreaktionen hervorrufen.

Ach was, die Souveränität der Mitgliedsstaaten hat damit gar nichts
zu tun. Es ging mir darum, daß in einem demokratischen System die
Regierung (hier Rat und Komission) sich vor dem Souverän (bzw seinem
Vertreter, dem Parlament) zu rechtfertigen hat.

> > Ein Parlament, das der
> > Komission oder dem Rat gelegentlich seine Meinung sagen darf, die
> > dann zur Kenntnis genommen, abgeheftet und gepflegt ignoriert wird,
> > ist eine reine Alibiveranstaltung für Leute, die nicht so genau
> > hinschauen (wollen).

> Dieses Parlament muss sich seine Macht eben erkämpfen. Es gibt hier
> aus besten Gründen nichts zu verschenken.

Die Macht ist auf undemokratische Weise bei Komission und Rat
konzentriert. Unkontrollierte Macht führt zu Ergebnissen, wie wir sie
jetzt bewundern können. Es stimmt, daß das Parlament sich Macht
erkämpfen müßte - wenn man denn wollte, daß die EU sich "evolutionär"
weiterentwickelt. Ich bin der Meinung, daß das Projekt gescheitert
und ein kompletter Neuanfang nötig ist, deshalb sehe ich nicht, wie
diese Evolution funktionieren könnte. Die Zunahme der radikalen
Positionen im Parlament, zusammen mit dem Dauerkrisenmodus der EU,
werden vermutlich eher zu einer Schwächung des Parlaments führen.

> > Es gibt ja noch nicht einmal eine von den
> > Europäern gemeinsam erarbeitete und beschlossene Verfassung. 

> Genau. Wir sind nämlich Hunderte Millionen, aus zig verschiedenen
> kulturellen und gesellschaftlichen Kontexten, mit jeweils eigenen
> historischen Erfahrungen, aktuellen Gemengelagen und Erwartungen an
> die Zukunft. 

> Nie wurde ein politisch dickeres Brett gebohrt als die
> "Demokratisierung" der Europäischen Union. Die Chancen aufs Scheitern
> sind gut.

Ich sehe keine Demokratisierung der EU, es sei denn, die Krise
verschärft sich nochmal dramatisch und macht einen radikalen Schwenk
nötig. Davon ist im Moment aber nichts zu sehen; die Devise lautet ja
wohl eher (wie immer) "weiter so".

> > Wer hat
> > Brüssel eigentlich die Kompetenz gegeben, nationalen Parlamenten
> > vorzuschreiben, was für Gesetze die "umzusetzen" haben? 

> Die Parlamente selbst. Und du machst jetzt diesen Schwenk und
> scheinst nicht zu merken, wie inkohärent und widersprüchlich deine
> Erwartungen an Europa sind.

Guter Punkt. Die Parlamente haben Kompetenzen an Brüssel abgegeben
und sich damit teilweise selbst entmachtet - und wir haben diese
Parlamente gewählt. Sogar das BVerfG hat bestätigt, daß die das auch
durften. Das paßt mir überhaupt nicht, es ist aber Tatsache.

Mein Punkt ist, daß es ja sehr wohl eine europäische Verfassung gab,
die aber in mehreren Volksabstimmungen in verschiedenen
Mitgliedsländern *abgelehnt* wurde. Diese Verfassung wurde dann in
Gestalt der Lissabon-Verträge dennoch inkraftgesetzt - also ganz
explizit *gegen* den Willen der EU-Bürger, die man gnädigerweise
gefragt hatte. (Die meisten durften dem Theater ja einfach nur
schweigend zusehen.) Da klafft dann doch eine gewaltige Lücke
zwischen dem Willen der Bevölkerung und dem, was nationale Parlamente
und Brüssel tun.

Im Augenblick sind wir dabei, der EU beim Scheitern zuzusehen. Merkel
beruft sich auf "die Verträge", um zu begründen, warum die Wahl des
Komissionspräsidenten durch die Bürger nun doch nicht stattgefunden
haben soll. So delegitimiert sich Brüssel immer weiter in den Augen
der Bürger, die es regieren will. Wer wählen war und sich jetzt nicht
veralbert vorkommt, bitte Hand heben. "Wahlkampf" my ass. So kann das
am Ende nur schiefgehen, und ein System, das derart selbstherrlich
über unsere Köpfe hinweg agiert, legitimiere ich nicht auch mit
meiner Stimme. Ich bin für eine Vereinigung Europas auf
demokratischer Grundlage, aber (bzw: und deshalb) für ein schnelles
Ende dieses antidemokratischen Menschenexperiments namens "EU".

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