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  • exkoelner

mehr als 1000 Beiträge seit 28.06.2012

Wenn die Kuchenstücke kleiner werden

Bis in die 60er konnte Frankreich seine Kolonien, insbesondere die in Afrika mit relativ geringem Aufwand ausbeuten. Noch 1956 haben die Briten und Franzosen und Israel sich zusammen getan, um den Ägyptern den Suezkanal wieder abzunehmen - ohne die USA an dem Kuchen zu beteiligen. Und sind prompt baden gegangen - der Suezkanal blieb verstaatlicht, die Einkünfte in der Hand Ägyptens. Dabei haben 1953 die Briten noch verstanden, wie es läuft: Operation Ajax - Briten mit den USA stürzen die iranische Regierung, weil die die britische Ölförderung verstaatlicht hatte, und konnten das bis 1978 rückgängig machen - allerdings mussten die Briten sich ab dann die Gewinne mit den Amis teilen. Ab dann wurde so etwas teurer, denn die USA musste an solchen Raubritter-Gewinnen jetzt immer beteiligt werden. Das "Gentleman" Agreement ab dann scheint wohl gewesen zu sein, das die Nato-Mitgliedschaft zu einem Club der Raubritter wurde, gegen Zahlungen für die Club-Mitgliedschaft war man als Partner in Rangfolgen an den Einnahmen des Raubrittertums beteiligt. Das klappte bis in die 90er ganz gut. Dann kehrte ab den 2000ern Russland als Global-Player wieder zurück, und China kam als neuer hinzu, die Kuchenstücke für den Werte-Westen wurden kleiner. In dieser Übergangsphase schöpften diverse Regimes Hoffnung, ihre Tribute an den Werte-Westen reduzieren zu können und standen dann auf der Abschussliste des Werte-Westen. Das macht die ganze Sache teurer, höhere Bestechungsgelder, mehr militärischen Aufwand für oft geringere Gewinne.

Und dann kam die Phase, der Werte-Westen streitet sich wieder untereinander über die Gewinne, wie schon oftmals zuvor in der Geschichte. Und wie auch schon oft in der Geschichte führt das zu den absurdesten Koalitionen, wechselnden Beute-Partnern, Antäuschen und drohen davon, um den eigenen Gewinnanteil zu maximieren, oder wenigstens nicht reduziert zu bekommen. Die Club-Mitgliedschaftsbeitrag wurde auf 2% des BIP erhöht, jetzt lohnt sich langsam die Gründung eines eigenen Clubs, erste Ideen werden entwickelt, wie man den eigenen Anteil EU-Europas erhöhen kann, bzw. weniger Tribute an die Wallstreet zahlen muss. Das Ganze ist ne heikle Operation, denn der Spatz in der Hand, die Gewinnbeteiligung als US-Juniorpartner sinken zwar kontinuierlich, der Clubbeitrag steigt, aber scheint für viele EU-Länder noch bisher sicherer, als unwägbare Zukunftsgewinne aus Aktivitäten in Eigenregie. Das Suezkanal-Debakel war 1956 eine Drohung der USA, die wirkte, bei vielen wohl bis heute.

Frankreich als notorischer Querulant, mit Jahrhunderten eigener hegemonialer Erfahrungen, die Niederländer und die Briten, selbst Spanien und Portugal sind global vernetzt, die USA mittlerweile global zur Hass-Nation Nr. 1 verkommen, weil ihre "Freundschaft" immer viel Blut und viel Geld kostet, die US-Eliten längst global aufgestellt sind, sich nicht mehr zwingend allein dem Staat USA verpflichtet fühlen, sondern nur dem Herrschafts- und Geldsystem USA, das aber sowieso schwankt - scheint Fragen nach anderen Partnern aufzuwerfen, um die eigenen Gewinne stabil zu halten, bei überschaubaren Kosten. Ein offener Bruch wäre noch nicht Zielführend ... aber Antäuschen, um die eigene Verhandlungsposition zu stärken, wird offensichtlich oportuner. Deutschland 2004 Irakkrieg-Debatte, Deutschland und Frankreich in der Ukraine-Frage versus USA (okay, hat nicht geklappt - try and error), Frankreich und Deutschland zur Kurden-Debatte versus USA läuft gerade.

Die ganze Angelegenheit nähert sich zusehends dem Wiener Kongress von 1815 mit ein paar noch unkalkulierbaren neuen Faktoren, die USA und China sind als "neue" Player jetzt dabei, und leider so mächtig, das man sie nicht ignorieren kann. Aber wie immer, in guter alter Tradition - die Franzosen und Briten mitten drin. Mal brutal, mal elegante Diplomatie, und Deutschland, wie auch schon immer, undefiniert irgendwie dazwischen, oder auf der Loser-Seite.

Die von vielen getragene Hoffnung, Deutschland würde dieses unwürdige Spiel um Raubritter-Gewinne beenden, das seit langer Zeit läuft - hat schon was religiös "Heiliges römisches Reich, deutscher Nation" und wird zunehmend alberner. Die Schweizer, schlau wie sie sind, haben sich darauf beschränkt den Papst mit der Schweitzer Garde zu beschützen. Das ist Kosten-Nutzen-Mäßig sehr effizient, ein paar hundert Spezialkräfte nach Rom, und seit mehr als 600 Jahren haben die Schweizer ihre Ruhe vor internationalen Konflikten und machen ihr Ding - und Deutschland als Arschloch der Geschichte ist immer mittendrin, zahlt Blutzoll und Paria-Rolle, um sich mal von jenem, mal von anderen verheizen zu lassen - als einfach mal ihr Ding zu machen.

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