Zufällig hatte ich diese Pressekonferenz auf n-tv live gesehen und als zynisch empfunden. Beispielsweise hieß es, der Hundeführer und nicht dessen Hund habe schließlich das Todesopfer entdeckt, während bereits die Nennung der Anzahl der durchgeführten Messerstiche leider Rückschlüsse auf die Motivlage der zwei Tatverdächtigen erlaube und deren Persönlichkeitsrechte wegen des kindlichen Alters das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegen sollten.
Die Frage, ob das inzwischen weitgehend aufgeklärte Tötungsdelikt als Mord klassifiziert werden kann oder nicht, die auch der geschätzte Autor Timo Rieg im vorliegenden Artikel stellt, ist Medienberichten zufolge inzwischen beantwortet: alles spricht für Mord. Die Schuldunfähigkeit Tatverdächtiger hat mit dieser Einordnung im Prinzip nichts zu tun, sondern einzig deren Motivlage bei der Tötung; dies ist bei erwachsenen schuldunfähigen Tatverdächtigen nicht anders als bei Kindern.
Anscheinend war der Mord an der 12-jährigen Luise, zumindest seitens deren dreizehnjähriger Freundin, bei der das Opfer zuvor gar übernachtet haben soll, genau geplant, und mittels eines nach der Tat auf TikTok hochgeladenen Videos beteiligte sich diese Tatverdächtige später zum Schein an der Suche nach ihrer bereits an etwa dreißig Messerstichwunden verbluteten Freundin (https://www.dailymail.co.uk/news/article-11871545/Girl-12-stabbed-30-times-female-classmates-telling-adult-theyd-picking-her.html); bei einem solchen Sachverhalt und voller Schuldfähigkeit ginge es vor Gericht nur um Mord sowie möglicherweise um die Feststellung einer besonderen Schwere der Schuld oder bei etwa aufgrund einer Persönlichkeitsstörung doch verminderter Schuldfähigkeit vielleicht noch um Fragen einer psychiatrischen Unterbringung.
Bei strafmündigen Tatverdächtigen besteht gerade bei so entsetzlichen Taten ein sehr berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, natürlich ebenso bei tatverdächtigen Kindern, das aber dort im Interesse einer möglichst guten Entwicklungsperspektive hinter deren Persönlichkeitsrechte zurücktreten muss.
Soweit jedenfalls die Theorie, wenn ich die Presseberichterstattung richtig verstanden habe. Man kann sich gerade in diesem aktuellen Fall dennoch fragen, ob das angesichts der in Social Media kursierenden Informationen eigentlich noch zeitgemäß ist oder ob ein gut recherchierter Presseartikel nicht sogar für die Tatverdächtigen das geringere Übel darstellt, denn diese Tat wird die zwei Mädchen so oder so lebenslang begleiten und ohne völlig neue Identität auch später kaum verheimlichen lassen. Selbst die Angehörigen des Todesopfers, die selbst als Opfer übrigens zivilrechtliche Ansprüche (https://www.lawblog.de/archives/2023/03/16/luises-tod-und-die-frage-nach-der-zivilrechtlichen-haftung/) geltend machen könnten, profitierten vielleicht von einer der
Tat angemessenen Medienberichterstattung.
Und nicht zuletzt geht es jenseits des Rechts dennoch stets um Schuld und Prävention künftiger Straftaten. Was ist im bisherigen Leben der zwei Tatverdächtigen, die hoffentlich psychiatrisch begutachtet werden, eigentlich so sehr schiefgelaufen, dass eine so entsetzliche Tat als einzige Lösung irgendwelcher Probleme erschien? Angeblich, die Quelle habe ich jetzt leider nicht mehr gefunden, soll es übrigens im langjährigen Schnitt in Deutschland etwa ein wenigstens versuchtes Tötungsdelikt pro Monat durch ein Kind geben; gewiss selten, aber trotzdem erklärungsbedürftig.
Welche Therapieangebote bestehen überhaupt in solchen Fällen strafunmündiger oder jugendlicher strafmündiger des Mordes Verdächtiger? Wie erklärt man solchen Tatverdächtigen Schuld und Verantwortung? Welche Rolle spielen im Einzelfall die Medien, genaugenommen ein unbegleiteter Medienkonsum? Welche moralische Verantwortung trifft die Eltern? Unabhängig von Strafe geht es natürlich gerade nach einer derart extremen Verletzung gesellschaftlicher Normen zugleich darum, künftigen Straftaten vorzubeugen. Kurzum, gerade mit dem Ziel möglichst guten gesellschaftlichen Zusammenhalts sollte das öffentliche Interesse nach schweren Gewalttaten eigentlich niemals besonders begründungspflichtig sein.