Es gibt kaum ein deutlicheres Symptom für den bevorstehenden Abstieg Europas, als unsere Unfähigkeit, die Realität nüchtern zu analysieren, eigene Fehler zu finden, und dies in verändertes Verhalten umzusetzen.
Bei allen westlichen Interventionen der letzten Jahre hat die Politik Resultate versprochen, die das Militär dann nicht liefern konnte. Statt zu analysieren, ob die Politik unrealistische Vorstellungen hatte, oder warum die Ziele nicht erreicht werden konnten, reicht uns die Erzählung, dass diese anderen eben keine Demokratie mögen.
Es ist meiner Meinung nach viel zu einfach, das Scheitern einfach dem Militär zuzuschieben. Für die versprochenen, aber nicht erreichten Ziele wäre wesentlich mehr politisches Engagement nötig gewesen – aber da ist man zufrieden wenn irgend ein Guaido unseren Konzernen hilft und sich jemand um die Proteste kümmert.
Historisch hatte Frankreich ein langfristiges, auf Stabilität zielendes Verhältnis zu den (ehemaligen) Kolonien. Sie haben es allerdings nicht geschafft (noch ernsthaft versucht), daraus freundschaftliche, gleichberechtigte Beziehungen zu formen. Ähnliches liesse sich auch über das Verhältnis zwischen Paris und "der Provinz" sagen.^^
Diese (post-)koloniale Tradition ist dann erst mal mit der US-Strategie kollidiert, im Einflussbereich von Konkurrenten möglichst viel Chaos anzurichten, um die Hegemonie zu stärken. In Libyen und Syrien hat dann auch Frankreich ordentlich Öl ins Feuer gegossen. Mit einer multipolaren Weltordnung haben alle diese Länder – insbesondere so rohstoffreiche wie Mali – plötzlich auch nach andere Angebote als unsere.
Sehr wahrscheinlich wurde solche Kritik auch formuliert, von Militärs und von Diplomaten, hat es aber nie in die McKinsey-Präsentationen geschafft. Die Diplomaten kommen in Zukunft wohl direkt von dort, und das Militär soll sich nicht in die Politik einmischen, sondern Moskau erobern, bevor der Winter einbricht…
gruss. luky