Es gibt bei der Entwicklung der Sprache zwei sich widerstrebende Bedürfnisse: Inhalte ausdrücken zu können und gleichzeitig Aufwand zu sparen. Deswegen sterben Formen aus, wie z. B. das Präteritum, Konjunktiv I bei indirekter Rede und der synthetische Konjunktiv II, die ersetzt wurden durch das analytische Perfekt, Indikativ und die analytische würde-Form. Man hat Sachen verloren – man kann im Deutschen quasi nicht mehr unterscheiden zwischen Ereignissen, die für die Gegenwart relevant sind oder nicht, und es gibt auch quasi keinen Konjunktiv II Futur mehr, was die würde-Form ursprünglich mal war¹.
Umgekehrt gibt es neue Formen, wenn bei den Sprechern ein Bedürfnis entsteht, Sachverhalte auf grammatischem Weg zu präzisieren. Der am-Progressiv ist ein Beispiel; aus dem Englischen kennen die meisten Sprecher das Continuous, und finden es im Deutschen auch ganz praktisch, also steigt diese Form auf.
Die generischen Formen wie Redner, Katze und Eichhörnchen haben über Jahrhunderte ihren Zweck erfüllt und wurden dort angewendet, wo das Geschlecht des Individuums nicht relevant war. Der angebliche Ausschluss von Frauen und anderen Geschlechtern war weder das Ziel noch die Folge. Es ist heute auch nicht bei z. B. Katze zu beobachten; es geht so weit, dass ein Freund meist von seiner Katze und nicht seinem Kater spricht. Im Widerstreit Ausdruck vs. Ersparnis wurde das Optimum gefunden, bei dem jeder weiß, was gemeint ist, außer einigen Aktivist*innen, die es bewusst nicht wissen wollen. Abseitig ihrer Argusaugen spricht sowieso jeder wieder nach Optimum; und selbst die schärfsten Gender*Innen fallen in der gesprochenen Sprache nicht selten selbst ins Optimum. Oder sie werden missverständlich, weil sie immer nur die weibliche Form benutzen.
Was mich eher besorgt, ist, dass irgendwann das Pendel zurückschwingt und dann alle dementsprechenden Minderheiten pauschal mitbüßen müssen.
¹Vergleiche „Er ahnte, dass er Hilfe brauchen würde“ vs. „Er ahnte, dass er Hilfe bräuchte“.