... zum wahren Glauben zurückfindet:
Es gehörte schon immer zu den schmutzigen Geheimnissen des Kapitalismus, dass er mit freien Märkten sehr wenig zu tun hat und von Anfang an untrennbar mit staatlichen Herrschaftsstrukturen verflochten war. Die frühneuzeitlichen Staaten gewährten Händlern und Bankiers wie den Fuggern Monopolrechte als Gegenleistungen für Kredite, mit denen die Landesherren Söldner und Rüstungsgüter bezahlten. Nur durch diese Kredite konnten die sich neu formierenden Territorialstaaten ihre Macht aufbauen.
Und nur durch die Monopole konnten die Händler und Bankiers die enorme Konzentration von Kapital in ihren Händen erreichen, ohne die der Kapitalismus undenkbar wäre. Die ersten Aktiengesellschaften des 17. Jahrhunderts waren Schöpfungen von Staaten und wurden von ihnen mit Charterbriefen, Monopolrechten und sogar militärischen Mitteln ausgestattet.
Bis heute sichern Staaten für private Unternehmen weltweit Handelswege und setzen Eigentumsrechte durch – oft gegen den massiven Widerstand lokaler Bevölkerungen, wenn es etwa darum geht, neue Kupferminen oder Tagebaue zu erschließen, Pipelines zu bauen oder Kleinbauern für Palmölplantagen zu vertreiben. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich darüber hinaus einige weitere Methoden entwickelt, mit denen Staaten die Maschinerie der endlosen Geldverwertung in Gang halten. Drei Strategien sind dabei von besonderer Bedeutung: Subventionen, leistungslose Einkommen aus Eigentumsrechten und Aneignung durch Schulden. Diese Dreifaltigkeit der Tributökonomie wird immer wichtiger, je instabiler die Weltwirtschaft wird. Denn sie beschert dauerhafte Geldflüsse auch dann, wenn sich am Markt kaum noch Profite durch den Verkauf von Gütern und Dienstleistungen erzielen lassen.
Konzerne am Tropf
In fast allen Staaten der Erde existiert ein komplexes Subventionsdickicht, durch das private Konzerne mit Steuergeldern kontinuierlich gefördert werden. In den letzten Jahrzehnten ist dieses Subventionsnetz zu einer Art Herz-Lungen-Maschine für den dahinsiechenden Kapitalismus geworden. Ein Großteil der 500 größten Konzerne der Erde würde ohne die massive Unterstützung durch Steuergelder längst bankrott sein. Schauen wir uns die mächtigsten Branchen einmal nacheinander an:
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- Die IT-Konzerne des Silicon Valley haben ihr Kapital auf Computer-Technologien aufgebaut, die jahrzehntelang von staatlichen, aus Steuergeldern finanzierten Forschungseinrichtungen entwickelt wurden, insbesondere dem Massachusetts Institute of Technology. Diese Technologien wurden Microsoft, Apple, Google, Facebook und Co. umsonst zur Verfügung gestellt. In einem iPhone steckt, wie die Ökonomin Mariana Mazzucato feststellt, nicht eine einzige Technologie, die nicht staatlich finanziert wurde. Der Staat hat also als Forschungsabteilung für diese Unternehmen gewirkt. Die Konzerne wiederum haben die üppigen Staatsgeschenke privatisiert und daraus proprietäre Software entwickelt, die die Grundlage ihres Reichtums und ihrer Macht bildet. Dieses System wird durch staatliches Patentrecht und die Weigerung der meisten Regierungen, wirksam gegen die Monopole dieser Konzerne vorzugehen, gesichert.
- Die Pharmaindustrie erhält milliardenschwere Subventionen, unter anderem über den Umweg von öffentlichen Forschungseinrichtungen. Die EU etwa pumpt mit der »Innovative Medicines Initiative« (IMI) 2,5 Milliarden Euro in die Pharmabranche. Ein trinationales Rechercheteam hat das Programm unter die Lupe genommen und ist zu dem Schluss gekommen, es diene »fast nur dazu, die Industrie über den Umweg der Forschung zu subventionieren.« Die IMI ist dabei nur die Spitze vom Eisberg, große Teile der öffentlichen universitären Forschung im Bereich der »Life Science« dienen vor allem der Pharma- und Biotech-Industrie. In den USA werden zwei Drittel der Pharmaforschung aus staatlichen Subventionen bestritten, die sich auf ca. 30 Milliarden Dollar jährlich belaufen; die Gewinne aus den meist überteuerten Medikamenten dagegen sind vollständig privatisiert.
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Rente statt Profit
Das Subventionswesen für Konzerne, für ihre Shareholder und Manager, ist Teil einer größeren Struktur, die man bisweilen als »Sozialismus für Reiche« oder »Neofeudalismus« bezeichnet hat. Den oberen Schichten ist es gelungen, sich ein »bedingungsloses Maximaleinkommen« zu sichern, das von ihren Leistungen und Verfehlungen weitgehend entkoppelt ist. Nicht Markterfolge erhalten und vermehren die großen Vermögen und Einkommen, sondern Strategien der Privilegiensicherung, insbesondere durch Einflussnahme auf den Staat. Die staatliche Gabenökonomie für Superreiche verbindet sich mit dynastischen Strukturen, in denen Macht und Reichtum wie einst beim Adel durch die Geburt vererbt werden.
Dazu gehört auch, dass ein immer größerer Teil des Kapitals gar nicht durch Produktion und Verkauf von Waren und Dienstleistungen vermehrt wird, sondern durch das, was man in der Ökonomik »Renten« nennt. »Rente« bedeutet hier nicht Altersversorgung, sondern ein Einkommen aus Gebühren für die Nutzung von Land, Wohneigentum oder aus »geistigen Eigentumsrechten«, zum Beispiel Patenten. Entscheidend ist, dass Kapitalbesitzer hier gar nichts produzieren und dann verkaufen, sondern allein aus dem Rechtstitel auf ein Eigentum ein Einkommen generieren.
Tributzahlungen von diesem Typ vereinnahmen einen erheblichen Anteil der Volkseinkommen.
Aus:
Fabian Scheidler, Chaos: Das neue Zeitalter der Revolutionen
Glücklicherweise hat er nun diesen Verschwörungsideologien abgeschworen.