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  • Vkleber

210 Beiträge seit 21.01.2021

Die Spaltung muss überwunden werden

Man kommt einem Verständnis der ganzen Situation dadurch näher, dass man den Begriff der "Spaltung" einführt. Hierbei findet sich das Phänomen, dass zwei einander entgegengesetzte Pole nicht mehr miteinander verbunden sind und sich in zwei Extreme aufspalten. Man kennt dies auch im Bereich der Persönlichkeitspsychologie, z.B. bei der Polarität zwischen "Wunsch nach Autonomie" einerseits und andererseits dem "Wunsch nach Bindung". Paare können in eine Spaltung auf dieser Ebene hineingeraten, wenn jeweils einer nur den einen und der andere nur den anderen Pol vertritt. Die Spaltung führt dann schließlich zu einer Eskalation des Konflktes.

Um welche Art von Spaltung handelt es sich nun im Ukraine-Konflikt? Zwei stehen für mich im Vordergrund. Die erste Form der Spaltung bewegt sich auf der Polariät "Völkerrecht" auf der einen und "Machtausübung" auf der anderen Seite. Der Westen argumentiert auf der Seite des Völkerrechts, Russland besteht auf seinem Recht auf Anwendung von Gewalt. Der große Fehler, den viele machen, ist nun, diese Spaltung von einem moralischen Standpunkt aus zu betrachten. Derjenige, der das Völkerrecht vertritt, behauptet von sich, auf der moralsich "anständigen" Seite zu stehen; derjenige, der die Anwendung von Gewalt vertritt, besteht darauf, sich nur so verteidigen zu können. Die Eskalationsspirale durchläuft dann mehere Stufen, bis schließlich beide Seiten in einer "Lose-Lose-Situation" gemeinsam in den Abgrund stürzen und sich gegenseitig vernichten.

Die zweite Art von Spaltung besteht darin, dass der Westen Anspruch auf eine Überlegegnheit seiner Kultur erhebt, nennen wir diesen Pol "Westliche Werte". Die russische Seite vertritt die Auffassung, dass sie ihre traditionellen Werte verteidigen müsse (z.B. gegen unsere "Spektakelgesellschaft a`la Hollwood) - nennen wir diesen Pol "Traditionelle Werte". Jetzt passiert etwas Ähnliches, wie bei der ersten Spaltungsform. Wieder wird ein moralischer Anspruch erhoben, mit dem dann die Ausschließlichkeit des Rechts auf der eigenen Seite begündet wird. Das macht die andere Seite aber auch. Das Problem ist wieder, dass es keinen Kontakt mehr zwischen den Polen gibt, der herausarbeiten könnte, dass es in einer Polarität auch immer Zwischenstufen gibt. Diese Tatsache wird im Zuge der Eskalation immer mehr geleugnet. Im Grunde kennen wir diese Abläufe nur zu gut aus kriegerischen Auseinandersetzungen in der Vergangenheit.

Interessant ist deswegen das Phänomen des Leugnens und Verdrängens der Realität.
Eine Lösung kann deswegen in der Tat nur dadurch entstehen, dass sich die beiden Parteien zusammensetzen (hier also eigentlich die USA und Russland, natürlich unter Beteiligung der Ukraine) und versuchen über Diplomatie zu Zugeständnissen zu kommen, die wieder einen Kontakt zwischen den Polen erkennen lassen. Z.B. könnte die westliche Seite signalisieren, dass sie auf eine atomare Bewaffnung Polens und Rumäniens bereit ist, vorübergehend zu verzichten; Russland könnte sich verpflichten einem Waffenstillstand zuzustimmen. Aber im Grunde kommt es auf die genaue Ausarbeitung solche Verpflichtungen gar nicht an, sondern darauf, dass ÜBERHAUPT ein solcher Prozess in Gang gesetzt wird, der dann Zug um Zug zu einer Deeskalation führen könnte.

Es muss also sofort und unter allen Umständen Verhandlungen auf einer diplomatischen Ebene geben, auch mit der Bereitschaft von einigen der eigenen Positionen zunächst ein wenig abzurücken. "Ein Wenig" zu Beginn würde schon reichen. Das wiederum würde bedeuten, dass man Selensky AUCH Grenzen setzt und ihm klar macht, dass nicht ALLE seine Vorstellungen und Ansprüche vollständig erfüllt werden können.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (10.02.2023 20:22).

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