OberstMeyer schrieb am 05.03.2021 17:55:
Was hat der Wert als allgemeines abstraktes Verhältnis mit der Verteilung der konkret nützlichen Arbeiten und der Geschlechterfrage zu tun? Das versteht der Ökonom nicht, zumindest nicht der, der die Werttheorie von Marx ernst nimmt. Genauso gut könnte man nach dem Anteil der Rosen- oder Karnickelzüchter fragen, absurd. Das zu tun kommt einer Verlagerung des Ursprung des Wertes in ein spezifisches Verteilungsproblem gleich, was nicht zur Entschlüsselung des Wertes führen kann. Das kann nur auf dem Weg der Abstraktion ala Marx von allen äußerlichen Bedingungen erfolgen. Insofern ist auch die sarkastische Frage nach der #MeToo-Problematik durchaus gerechtfertigt, und die wurde den Kurzianern tatsächlich und unbeantwortet auf keimform.de gestellt.
Meinst du https://keimform.de/2018/kapitalismus-aufheben-bonuskapitel/? Irgendeine beliebige Diskussion irgendwo im Internet verschafft dir die Möglichkeit, allgemeine Aussagen über "die Kurzianer" zu fällen? Jeder Lehrende ist verantwortlich für alles, was jemals einer seiner Lernenden zu tun oder zu sagen gedenkt? Wie weit ist das denn noch von Kontaktschuld entfernt?
Ansonsten aber danke für die Aufklärung. Mir wäre dieser Kontext sicherlich im Leben nicht eingefallen, immerhin gibt es einen.
Wenn du im Ernst sagen willst, dass die Reproduktionstätigkeiten keine systematischere Rolle für die Wertbestimmung spielen als das konkretistische Karnickelzüchten, wie erklärst du dir dann, dass Marx im Kapitel vom Karnickelzüchten nicht spricht, wohl aber wiederholt solche wie die folgende Reflexion anbringt?
Der Wert der Arbeitskraft schließt aber den Wert der Waren ein, welche zur Reproduktion des Arbeiters oder zur Fortpflanzung der Arbeiterklasse erheischt sind. Wenn also die naturwidrige Verlängrung des Arbeitstags, die das Kapital in seinem maßlosen Trieb nach Selbstverwertung notwendig anstrebt, die Lebensperiode der einzelnen Arbeiter und damit die Dauer ihrer Arbeitskraft verkürzt, wird rascherer Ersatz der verschlissenen nötig, also das Eingehen größerer Verschleißkosten in die Reproduktion der Arbeitskraft, ganz wie der täglich zu reproduzierende Wertteil einer Maschine um so größer ist, je rascher sie verschleißt. Das Kapital scheint daher durch sein eignes Interesse auf einen Normalarbeitstag hingewiesen.
(MEW23, S. 281 bzw. http://www.mlwerke.de/me/me23/me23_245.htm#S281)
Ansonsten scheint es ja tatsächlich um die Frage zu gehen, wie viel Zähne das Tier hat, obgleich ich mit der Frage rein ins Blaue schoss: Wenn du fragst, was der Wert als allgemein abstraktes Verhältnis mit der Verteilung der konkret nützlichen Arbeiten zu tun habe, ist die Antwort doch simpel: alles. Es gibt keine abstrakte Allgemeinheit jenseits des Konkreten, aus dem auf diese geschlossen werden könnte. Und umgekehrt gibt es kein Konkretes, dass sich der abstrakten Allgemeinheit entziehen könnte, weil diese sonst nicht wäre, was sie behauptet. Viele von Marx' Überlegungen funktionieren überhaupt nicht im Detail und sind von Bürgerlichen, so die sich denn dafür überhaupt interessieren und auch nur halbwegs begreifen, worum es geht, leicht angreifbar: Vermutlich keine einzige Ware bewegt sich in ihrem Wert tatsächlich exakt im Durchschnitt gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit, aber in ihrer Gesamtheit müssen sie das im krisenhaft-zerrissenen Gesamtreproduktionsprozess in der Tendenz schon tun, weil sonst nur Krise wäre und null Reproduktionsprozess. Ohne einen Begriff von Totalität, die realgeschichtlich niemals so ideal hergestellt wurde, wie Marx dennoch richtig sah, dass sie sich herstellte, findet keine Einzelkategorie einen triftigen Platz in der Konstellation.
Das zu tun kommt einer Verlagerung des Ursprung des Wertes in ein spezifisches Verteilungsproblem gleich, was nicht zur Entschlüsselung des Wertes führen kann. Das kann nur auf dem Weg der Abstraktion ala Marx von allen äußerlichen Bedingungen erfolgen.
Wen interessiert denn der Ursprung, außer Historiker_innen? Bedeutsam ist, dass sich das Wertverhältnis seit ein paar Jahrhunderten in sehr spezifischen G-W-G'-Variationen ausdehnt und reproduziert. Die Reproduktion ist das, was von Interesse ist, wenn wir das beenden wollen. Nicht, ob vielleicht irgendwann in Mesopotamien mal die Praxis einer allgemeinen Äquivalenz gerann.
Man kann in der Tat, hält man sich an Marx, nicht die Frage nach der Quantität des Wertes stellen, bevor nicht Klarheit über die Qualität besteht. Und genau das machen die „Wertkritiker“. Sie stellen gar nicht die Frage nach der Qualität, sie gehen gleich zur Quantität.
Das entspricht nicht meiner Beobachtung, ich kann aber sicherlich auch nicht ausschließen, dass du mit "Wertkritikern" zu tun hattest, die das tun. Weil irgendwer irgendein "Ticket" zieht, macht sie oder ihn das aber noch nicht zum Bus, Zug oder Flugzeug.
Das mit Proudhon gleichzusetzen, ist infam, weil es da keinerlei Übereinstimmung gibt und bewußt konstruiert ist. Hier wird die entscheidende Basis des Satzes einfach (böswillig?) weggelassen. Es wird ein sehr kurzer Hinweis aus dem Artikel verwendet, daß unter Nichtwarenproduktionsverhältnissen der Wert erst gar nicht entsteht, weil die individuellen Arbeiten von Anfang an zugleich als allgemeine Arbeit anerkannt ist, nach der Installation der Nichtwarenproduktion wohlgemerkt. Proudhon hingegen wollte unter Warenverhältnissen voluntaristisch diese Gleichsetzung dekretieren und ging logisch baden. Auch er hatte keinen Schimmer vom Wert.
Das war weder böswillig noch als Infamie gemeint, sondern erst einmal nur um Verständnis ringend. Ich vermute, du meinst mit der entscheidenden Basis: "Natur- und Gesellschaftsform sind dann nicht mehr getrennt und gegensätzlich", ja? Das klingt für mich wie eine vage Bestimmung von Paradies. Was das konkret meinen könnte, scheint mir in meinem gesellschaftlichen Kontext gänzlich verbaut. Umso mehr irritierte mich, dass Arbeitszeit noch irgendeine Rolle spielen sollte. Im Ernst: Eine Gesellschaft, die alle Arbeit als allgemeine Arbeit anerkennen und sich vom Wert gelöst haben würde, könnte überhaupt keinen Begriff mehr von Arbeitszeit haben, höchstens von Lebenszeit, die irgendwie damit verbracht worden ist, sich innerhalb der allgemeinen Arbeit zu bewegen. Wenn aber alles allgemeine Arbeit ist, dann auch der Schlaf, du bist da bei 24/7. Von bestehenden Kategorien abstrahieren zu wollen und sie dann doch mitzuschleppen, ist schlicht absurd.
Und, eine Gehässigkeit kann man sich sparen, daß es um die Werbung eines (garantiert unbedeutenden) Buches von Dieter Wolf ginge. Jemand, der nicht weiß, daß es gar nicht um ein Buch geht, sondern einen Artikel, würde besser daran tun, zu schweigen, zumal er klar erkennen läßt, diesen nicht gelesen zu haben. Das ist anmaßend und zeugt nicht gerade von Intelligenz.
Mir scheint, der Link ist unterdessen geändert worden. Spielt keine Rolle: Ich habe keinen Bibliotheksausweis zur Hand, ob's jetzt ein Buch oder eine Zeitschrift ist, auf die ich keinen Zugriff habe, ändert nichts an der Tatsache, dass ein Verweis kein Argument ist, sondern halt ein Verweis auf etwas, das ich zumindest gerade nicht bequem überprüfen könnte. Dem könnte in Forendiskussionen abgeholfen werden, muss selbstverständlich nicht. Wir können auch meine Bequemlichkeit problematisieren.