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Re: Mal wieder: Ab ins VWL-Bootcamp!

hamburgerbude78 schrieb am 06.03.2021 16:19:

pk schrieb am 06.03.2021 12:14:

Ein konkretes Beispiel: ... Cold Calls ... Callcenter-Sklaven .... reduzierten Mindestlohn .... Wildfremden Produkte ... die wirklich kein Mensch braucht. Der einzige Zweck der ganzen Aktion ist, ihrem Auftraggebern zu Geldgewinn zu verhelfen.

Diese ganze Auslösung von "schlechten" aus den "redlichen" Bedürfnissen funktioniert auch dann nicht, wenn man ganz viele Adjektive dazuschreibt.

Was für Adjektive?

Es geht um Geld. Für alle Beteiligten Deines Beispieles. Auch Du bist beteiligt, denn die wollen schlussendlich Dein Geld. Geld ist auch hier kein Selbstzweck ("Geldgewinn") sondern natürlich ein Bedürfnissubstitut.

Und nein: Eine Aktionärsdividende ist kein "schlechtes Bedürfnis" wogegen Nahrung dann ein "gutes Bedürfnis" ist. Diese Betrachtung macht der Kapitalismus nicht. Er schreibt nur einen Preis dran.

Ich weiss nicht, wen du da "zitierst", Ich bin es jedenfalls nicht.

Ich muss Essen, also brauche ich Geld.

Also ich brauche zu dem Zweck meistens Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch und so ein Zeugs.

Diese Ansätze, dass das Tauschmittel ja "eigentlich nichts wert ist" führen in der Regel nirgendwo hin.

Seit Bretton-Woods ist das Tauschmittel prinzipiell nichts wert. Es macht keinen grossen Unterschied, da das Tauschmittel im Normalfall nicht als Ware behandelt werden muss, also keinen besonderen Gebrauchswert haben muss ausser dem, als Geld zu dienen.

Für einen Mitteleuropäer auf dem Marktplatz ist der "Wert" einer Dschungelrettung eher gering. Du kannst nicht einfach konstruierte Beispiele heranziehen und dann sagen, "Schau, das Tauschmittel bringt dir nichts".

Das Geld hat seinen Wert nur als gesellschaftliches Konstrukt, aber nicht aufgrund seiner materiellen Eigenschaften. Fallen die dazugehörigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen weg, bleibt vom Geld nichts übrig als sein unmittelbarer materieller Gebrauchswert.

Eben nicht. Und jetzt kommen wir zum Kern des Pudels. Am Ende der Kausalkette steht immer einer, der sich das iPhone aus China kaufen will und dafür Kaufkraft in die USA transferieren muss.

Was heisst hier "Ende der Kausalkette"? Wer sich das iPhone aus China kaufen will, hat dafür das Geld aufzutreiben - also entweder durch Arbeit oder Kapitalertrag. Es handelt sich also um ein Kausalnetz.

"Geld des Geldes wegen" ist eine Kausalkette, der sich gerne Linke bemühen um dann so einen Schmuh wie "Mietendeckel", "Reichensteuern" und dergleichen durchzudrücken.

Es handelt sich dabei um kein moralisches Argument, sondern um ein gesellschaftliches. Mit den Steuern werden die Reichen daran beteiligt, die gesellschaftlichen Bedingungen aufrechtzuerhalten, die Ihnen die Stabilität und Ordnung gewährleisten, unter denen sie ihre Gewinne machen können. Mietendeckel sind ein Steuerungsinstrument. Ohne diese staatlichen Steuerungsinstrumente hätten wir heute wahrscheinlich immer noch Kinderarbeit in Bergwerksminen.

Bevorzugt mit - wie oben bereits erklärt - ganz vielen Adjektiven. Z.B. von den "gieriegen Vermietern", die das ja "alles nur des Geldes wegen machen".

Das ist, entschuldigung, hochgradig naiv.

Das ist vor allem verkürzte Kapitalismuskritik, und wer sich ein bisschen auskennt, weiss das auch. Habe ich auch nur einmal irgendwo "Gier" oder irgendwelche dieser ominösen Adjektive benutzt? Und willst du jetzt ernsthaft behaupten, beim Kapitalismus ginge es nicht in erster Linie um die Generierung von Mehrwert?

Nein! Der Markt hat als allererste Funktion die Preisfindung. Danach kommen Dinge wie effiziente Ressourcenallokation, etc. Wert ist das, was der Markt an das Produkt oder die Dienstleistung dranschreibt.

Es ist nicht der Markt, der den Preis dranschreibt, sondern die Marktteilnehmer in der kapitalistischen Konkurrenzsituation. Die Konkurrenz sorgt dafür, dass der Preis sich nich tall zu weit von den Herstellungskosten entfernt.

Das funktioniert sogar seit 2008 noch, als man die Eurozone und den USD-Raum zum Staatskapitalismus umgewandelt hatte.

Ach du jeh. Staatskapitalismus. Das ist ja genau das, was Marx vorhergesagt hat, was passieren wird, wen der Kapitalismus aus seinen Widersprüchen nicht mehr herauskommt und sich damit überflüssig macht.

Die Diskussion hat sich verkürzt. Heute steht ein Produkt im Laden, da ist KEINE menschliche Arbeitsstunde drin gebunden. Beispiel Lego. 100% automatisierte Fabriken.

Ja, Lego, das ist jetzt nicht grad ein typisches Beispiel. Die müssen auch ständig neue Sonderbauteile und spektakuläre Bausätze erfinden, um sich gegen die Billigkonkurrenz zu wehren.

Jegliche Betrachtung, die Marx bezüglich dieses Gutes machen würde sind buchstäblichg obsolet.

Das Produkt wurde von Robotern gebaut und wird gekauft durch Kaufkraft, die die Zentralbank in den KReislauf gepresset hat. So pervertiert ist das System mitlerweile.

Preisfrage: Warum sollte ich wertvolle Lebenszeit dafür aufwenden, mir das nötige Geld für ein Produkt zu besorgen, für das niemand auch nur eine Minute Zeit investiert hat? Und wenn der Staat mir das bezahlt, dann - wag ich es zu sagen? - befinden wir uns ja praktisch schon im Kommunismus, aber in einem ganz doofen.

Nur:
Der Kapitalismus kann auch hier noch wunderbar arbeiten.

Lego macht mit ca. 14.000 Angestellten, die monatlich im Schnitt ca. 5000€ kosten seit Jahren einen Nettoprofit von ca. 25%, leicht steigend. Das ist allerdings ordentlich. Es gibt also noch genug Leute, die sich Lego leisten können.

Das sind zum Teil gesellschaftliche Themen, die mit dem Kapitalismus wenig zu tun haben. Der hat überhaupt nicht zum Ziel, dass alle glücklich sind.

Da erzählst du mir jetzt allerdings nichts neues. Und du glaubst, das eine hätte mit dem anderen nichts zu tun?

Warum machen wir das dann immer noch? Warum behalten wir ein System, bei dem die Profitrate sinkt?

Antwort: Weil wir kein Besseres haben. Auch Du kennst keines.

Nun, das ist allerdings die entscheidende Frage, da hast du vollkommen Recht. Die Antwort von Marx war ja eher etwas enttäuschend. Seiner Meinung nach wird der Kapitalismus eben irgendwann aufgrund seiner inneren Widersprüche in Gegensatz zu den gesellschaftlichen Verhältnissen treten, die er selbst geschaffen hat und dann durch etwas anderes ersetzt werden, das zu diesen Verhältnissen besser passt. Er hat also überhaupt nicht mit moralischen Werturteilen über gerechte Verteilung oder so was argumentiert, sondern allein damit, dass die Produktionsmethoden sich immer weiter entwickeln, bis sie die bestehenden Verhältnisse sprengen. Deshalb hatten Marx und Engels auch heftige Auseinandersetzungen mit Proudhon und später Bakunin, weil sie alle utopische Ansätze genau so ablehnten wie du. Ich sehe da mehr Potential in den Überlegungen von Kropotkin und seinen Nachfolgern, das ist allerdings noch mit der Tatsache abzugleichen, dass der Kapitalismus eben erst dann verschwinden wird, wenn er für die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse spürbar mehr Nach- als Vorteile bringt.

Ich kenne all die Probleme des Kapitalismus. Monopolbildungen, sinkende Profitrate, Zinsenszinseffekt und Wohlstandsakkumulation, etc. etc.

Alles nicht gut.

Vor allem auch zunehmend labil auf globalem Massstab.

Aber! Wir müssen mit einem völlig überbevölkerten Planeten es in den nächsten paar 100 Jahren durch den großen Filter schaffen und mindestens Multiplanetar werden. (Das Ziel, das Elon Musk gerade verfolgt).

Kapitalismus kann im Weltall nicht wirklich funktionieren, und Marskolonien sind keine Antwort auf das nicht wirklich existierende Problem Überbevölkerung. Du kannst nicht 5 Milliarden Menschen auf den Mars verfrachten. Mit viel Glück und Technik vielleicht ein paar tausend. Und was machst du mit einem Marskolonisten, der sich finanziell verhoben und kein Geld mehr für Sauerstoff hat? Und wer wird die ganzen Krebstherapien für Kosmonauten bezahlen, die zu lange der harten Strahlung ausgesetzt waren? Und was wird mit den Metallpreisen passieren, wenn jemand einen Asteroiden anschleppt, der aus ein paar Kilotonnen Gold und anderen Erzen besteht? Das sind alles Fragen, die im Kapitalismus zu extremen Krisen führen können und relativ leicht zu beantworten sind, wenn man es schafft, von der Tauschwirtschaft wegzukommen, weil die gesamte menschliche Gesellschaft so reich ist, dass sie alles gemeinsam besitzen kann.

Um das zu schaffen, brauchen wir ein ökonomisches Powerhouse und keinen aufgewärmten Sozialismus.

Ja, das ist halt der Knackpunkt. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo der Kapitalismus sich in einen Hemmschuh verwandelt. Eventuell haben wir den schon überschritten.

Wenn Du politisch das Ziel verfolgen würdest, dass wir jetzt sofort die Krankenpfleger/innen besser bezahlen und das (z.B.) den Beamten aus der Pensionskasse nehmen. Oder die GEZ dafür umverteilen....

Meine Stimme hättest Du!

Ich dachte, du wärst gegen die Reichensteuer?

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