Ansicht umschalten
Avatar von rocketeer_87
  • rocketeer_87

825 Beiträge seit 15.09.2015

Re: Symptomatische Sinnfrage

hamburgerbude78 schrieb am 08.03.2021 08:11:

rocketeer_87 schrieb am 05.03.2021 16:41:

Nichts für Ungut, aber das einzige was der Markt produziert ist ein großer Haufen Scheiße.

Und das macht der Kapitalismus sogar richtig gut. Ja, wir müssen dem Kapitalismus einen positiveren, "anderen" Spin geben, als nur Scheiße für die Mülltonne zu produzieren.

Selbst wenn, wir können nicht aus diesem System heraus. Weil wir auf der anderen Seite einen Haufen Gewinnversprechungen für die Zukunft verbrieft haben, die die Gesellschaft an sich einlösen muss: Bsp: Beamtenpensionen. Die haben sich das Wachstum, dass sie aus dem Volkseinkommen auslösen, fix in die Bücher geschrieben.

Und das ist nur ein Beispiel unter vielen "wachstumserwartenden Systemen".

Das System bräuchte das heute eigentlich nicht mehr, da wir von der kreditgetriebenen Fiat-Schöpfung weg zum Staatskapitalismus gekommen sind. Der Staat ist heute der "Hauptkäufer", der sich alle Schulden in die eigenen Bücher nimmt.

Und übrigens:

Mit steigender Produktivität nimmt die (abstrakte) Wertmasse übrigens sukzessive ab, was dszu führt, dass man immer mehr produzieren muss. Der Hauptgrud für die Klimaerwärmung.

Wenn ich das bestehende System nicht in Frage stelle [was ich nicht tue], dann ist der Grund für die Klimaerwärmung, und vieler anderer ökologischer Probleme, die Überbevölkerung.

Gruß

Hi,

na wenigesten mal jemande, der nicht gleich die verbale Keule auspackt & mit dem man reden kann - fast schon ein Novum für das Forum ;-)

Und das macht der Kapitalismus sogar richtig gut. Ja, wir müssen dem Kapitalismus einen positiveren, "anderen" Spin geben, als nur Scheiße für die Mülltonne zu produzieren.

Man kann dem Kapitalismus keinen positiveren Spin verpassen oder ihn - wie es ja neuerdings gebetsmühlenartig kommuniziert wird - "greenwashen".

Das einzige Ziel kapitalistischen Wirtschaftens ist unentwegte Vermehrung abstrakten Reichtums, also Akkumulation von immer größeren Mengen "toter Arbeit" die sich letztlich in Form von Waren und Geld manifestiert.

Egal welche "Vorgaben und Regelwerke" man versucht, um den Kapitalismus herumzustricken, am Prinzip ändert sich nichts:

Es muss immer und immer Profit und Wachstum generiert werden.

Und das Schlimme ist: Dieser Wachstumszwang wird durch die marktvermittelte Konkurenz noch verstärkt und führt dann zu einem exponentiellen Wachstum.

Schließlich verhält es sich also so, dass die Konkurenz (im jeweiligen Markt) die anderen Marktteilnehmer zu ständigen Produkt- und Prozessinnovationen zwingt, da nur so ein Überleben am Markt realisiert werden kann! Aber was bedeutet das für die Wertakkumulation resp. für die Entwicklung der Profite?

Um mal im bekannten "BWL-Sprech" zu bleiben:

Die Herstellungkosten sinken. Zum einen werden die Fertigungskosten reduziert: ein steigender Automatisierungsgrad bei den Herstellanlagen, neue Technologien, Lohndumping / Outsourcing und die Rationalisierung von Fertigungsprozessen sind die wichtigsten Säulen dabei.

Zum anderen sinken aber auch die Kosten für Materialbeschaffung. Dies wird einerseits durch Rationalisierung / Optimierung beim Lieferanten / Produzenten mit den bereits oben beschriebenen Mitteln realisiert. Andererseits kommen hierbei die Economies of Scale zum tragen: Wächst mein Unternehmen, so wächst auch meine Nachfrage nach Produkten was wiederum zur Reduktion von Beschaffungskosten führt etc. pp.

Betrachtet man jedoch den Gewinn bzw. Profit je hergestellter Ware, so wird der Profit tendenziell fallen. Warum?

Das Unternehmen, welches erstmalig ein Prozessinnovation realisiert (und dadurch die Herstellkosten reduziert) wird seiner Ware natürlich erstmal zu den "marktüblichen" Preisen verkaufen, um sog. "Extraprofite" ggü. der Konkurrenz einzufahren. Es kann natürlich auch die Preise proportional zu seinen Kosteneinsparungen senken und somit "der Markt räumen", also von der Konkurrenz Marktanteile abgreifen, seine Marktmacht ausbauen etc.

Egal wie sich das Unternehmen entscheidet: Früher oder später werden andere Konkurrenten nachziehen, die neuen Rationalisierungsmaßnahmen adaptieren (ein typisches Geschäftsfeld von Beratungsunternehmen btw) und selbst nach neuen Prozessinnovationen forschen.

Wenn nun aber die Produkte aufgrund der Rationalisierungseffekte mit immer weniger Aufwand produziert werden & die Konkurrenz früher oder später aufschließt, werden die Preise am Markt und somit der Profit PRO STÜCK tendenziell fallen. Dieses Phäomen ist auch von J. Rifkins als "Null-Grenzkosten-Theorie" bekannt geworden. Die Produktion jeder eines weiteren Produkts kostet irgendwann gar nichts mehr (bzw. die variablen Kosten laufen tendenziell gegen Null), was wiederum ein Hauptargument für die sog. "Post-Wachstumsgesellschaft" ist.

Zurück zum Thema:

Fällt der Profit PRO STÜCK immer weiter ab, so nimmt auch die akkumuliert Wertemasse bzw. die Menge neu gewonnenen abstrakten Reichtums insgesamt ab. Simples Beispiel:

In der ersten Produktionsrunde kostet mich die Herstellung eines Stuhls 50€ und es werden 10 Stühle zu 60€ verkauft. Ergibt

Profitmasse Runde: (60-50)€*10STK = 100€.
Profit pro Stuhl: 10€/STK

Aufgrund steigender Konkurrenz nimmt der Druck nach Innovation / Rationalisierung zu. Die Herstellkosten können gesenkt werden; die Mitarbeiter müssen z.B. die Tischbeine nicht mehr per Hand sägen; die Lackierung läuft auch automatisch über eine Anlage etc. Der Einfachheit halber gehen wir mal davon aus, dass die Anlagen direkt bezahlt wurden und nur noch buchhaltorisch erfasst werden.

Da unser Stuhl-Hersteller der erste mit der neuen Technolgie am Stuhlmarkt ist, sieht die zweite Produktionsrunde wie folgt aus:

Die Herstellkosten fall auf 30€, gleichzeitig können doppelt so viele Stühle produziert werden. Um Extraprofite abzuschöpfen, können in dieser Runde weiterhin 60€ pro STK verlangt werden, ergibt:

Profitmasse Runde 2: (60-30)€*20STK = 600€.
Profit pro Stuhl: 30€ / STK

Schön für unseren Stuhl-Kapitalisten, aber die Konkurrenz schläft nicht! Die restlichen Marktteilnehmer ziehen ihre Technologie nach, alle haben jetzt die gleiche Produktivität. Um der Konkurrenz Martkanteile abzugraben, werden jetzt die Preise sukzessive gesenkt, bis wir beim "wahren" Martkpreis angekommen sind, den die Nachfrageseite zu zahlen bereit ist. Wie sieht es jetzt für unseren Stuhl-Kapitalisten aus?

Profitmasse Runde 3: (35-30)€*20STK = 100€.
Profit pro Stuhl: 5€ / STK

Natürlich ist das hier nur eine vereinfacht Spielerei, aber die Grundaussage wird deutlich:

Durch die steigende Produktivität einerseits und die marktvermittelte Konkurrenz andererseits, fällt der Preis pro Stück (sog. "Stückkostendegression") immer weiter ab. Das ist schön für den Käufer, hat aber für den Hersteller den Nachteil, dass der "Kostendruck" immer mehr steigt, was sich mit den altbekannten Maßnahmen für das Personal auswirkt:

Outsourcing, 50h+ Wochen, Lohndumping, Ausbeutung, Streichung von Sozialmaßnahmen, Burnout...

Denn: Um die Wertemasse "hochzuhalten", also immer um die Profite ständig wachsen zu lassen, MUSS immer mehr in die Natur eingegriffen, müssen immer mehr Rohstoffe verproduziert, muss die Umwelt immer mehr vernichtet werden.

Insofern kann durch aus davon sprechen, dass der Kapitalismus wie ein Krebsgeschwür wuchert und langsam aber sicher seinen "Wirt" auffrisst.

Wenn ich das bestehende System nicht in Frage stelle [was ich nicht tue], dann ist der Grund für die Klimaerwärmung, und vieler anderer ökologischer Probleme, die Überbevölkerung.

Die Aussage hinkt in mehrerlei Hinsicht. Zum einen sind die größten Emittenten von CO2 die Industrienationen. Wenn man dann noch die den CO2-Austoß pro Kopf als Kennzahl hernimmt, ergibt sich folgendes Bild:

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_CO2-Emission_pro_Kopf#

Das Problem in erster Linie ist also nicht die Populationsgröße (global) sondern der Verbrauch pro Land und Kopf. Und da zeigt sich, dass die Nordamerikaner und die Europäer die größten Klimasünder sind. Natürlich emittiert auch China einen beträchtlichen Anteil, hat aber auch 1,3Mrd (!) Einwohner, was den Pro-Kopf-Ausstoß schon wieder siginifikant relativiert.

Zumal ja auch Lebensmittel zur Genüge da wären; es bedürfte nur 1) einer sozialeren Umverteilung 2) einer breiteren Diversifikation (weg von den Monokulturen) und 3) einer Abkehr von energieintesiven Lebensmitteln wie Fleischprodukten

Man könnte also jeden satt bekommen, wenn man nur wollte.

Selbst wenn, wir können nicht aus diesem System heraus. Weil wir auf der anderen Seite einen Haufen Gewinnversprechungen für die Zukunft verbrieft haben, die die Gesellschaft an sich einlösen muss:

Das ist zwar ziemlich fatalistisch, aber leider wohl auch die wahrscheinlichste Entwicklung. Der Kapitalismus ist entweder ein Zwischenstadium für die menschliche Gesellschaft oder das Endstadium. Je nachdem, ob wir uns daraus lösen können oder nicht.

Potential sehe ich den "abgespaltetenen" Gebieten der dritten Welt. Dort könnte man eine auf Suffizienz und "Sozialismus" (im besten und eigentliche Sinne des Wortes) gründende Gesellschaft etablieren. Die Zentren des Weltkapitals (Europa, USA, China...) werden sich wohl im Endstadium des kapitalistischen Wirtschaftens zerstören, auf jeden Fall auflösen (die Tendenzen hinsichtlich Autoritarismus, Protektionismus, Isolationismus etc. sind ja offensichtlich).

Oder: Der Klimawandelt findet schneller als geplant statt und wird die Weltgesellschft insgesamt zerstören.

Bewerten
- +
Ansicht umschalten