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  • syntopian

22 Beiträge seit 03.10.2003

Re: Nur mal so mitten rein gesprungen ...

SoShy schrieb am 25.12.2021 17:05:

Okay, dieser Punkt sei klar, sagt der Autor. Wenn seine Aussage richtig ist, ist sie immer richtig. Wir können sie eigentlich einfach prüfen, wenn wir in einem kapitalistischen Staat das Leben eines Arbeiters "gestern", mit dem Leben eines Arbeiters "heute", vergleichen.

Oder aber noch besser, weil weniger von historischem Flimmern wie Kriegen etc. überlagert, das Leben eines Arbeiters vor 100 Jahren und das Leben eines Arbeiters heute.

Da hätten wir also:
- 60 h Arbeitszeit gegen 40 h Arbeitszeit.
- Lehrgeld musste gezahlt werden, heute bekommt der Lehrling einen kleinen Lohn
- heute KV, AV, RV, damals, falls vorhanden, alles rudimentär.
- damals und trotz Arbeit, Hunger und Armut. Heute, genug Nahrung, KV, AV, RV.
- damals Kinder satt, schlechte Hygiene, Klo im Hof oder auf dem Flur, Badewanne im Schwimmbad. Wäsche im Badezuber. Frauen: Küche und Herd.
Heute: eigene Dusche, WC, Berufausbildungen für Frauen selbstverständlich, Spül, Waschmaschinen, etc.

Wann war die Freiheit sein eigenes Leben zu bestimmen und selbst zu wählen wohl grösser? Damals oder heute?

Nach 100 Jahren der Ausnutzung und einiger ständigen Schädigung der Arbeiter, geht es also heute dem Arbeiter deutlich besser als 1921. Aber wie kann das sein, wo doch dem Arbeiter ein ständiger Schaden auferlegt wird? Da stimmt doch etwas ganz gewaltig nicht. Da ist doch etwas ganz grundsätzlich falsch.

Womit ich nicht sagen möchte, der Kapitalismus sei nicht zu kritisieren. Aber so ist das - realistisch gesehen - Quatsch. Man muss zumindest den Nutzen der geschaffen wurde berücksichtigen. Ansonsten argumentiert man am Leben vorbei.

Ich denke der Autor hat dazu eindeutig Stellung bezogen, indem er den sozialpartnerschaftlich verrechtlichten Kapitalismus als Grund identifiziert, warum der Klassenkampf von der historischen Tagesordnung verschwunden ist. Also die oben genannten Verbesserungen zu leugnen wäre kindisch.

Bedeutet dass Marx' Aussagen bezüglich der Tendenz zur Zerstörung der Arbeitskraft überholt sind?
Ich gebe folgende Dinge zu bedenken:
* Eine Tendenz zur wechselseitigen Schädigung ist dieser Produktionsweise immanent, sodass der Staat als "Allgemeinwohl" diese Schädigung auf ein verträgliches Maß beschränkt.
* Export von industrieller Produktion bzw. "Zulieferklitschenproduktion" in den globalen Süden, Osten, nach China, in Schwellenländer etc.. Dort sind die Lebensbedingungen der arbeitenden Klasse wesentlich schlechter, wie man unschwer recherchieren kann.
* Das Verhältnis von stofflichem und monetärem Reichtum (durch extensive und Intensive Produktionssteigerung) und dem Anteil der Majorität der arbeitenden Bevölkerung daran auch in den entwickelten Ländern ist seit 40 Jahren dabei sich wieder substantiell zu verschlechtern. Sozialstaatliche Leistungen werden ebenso zurückgefahren.
Wie relativ das ganze Konstrukt der Verbesserung und des Nutzens ist, können wir ja gerade an den Entwicklungen im Gesundheitssektor bewundern.

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