Ansicht umschalten
Avatar von SoShy
  • SoShy

mehr als 1000 Beiträge seit 01.09.2018

Re: Nur mal so mitten rein gesprungen ...

syntopian schrieb am 25.12.2021 18:08:

SoShy schrieb am 25.12.2021 17:05:

Okay, dieser Punkt sei klar, sagt der Autor. Wenn seine Aussage richtig ist, ist sie immer richtig. Wir können sie eigentlich einfach prüfen, wenn wir in einem kapitalistischen Staat das Leben eines Arbeiters "gestern", mit dem Leben eines Arbeiters "heute", vergleichen.

Oder aber noch besser, weil weniger von historischem Flimmern wie Kriegen etc. überlagert, das Leben eines Arbeiters vor 100 Jahren und das Leben eines Arbeiters heute.

Da hätten wir also:
- 60 h Arbeitszeit gegen 40 h Arbeitszeit.
- Lehrgeld musste gezahlt werden, heute bekommt der Lehrling einen kleinen Lohn
- heute KV, AV, RV, damals, falls vorhanden, alles rudimentär.
- damals und trotz Arbeit, Hunger und Armut. Heute, genug Nahrung, KV, AV, RV.
- damals Kinder satt, schlechte Hygiene, Klo im Hof oder auf dem Flur, Badewanne im Schwimmbad. Wäsche im Badezuber. Frauen: Küche und Herd.
Heute: eigene Dusche, WC, Berufausbildungen für Frauen selbstverständlich, Spül, Waschmaschinen, etc.

Wann war die Freiheit sein eigenes Leben zu bestimmen und selbst zu wählen wohl grösser? Damals oder heute?

Nach 100 Jahren der Ausnutzung und einiger ständigen Schädigung der Arbeiter, geht es also heute dem Arbeiter deutlich besser als 1921. Aber wie kann das sein, wo doch dem Arbeiter ein ständiger Schaden auferlegt wird? Da stimmt doch etwas ganz gewaltig nicht. Da ist doch etwas ganz grundsätzlich falsch.

Womit ich nicht sagen möchte, der Kapitalismus sei nicht zu kritisieren. Aber so ist das - realistisch gesehen - Quatsch. Man muss zumindest den Nutzen der geschaffen wurde berücksichtigen. Ansonsten argumentiert man am Leben vorbei.

Ich denke der Autor hat dazu eindeutig Stellung bezogen, indem er den sozialpartnerschaftlich verrechtlichten Kapitalismus als Grund identifiziert, warum der Klassenkampf von der historischen Tagesordnung verschwunden ist. Also die oben genannten Verbesserungen zu leugnen wäre kindisch.

Ich sehe allerdings nicht, wo diese Verbesserungen in des Autors Argumentationen eingeflossen sein sollen. Jedenfalls nicht im Teil 2.

Bedeutet dass Marx' Aussagen bezüglich der Tendenz zur Zerstörung der Arbeitskraft überholt sind?
Ich gebe folgende Dinge zu bedenken:
* Eine Tendenz zur wechselseitigen Schädigung ist dieser Produktionsweise immanent, sodass der Staat als "Allgemeinwohl" diese Schädigung auf ein verträgliches Maß beschränkt.

Ich weiss nicht welches die beiden Seiten sein sollen?

* Export von industrieller Produktion bzw. "Zulieferklitschenproduktion" in den globalen Süden, Osten, nach China, in Schwellenländer etc.. Dort sind die Lebensbedingungen der arbeitenden Klasse wesentlich schlechter, wie man unschwer recherchieren kann.

Ja, und in einigen dieser Länder haben sich die Arbeits- und Lebensbedingungen für die abhängig Tätigen massiv verbessert. In China beträgt das mediane Duchschnittseinkommen pro Jahr aktuell 9600 US Dollar. Das dürfte sich - auch durch den Kapitalismus - in den letzten 30 Jahren dort verhundertfacht haben. In Indien gibt es ähnliche Effekte, auch wenn sich dort der Einkommensanstieg nicht auf die unteren 50-60% übertragen wird. (Was allerdings weniger mit dem Wirtschaftssystem und mehr mit der indischen Kasten Klassengesellschaft zu tun hat. Direkt verantwortlich dafür, sind die dortige Regierung und Religion).

* Das Verhältnis von stofflichem und monetärem Reichtum (durch extensive und Intensive Produktionssteigerung) und dem Anteil der Majorität der arbeitenden Bevölkerung daran auch in den entwickelten Ländern ist seit 40 Jahren dabei sich wieder substantiell zu verschlechtern. Sozialstaatliche Leistungen werden ebenso zurückgefahren.

Das sehe ich anders. Die Unterschiede sind sind länderspezifisch. In den Skandinavischen Ländern und in der Schweiz verschlechtert sich nichts oder erst seit sehr kurzem. Dort sind die Sozialsysteme stabil. Über China hatten wir ja bereits gesprochen. Dort gibt es seit 30 Jahren nur eine Richtung. Durch die EU ging es den bisherigen Weichwährungsstaaten in der EU deutlich besser, erst seit der Bankenkrise sind sie beeinträchtigt. Seit mindestens 20 jahren bergab, geht es in D., im UK und seit etwa 40 Jahren in der USA. Und zwar hauptsächlich weil die Politik zugelassen hat, dass die Kapitalisten Ihre Produktion abgezogen und verlagert haben.


Wie relativ das ganze Konstrukt der Verbesserung und des Nutzens ist, können wir ja gerade an den Entwicklungen im Gesundheitssektor bewundern.

Ja uns trifft es hart und es wird uns auch noch härter treffen. Die antikapitalistischen Umstellungen nehmen ja erst Fahrt auf. Nur mal so als Beispiel, ich bin kein Freund von AKW's. Bezahlbare Energie hätte ich allerdings schon gerne. (Alleine schon, damit mein Bauer seine Kühe vollautomatisch melken kann und die Käserei die Butter schlagen kann).

Wir bauen gerade 4 AKW's ab, China plant in den nächsten 15 Jahren 150 neue Reaktoren. (Siehe: Bloomberg, vor etwa 4 Wochen). Zusätzlich neue Kohle und alternative Energien. Was glauben Sie wo der Arbeiter seine Butter preiswerter wird erstehen können?

Bewerten
- +
Ansicht umschalten