Nicht jeder ist der marxistischen Philosophie und wissenschaftlichen Tradition verpflichtet oder in dieser bewandert (gerade nach dem Scheitern des "dogmatischen (politischen) Marxismus" im "Ostblock" nach 1989).
In einer Klassengesellschaft wie der buergerlich-kapitalistischen unserer Praegung, welche den eigenen Klassencharakter staendig zu negieren versucht (in Medien, Politik, Wissenschaft usw)*, ist die konzeptionelle Begriffsbildung des "Klassismus" dennoch hilfreich, um die Klassenfrage in den Diskurs zurueckzubringen.
Ich wuerde daher den Begriff und die Forschung zum "Klassismus" - auch in Verbindung mit anderen strukturellen Ungleichheiten (i. S. v. "intersektional") - nicht gleich als Bloedsinn abtun, solange dieser nicht auf reine idealistisch-subjektive Fragestellungen reduziert wird; also man die oekonomisch-materielle Basis immer mitdenkt (da gebe ich ihnen recht).
Unabhaengig vom Konzept des "Klassismus", eine Ausweitung des konzeptionellen Repertoirs in den Sozialwissenschaften kann hilfreich sein, komplexere Probleme zu erfassen und zu beschreiben, welche mit den "klassischen" Begriffen wie (Klasse, Geschlecht, Ethnie usw.) allein nicht eindeutig dargestellt werden.
Zum Beispiel sind die Diskriminierungserfahrungen und strukturellen Beachteiligungen der "Ostdeutschen" qua "ostdeutscher Herkunft" in der Berliner Republik mit einem einzigen analytischen Begriff wie Klasse nicht erfassbar.
(*das trifft z.B. im uebrigen auf den Begriff "Marktwirtschaft" ebenso zu, welcher den Begriff "Kapitalismus" im allgemeinen politisch-oeffentlichen Sprachgebrauch verdraengt hat; ganz bewusst, um den eigentlichen Charakter unseres politisch-oekonomischen Systems zu verschleiern).