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  • Jens Niestroj

131 Beiträge seit 23.07.2023

leider nichts neues

Die Art und Weise wie unsere Medien in überwiegender Anzahl über die Kriege gegen die Feinde des Westens berichten und wie Völker- und Kriegsrecht noch nicht einmal ignoriert werden, ist leider nichts neues und auch nicht auf Nahost beschränkt.

Nachfolgend ein paar Schlaglichter aus der Vergangenheit:

Irak 2005
Am 19.11.2005 ermordeten US Marines in Haditha (Irak) aus Rache 24 irakische Zivilisten, davon 5 Kinder und einen Behinderten im Rollstuhl. Einer der beteiligten Marines äußerte auf die Frage, ob er dies bedauere:

Nein … wahrscheinlich sind die Hälfte von ihnen ohnehin Verbrecher, man weiß einfach nichts Genaues über sie. Ich habe nie wirklich über sie nachgedacht.

Zunächst wurde das Massaker von offiziellen US-Stellen geleugnet. Als es nicht mehr zu leugnen war, wurde Anklage gegen den Gruppenführer der Einheit, die das Massaker begangen hatte (Frank Wuterich), erhoben. Am 24. Januar 2012 wurde dieser vom Militärgericht zu 3 Monaten Haft verurteilt. Diese Strafe musste er aus Verfahrensgründen nicht absitzen.
3 Monate für 24-fachen Mord...
Reaktion unserer Massenmedien: ---

Sudan 1998
Am 20. August 1998 wurde die asch-Schifa-Arzneimittelfabrik im Sudan durch einen US-amerikanischen Angriff mit 13 Marschflugkörpern zerstört. Begründung des damaligen US-Präsidenten Clinton: In der Fabrik würden chemische Waffen hergestellt.
Direkt nach der Bombardierung lud die Regierung Sudans die USA und den UN Sicherheitsrat ein, die Fabrik hinsichtlich einer möglichen Produktion von chemischen Waffen zu untersuchen. Dies lehnte die US-Regierung ohne Begründung ab.
Der deutsche Botschafter im Sudan informierte am Tag der Bombardierung den deutschen Außenminister, dass man die Fabrik „beim besten Willen“ nicht als Chemiewaffenfabrik bezeichnen könne. Vielmehr produziere die Fabrik Antibiotika, Malariamittel, Medikamente gegen Durchfall und Infusionsflüssigkeiten. Hiervon hätte sich jeder überzeugen können, da die Fabrik für ausländische Besucher leicht zugänglich war.
Unbeachtet blieb in den Medien auch die Tatsache, dass es für die in der Fabrik hergestellten Arzneimittel keinen angemessenen Ersatz gab. Die Anzahl der Folgetoten dürfte daher erheblich sein, da mögliche Alternativen (Medikamente von westlichen Pharmakonzernen) für die Menschen Afrikas eindeutig zu teuer waren / sind.

Vietnam, 1960er und 1970er Jahre
In Vietnam setzten die US Truppen über 7.000.000 l Herbizide – größtenteils Agent Orange – ein, wobei das Ziel oft nicht das Entlauben von Urwald, sondern das Vernichten von Ernten war. Schon 1965 wurden 42% der Entlaubungsmitteleinsätze gegen Reisfelder geflogen (wie im übrigen die Briten in den 1950er Jahren in Malaysia): Dies hatte selbstredend Folgen. Neben der großflächigen Verseuchung der Menschen, die den Herbiziden ausgesetzt waren und die teilweise erst Jahre nach offiziellem Ende des Vietnamkrieges an Krebs starben – insgesamt starben über 400.000 Menschen an den Folgen der Chemiewaffenangriffe - hatte die Vernichtung von Kulturland katastrophale Wirkung auf die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung, Während Vietnam noch Anfang der 1960ger Jahre einer der größten Reiseexporteure der Welt war, musste das Land ab Mitte der 1960ger Jahre große Mengen Reis importieren.
Vergleich Genfer Konvention:

Es ist verboten, die für die Zivilbevölkerung lebensnotwendigen Objekte, wie zum Beispiel landwirtschaftliche Gebiete, Ernte- und Viehbestände, die zur Erzeugung von Nahrungsmitteln genutzt werden, oder Trinkwasserversorgungsanlagen und -vorräte sowie Bewässerungsanlagen, anzugreifen, zu zerstören, zu entfernen oder unbrauchbar zu machen (Art. 54 II ZP I; Art. 14 ZP II).

Reaktion unserer Massenmedien: totales Verschweigen über die tatsächlichen Ziele des Agent Orange Einsatzes (Reisfelder; Hunger als Waffe) und weitgehendes Schweigen zu den 100.000den Krebstoten


Irak und Kuwait 1991

Der Irakkrieg kostete etwa 80.000 bis 150.000 irakischen Soldaten das Leben, hinzu kamen noch 10.000de direkte zivile Opfer der Bombenangriffe. Die exakten Zahlen werden wir nie erfahren, da die irakische Regierung kein Interesse daran hatte, die Opferzahlen zu nennen, und da US-Streitkräfte die irakischen Toten schnell in nicht gekennzeichneten Massengräbern verscharrten, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, die Identität der Toten festzustellen, ja noch nicht einmal den Anstand besaßen, die Massengräber zu kennzeichnen.
Vergleich Genfer Konvention:

Auch nach dem Tod eines gegnerischen Angehörigen der Streitkräfte ist der Leichnam mit der gebotenen Ehrerbietung zu behandeln. Soweit möglich, ist der Leichnam entsprechend den Riten der Religion der gefallenen Person und mit dem nötigen Respekt zu bestatten. Spätestens nach Beendigung der Kämpfe tauschen die Kriegsparteien die Listen der gegnerischen Gefallenen aus und benennen den Verbleib der sterblichen Überreste/Asche oder ermöglichen eine Lokalisierung der Grabstätte (Art. 17 GA I; Art. 20 GA II; Art. 120 GA III; Art. 34 ZP I).

Reaktion unserer Massenmedien: ---

Irak 2003
Am 8.4.2003 wurde das Palestine Hotels in Bagdad durch einen US-Panzer beschossen. Den US-Truppen war bekannt, dass in diesem Hotel fast alle westlichen, nicht eingebetteten Journalisten untergebracht waren. Bei dem Beschuss starben Jose Couso ein Kameramann von Tele5 (Spanien), sowie der Reuters-Kameramann Taras Protsjak. Außerdem wurden bei dem Beschuss drei weitere Journalisten schwer verletzt. Der Kommandeur der beschießenden US-Truppen, Major General Buford Biount, behauptete darauf, seine Panzer seien von dem Hotel aus beschossen worden und hätten daher das „Feuer erwidern“ müssen. Unglücklicherweise (für Herrn Biount) hat das französische Fernsehen den gesamten Ablauf gefilmt – von einem Beschuss der Panzer von dem Hotel ist in diesen Filmaufnahmen nichts zu sehen. Das einzige was in dem Film zu sehen ist: Der Panzer zielte lange und beschoss das Hotel offensichtlich gezielt.
Vergleich Genfer Konvention:

Es ist wichtig, dass die Medien angemessen über Kriegssituationen berichten können. Das bedeutet oft, dass sich Journalistinnen und Journalisten in gefährliche Situationen begeben müssen. In den Genfer Abkommen sind Journalistinnen und Journalisten klar in ihrer Eigenschaft als Zivilpersonen definiert. Das wurde im ersten Zusatzprotokoll 1977 nochmals bekräftigt.
Wenn Journalistinnen und Journalisten im Kriegsgebiet gefährliche berufliche Aufträge ausführen, gelten sie ebenfalls als Zivilpersonen (Art. 79 I ZP I). Demnach sind sie geschützt, sofern sie nichts unternehmen, was ihren Status als Zivilperson beeinträchtigen könnte (Art. 79 II ZP I).

Reaktion unserer Massenmedien: ---

Irak 1991
Die 24. US-Infanterie Division unter Kommando von General Barry McCaffrey beschoss fliehende irakische Truppen und fliehende Zivilisten auch noch vier Stunden nach Beginn des Waffenstillstandes und tötete 1.000de. Offizielle Begründung: Die US-Truppen wären von den Irakern beschossen worden. Entscheidendes Problem bei dieser „Argumentation“: Nicht ein einziger US-Soldat wurde in dieser Zeit auch nur leicht verwundet.
Dennoch wurde General Barry McCaffrey in einer Untersuchung von allen Vorwürfen freigesprochen. Er gilt den Medien weiterhin als militärischer Held…
Reaktion unserer Massenmedien: ---

Jugoslawien 1999
Allein in (Rest)-Jugoslawien griff die NATO 200 Fabriken, 190 Schulen, 50 Brücken, fünf Zivilflughäfen sowie ungezählte Wohnhäuser und Agrarbetriebe sowie Radio- und Fernsehsender an. In der Nacht vom 2. zum 3. Mai wurden durch die Bombardierung von Umspannwerken mittels spezieller Graphitbomben die Stromversorgung lahmgelegt und die Wärmekraftwerke in Obrenovac und Kostolac attackiert. Die NATO ist sogar stolz auf ihre Kriegsverbrechen wie das Statement von NATO-Pressesprecher Jamie Shea zeigt: „Die Tatsache, dass die Lichter in 70 Prozent des Landes ausgingen, zeigt, denke ich, dass die NATO jetzt in Jugoslawien ihre Finger am Lichtschalter hat, und dass wir den Strom abstellen können, wann immer wir müssen, wo immer wir wollen.“
Vergleich Genfer Konvention:

Alle nicht militärischen Ziele sind zivile Objekte. Diese Objekte dürfen weder angegriffen noch zum Gegenstand von Repressalien gemacht werden (Art. 52 I ZP I). Aus diesem Grund dürfen Kriegshandlungen nur gegen militärische Ziele gerichtet werden (Art. 48 ZP I), die aufgrund ihrer Beschaffenheit, ihres Standorts, ihrer Zweckbestimmung oder ihrer Verwendung zu militärischen Handlungen beitragen und deren gänzliche oder teilweise Zerstörung einen eindeutigen militärischen Vorteil darstellt (Art. 52 II ZP I)

Reaktion unserer Massenmedien: ---

Persisch arabischer Golf 1988
Am 3.7.1988 schoss der Kreuzer USS Vincennes einen zivilen iranischen Airbus ab, der sich auf einem regulären Linienflug von Bandar Abbas nach Dubai befand. Alle 275 Passagiere und 15 Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben.
Die erste Reaktion der Medien und der wesentlichen Regierungen war, dass die USS Vincennes in Notwehr gehandelt habe, da sich der Airbus als „Selbstmordanschlag“ auf den US Kreuzer stürzen wollte. Dies war gelogen, da sich der Airbus noch im Steigflug befunden hatte.
Dann mussten sich die Medien und NATO Pressestellen eben die nächste Erklärung ausdenken: Der Airbus wurde durch den US Kreuzer mit iranischen F-14 Kampfflugzeugen verwechselt, weil der Airbus seine zivile Kennung ausgeschaltet habe. Das Flugzeug wäre daher auf der militärischen Notfallfrequenz angerufen worden, den Kurs zu ändern. Erst als dies nicht geschehen war, hätte die Besatzung des Kreuzers keine andere Wahl gehabt, als zu schießen. Leider ebenfalls gelogen: Denn ein benachbartes US Kriegsschiff – die USS Sides - wusste sofort, dass die US-Marine einen zivilen Airbus abgeschossen hatte – eben weil der iranische Airbus korrekterweise die Kennung eingeschaltet hatte und weil es sich um einen regulären Linienflug handelte.
Der britische Journalist Robert Fisk befragte nach dem Abschuss US-Militärangehörigen, Angehörigen der britischen Marine sowie der Fluglotsen in Dubai, wurde aber nur von kleinen Teilen der Presse veröffentlicht. Fisk hatte recherchiert, dass sich die USS Vincennes unter dem Kommando von William Rogers durch sehr aggressives Verhalten ausgezeichnet hatte. Mehr als einmal drang das Schiff in iranisches Hoheitsgewässer ein, um Reaktionen durch die iranischen Streitkräfte zu provozieren. Dass unter solchen Randbedingungen die Besatzung jederzeit damit rechnen musste, dass ihre Provokationen Erfolg haben, dürfte klar sein.
Hinzu kam – so die Recherche von Robert Fisk - dass sich die zivilen Fluglotsen in Dubai sehr häufig über aggressive US-Kriegsschiffe beschwert hatten, die regelmäßig reguläre zivile Flüge illegalerweise zu abrupten Kurswechseln gezwungen hätten.
Selbstverständlich gab es von der US Seite noch nicht einmal eine Entschuldigung. Bereits ein paar Stunden nach dem Abschuss sagte Herr Reagan, er hätte bereits sein Bedauern über den Abschuss erklärt, jetzt sei es aber gut. Na ja, es gab schon Reaktionen der US-Regierung: 1990 erhielt Herr Rogers von US-Präsident Bush für „außerordentliche Pflichterfüllung im Einsatz“ (den Abschuss des zivilen Airbus mit 290 Toten) einen Orden. Die anderen verantwortlichen Offiziere für den Abschuss wurden zur Belohnung befördert. Und die Stadt Vincennes erbaute ein Denkmal. Nicht etwa für die Opfer des Abschusses, sondern für das heldenhafte Abschießen eines unbewaffneten, zivilen Airbus auf einem regulären Linienflug.
Wie reagierte unsere Presse? Der Abschuss des Airbus sei eine Tragödie (und nicht etwa ein Verbrechen), so der allgemeine Tenor. Und eigentlich hätten die Iraner selber Schuld. Die Rechercheergebnisse von Herrn Fisk wurden selbstverständlich noch nicht einmal ignoriert. Schnell gingen die Medien wie die Springer-Presse zu wilden Spekulationen über mögliche Racheakte der iranischen Regierung über. Tage- ja wochenlang wurde über „Selbstmordattentate“ durch iranische Schiffe gegen US-Kriegsschiffe „berichtet“. Es wurde ausführlich darüber "berichtet", dass der Kapitän der USS Vincennes, Herr Rogers jetzt gefährdet sei, Ziel eines terroristischen Anschlages zu werden. So ist es der Presse gelungen binnen weniger Tage aus Tätern Opfer und aus Opfern Täter zu machen.

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