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  • demokratie

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Antwort I

Mrothyr schrieb am 19. September 2006 16:58

> die ursprüngliche "soziale Marktwirtschaft"
> ist ein direktes Ergebnis der neoliberalen Ideen.

Zugegeben....der Begriff Neoliberal ist bei mir weniger
wissenschaftlich belegt, denn ein Sammelbegriff für den
vorherrschenden Kapitalismus und seiner negativen Auswüchse.
Allerdings ist die soziale Marktwirtschaft nun wirklich kein Kind des
Wirtschaftsliberalismus. Dieser (Neo-) Liberalismus beruft sich ja
auf, Smith, Hume (richtig geschrieben?) etc.. Die haben einzig die
Konkurrenz zur Triebfeder der Wirtschaft und, das ist das gefährliche
an dieser Ideologie, der Gesellschaft erklärt. Gerade Smith ist gegen
jeglichen "sozialen Schutz", da das nur die Effektivität der
Konkurenzgesellschaft mindern würde.
Die soziale Marktwirtschaft wurde ja gerade als Gegenmodell zum so
genannten Manchester-Kapitalismus entwickelt und das war meines
Wissens erst nach dem zweiten Weltkrieg (Es fällt öfter der Name
Alfred Müller-Amack).

> Eben die Nutzung dieses Kampfbegriffes ohne realen Inhalt, worunter
> alle möglichen mißliebigen Entwicklungen subsummiert werden
> (inklusive Entwicklungen, die gar nicht in den Komplex des
> Wirtschaftsliberalismus fallen) macht es so schwer, argumentativ
> gegen diese Entwicklungen anzugehen.

Jein....es ist ja eben das fatale, an dieser Ideologie, das die
Prinzipien der Konkurrenz und des Kapitalismus zum gesellschaftlichen
Modell stilisiert werden, dem sich alles unterzuordnen hat. Eben die
(Adam Smith) Handelsgesellschaft.
Sicherlich ist 'Neoliberalsimus' heute zum Schlagwort geworden, da
nehme ich mich auch nicht von aus. Aber es ist immerhin ein recht gut
definierter Begriff, den jeder eigentlich schnell recherchieren kann.

> > Siehe Frankreich(zumindest eine gewonnene
> > Schlacht....aber eben nur eine),

> Was denn da? Ich sehe da nichts.

Nun, zumindest wurde die Aufhebung des Kündigungsschutzes erfolgreich
zurückgewiesen. Ich habe nicht gesagt das das zu grundlegenden
Veränderungen geführt hat, aber es zeigt (zumindest mir) das die
neoliberale Ideologie keineswegs so unbesiegbar und sattelfest ist,
wie sie sich gibt und wie sie teilweise dargestellt wird.

> Da bin ich gespannt. Solange die erste Welt den Wirkungen der irrigen
> Idee des entnationalisierten WIrtschaftsliberalismus mit
> nationalstaatlichen Regularien begegnet, statt die
> Verantwortungslosigkeit des fluchtfähigen Kapitals zu bekämpfen, wird
> sich auch in den von dir benannten Ländern mittelfristig eine
> passende Eigentumsverlagerung zu den bekannten Konzernen ergeben.

Das ist soweit richtig. Gewinnen kann man die Auseinandersetzung mit
der neoliberalen Ideologie nur international. Im ersten Schritt muss
es aber erstmal eine Art (Re-)Emanzipation der Bürger in den
nationalstaaten stattfinden. Irgendwie muss man ja anfangen. Eine
internationale Bewegung ensteht ja nicht aus dem nichts heraus.

> Jo. Aber irgendwann ist der Frosch tot. Oder anders gesagt: Ein
> Arbeitnehmer ohne Arbeit und damit ohne Konsumkapital ist für den
> Binnenmarkt tot. "Markt" ist ein Kreislaufsystem - und die
> Betrachtung von Absatzmärkten getrennt von Produktionsstandorten ist
> einer der größten Irrtümer der betriebswirtschaftlichen Lehre, die
> anscheinend heutzutage auch die Mainstream-Volkswirtschaftler erfaßt
> hat.

Mag sein, ich bin kein Wirtschaftswissenschaftler oder BWL'er. Nur
meinst du das es für die Kapitalgesellschaften inen Unterschied
macht, ob wir unser Einkommen für 'High Tech Elektronik' oder für
'Kartoffeln und Reis' ausgeben?

> Es ist mir unverständlich, warum der Kurs trotzdem weiterverfolgt
> wird - vermutlich, weil eine nationalstaatliche Lösung NICHT MEHR
> MÖGLICH ist. Der Markt ist weitgehend monopolbestimmt, der Staat und
> seien Regularien sind entmachtet - entweder im Rahmen der EWG oder
> durch den erpresserischen Einfluß der Lobbys.

Schon....aber hier kommt das desinteresse an der Demokratie wieder
zum tragen. Demokratie ist nunmal per Definition ein instabiles
System (und das ist auch gut so) das jedem Bürger politische
Anteilnahme ermöglicht (oder ermöglichen sollte). Problematisch wird
es, wenn der Bürger diese Beteiligung (ich sag mal provokant) aus
Bequemlichkeit nicht wahrnimmt und sich lieber "regieren lässt". Da
es kein Machtvakuum gibt führt dieses Aufgeben der Beteiligung bzw.
Einflussnahme zu einem wachsen der Einflussnahme kleiner Gruppen. Die
Konzerne wollen Einflussnahme und sie bedienen sich dieser rund um
die Uhr. Daher sind die Entscheidungsebenen in der sinnvollen
Europäische Union auch fest in der Hand der Konzerne. Demokratische
Entscheidungsprozesse sind minimiert oder gleich ganz
ausgehebelt(EU-Kommision).

> "Ausdünnen" war genauso gemeint. In jeder Schicht gibt es permanente
> Fluktuationen, an den Schnittstellen erfolgt ein Austausch, ebenso
> wie im Rahmen der permanenten Erneuerung der Bevölkerung. Der
> Mittelstand dünnt aus - nicht weil dessen Vertreter massenhaft ab-
> oder aufsteigen (die Rate wird sich nicht wesentlich verändert
> haben), sondern weil der Nachwuchs fehlt. Die Geburtenraten sind
> (frag mich jetzt nicht nach Quellen, ich gebe nur den allgemeinen
> Eindruck wieder, den ich gewonnen hab) speziell im Mittelstand
> gering, in dieser Schicht ist der Anteil kinderloser oder
> Ein-Kind-Familien ebenso wie der Anteil an Singles besonders groß.

Das stimmt so nicht. Der Aspekt der Bevölkerungsentwicklung muss hier
vernachlässigt werden denke ich. Die sogen. Mittelschicht ist ja
keine eigenständige "Klasse" die abgeschlossen für sich lebt. Die
Mittelschicht wird durch ihre Kaufkraft definiert und nicht, sagen
wir mal, durch ihren Familienstand. Die Mittelschicht ist die zu
Wohlstand gekommene Arbeiter- und Angestelltenebene mit Haus, Hund,
Auto und genügend Kapital für die Grundversorgung plus Luxuskonsum.
Diese Ebene blutet momentan aus. In Deutschland ist dieser Vorgang
noch nicht abgeschlossen, aber z.B. in den USA ist die Mittelschicht
nahezu verschwunden, da dieser Schicht fast völlig das kapital
entzogen wurde. Dies geschah (bzw. geschieht bei uns) durch die
sogen. Privatisierung. Die staatlichen Leistungen der
umlagefinanzierten sozialen Sicherungen sind kommerzialisiert
worden(sofern in den USA vorhanden) und die Mittelschicht musste nun
ihr gesamtes Kapital zu Existenssicherung ausgeben.

> Das Arbeitspensum zum Erhalt des sozialen Status ist besonders groß.

bzw. zum Erhalt des wirtschaftlichen Status.

> Ein anderer Aspekt ist, daß diese Geselllschaft simpel
> mittelstandsfeindlich ist. Die Steuergesetzgebung konzentriert sich
> primär darauf, die nicht fluchtfähigen Einkommen zu belasten - dies
> sind hauptsächlich Mittelstandseinkommen. Die politischen Kräfte üben
> sich in Lobbyismus und sehen den Mittelstand (bzw. das Bürgertum, um
> mal einen nicht ganz wirtschaftsbezgenen Begriff zu benutzen) vor
> allem als opportunistisch geprägtes Wählerpotential, das man
> instrumentalisieren kann. Die Schicht wird im Allgemeinen als
> rückwärtsgewand und standesbezogen bewertet.

Nicht ganz. man darf nicht die Mittelschicht der Bevölkerung mit den
Mittelständischen Unternehmen verwechseln. Das sind zwei verschiedene
Dinge. Weiter ist nicht die Gesellschaft feindlich gegenüber der
mittelständischen Wirtschaft(die ja knapp 80% alle Arbeitsplätze in
Deutschland stellt) eingestellt, sondern das Großkapital und die
multinationalen Konzerne. Die sorgen mittel Lobbyismus dafür das die
mittelständische Wirtschaft kleingehalten wird um sich Konkurrenz von
Unten vom hals zu halten.

> Ja, einmal. Und ich hab mich nicht getraut, dort offen zu erkennen zu
> geben, daß ich einer der bösen "Unternehmer" bin.

Ach naja. Du wirkst ja nicht eben Kritikunfähig oder? ich denke auch
das die Mehrheit der Kritiker des Neoliberalismus ebenso wie die
Montagsdemonstranten durchaus differenzieren können.

> Was man anscheinend
> in den entsprechenden Kreisen nicht begriffen hat: Aufgrund der
> mikroökonomischen Abhängigkeit, die KLeinunternehmer und ihre
> Arbeitnehmer gegenseitig entwickeln, sitzen beide im selben Boot.

Doch das hat man begiffen. Die Kritik richtet sich ja auch gegen die
Unternehmerverbände und Konzerne. Sicher gibt es auch in den
Kritikerkreisen Menschen die nicht in der Lage sind zu
differenzieren, aber die bilden dort nicht die Mehrheit.

> Problematisch ist Hartz IV vor allem wegen der VERARMUNG ganzer
> regionen - was sich direkt auf die lokalen Unternehmen auswirkt.
> Markt ist vor allem ein Kreislaufsystem.

Aber nur für die mittelständischen Unternehmen. Die Konzerne
interessiert nur die Exportwirtschaft und der Kapitalgewinn. Wenn
Deutschland wirtschaftlich mal am Ende sein sollte....na und....gibt
genug andere Länder die es auszubeuten gilt. Argentinien ist ein
gutes Beispiel für dieses Vorgehen.

> Daß sie nicht übereinanderpassen ist logisch. Nur gibt es eine klare
> Tendenz, im alte marxsche Thesen vom Klassenkampf zu verfallen und so
> die dazwischenstehende Gruppe, den Mittelstand, speziell den lokal
> orientierten Mittelstand, dabei zu zerreiben. Statt ihn als
> Unterstützer zu gewinnen.

Also ich fürchte(und das als 'Nichtmarxist) das der Klassenkampf
mittlerweile wieder Realität ist. Nur wird er diesmal von "Oben nach
Unten" geführt.

> Unbestritten. Es gibt aber andere Formen des protestes - Baderringe,
> Regionalwährungen, etc. pp. Demos sind etwas für Leute, die aufgrund
> ihrer Probleme zu viel Zeit haben.

Entschuldige wenn ich das mal so arrogant sage. Mensch MUSS sich die
Zeit nehmen. Alternative wäre ein Feudalsystem oder eine Diktatur. Da
brauch man sich die Zeit dann nicht mehr zu nehmen. 

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