demokratie schrieb am 22. September 2006 17:18
> Das ist jetzt aber so eine typische 'Kampfrethorik' der Konserativen.
> Alles was sich auf der Straße artikuliert ist ein 'Mob'.
Nein. Aber das, was wir in Frankreich gesehen haben, war in der
Hauptsache Mob. Denn dort wurde durchaus die Grenze zur Gewalt
überschritten.
> Das
> Demonstrationsrecht ist eines der wesentlichen demokratischen
> Bürgerrechte und dient eben dazu, eine Meinungsbildende Menge
> darzustellen.
Ja. Demonstration läßt sich aber nicht auf Pappkameradentragen und
Winkelementeschwenken auf der Straße reduzieren. Sehr sympathisch und
wesentlich effektiver finde ich Online-Demos (wie gegen die
Softwarepatente), da die Betroffenen sich permanent und wesentlich
langandauernder und wahrnehmbarer artikulieren können.
> Wie soll man als Bürger denn sonst verhindern, das die
> Politk einen Kurs einschlägt der einem Teil, oder gar der Mehrheit im
> Lande nicht gefällt?
Normalerweise sind dafür deine gewählten Volksvertreter da. Der
Petitionsausschuß ist ebenso ein einschlägiges Mittel, um der Politik
seine Meinung näher zu bringen. Wenn DER MEHRHEIT im Volk der
Regierungskurs nicht zusagt, hat die Demokratie versagt, denn in
einer Demokratie ist eigentlich die Regierun g als Vertreter der
Mehrheit der Volksinteressen an der macht. Merkst du, was mit an
Demonstrationen nicht zusagt? Sie sind ein Symptom des Versagens der
demokratischen Mitentscheidungswege (und ja, sie haben versagt, mir
reichte ein Gespräch mit meinem völlig desinteressiertem MdB, um das
festzustellen).
> Schade, nach unserer recht interessanten Diskussion, hatte ich eine
> so demokratiefeindliche Einstellung eigentlich nicht erwartet. Das
> nutzen verfassungsrechtlicher Möglichkeiten und demokratischer
> Ausdrucksformen als 'Eskalationsstufe zum Bürgerkrieg' zu bezeichnen
> ist doch eine ziemliche Zumutung.
Das ist kein Widerspruch. Ich respektiere das GG der BRD, ja ich bin
sogar ein Fan des Grundgesetzes (mir fehlen da zwar ein paar Dinge,
aber der Grundtenor geht in die richtige Richtung). Und im
Grundgesetz ist aktiver Widerstand gegen eine volksfeindliche
Regierung fester Bestandteil. Wenn ich Demonstrationen als
Eskalationsstufe vor dem Bürgerkrieg nenne, dann ist das nicht
demokratiefeindlich, sondern durchaus im Rahmen meiner Sicht auf die
real existierende demokratische Ordnung, die im Rahmen des
Grundgesetzes besteht. Nur wenn dieser Widerstand notwendig wird,
haben wir eine volksfeindliche, antidemokratische Regierung - und
damit eine Perversion des demokratischen Systems. Dann reden wir auch
nciht mehr von Demokratie, sondern von Kampf gegen ein (beginnendes)
diktatorisches System.
> Wie kommt man, als offensichtlich diskussionsfähiger Mensch wie du,
> zu so einer antidemokratischen Einstellung?
Vielleicht, weil ich nie ein Demokrat im bekennenden Sinne war? Ich
gehe da mit Heinlein: "In einer Demokratie muß jeder Mensch ein
Aristokrat sein" (zum Verständnis: Aristokrat im aristotelischen,
nicht im klassenkämpferischen Sinne). Ich halte die Demokratie für
die beste Staatsform, wenn man den gemeinwohlorientierten Kompromiß
zwischen den Individualinteressen der Bürger sucht. Aber ich sehe
Demokratie nicht zum Selbstzweck - und bin deswegen auch kein
Demokrat, sondern sehe mich eher als "intelligenten Egoisten", der
das Gemeinwohl als sinnhafte Ergänzung zu seinen individuellen
Interessen sieht und deswegen durchaus kompromißbereit und dem
demokratischen Politiksystem zugeneigt ist. Und deswegen halte ich
ALLE Formen der gewaltsamen Interessendurchsetzung auf der Grundlage
individueller Machtkonzentration - egal ob von oben oder von unten -
per se erst mal für bedenklich.
Dies bedeutet aber auch, daß die Staatsform einer permanenten
Anpassung an die Realität unterliegen muß, Machtkonzentrationen
vermieden werden müssen, politische Entscheidungen möglichst wenig
EInfluß auf meine individuelle Freiheit nehmen und die
Entscheidungsfindung möglichst basisnah unter EInbeziehung aller
Betroffenen (und nur dieser) erfolgt. Der Fehler im System liegt für
mich mithin in der Zentralisierung dieses Konfliktes, ind er
Konzentration der Macht auf beiden Seiten. Insofern ist für mich das
System antidemokratisch, aber die Artikulation durch Demonstrationen
ebenso antidemokratisch. Denn speziell der Aspekt
"Machtkonzentration" wird zum Problem in unserer Gesellschaft - auf
beiden Seiten. Eine logische Folge der Vertreterdemokratie und ihrer
Verholzung, die zu einer Polarisierung der Gesellschaft (mit allen
negativen Folgen bis hin zur Radikalisierung) führt. Deswegen mag
meine Haltung als "antidemokratisch" scheinen - sie ist es nicht, sie
ist nur antizentralistisch.
CU
> Das ist jetzt aber so eine typische 'Kampfrethorik' der Konserativen.
> Alles was sich auf der Straße artikuliert ist ein 'Mob'.
Nein. Aber das, was wir in Frankreich gesehen haben, war in der
Hauptsache Mob. Denn dort wurde durchaus die Grenze zur Gewalt
überschritten.
> Das
> Demonstrationsrecht ist eines der wesentlichen demokratischen
> Bürgerrechte und dient eben dazu, eine Meinungsbildende Menge
> darzustellen.
Ja. Demonstration läßt sich aber nicht auf Pappkameradentragen und
Winkelementeschwenken auf der Straße reduzieren. Sehr sympathisch und
wesentlich effektiver finde ich Online-Demos (wie gegen die
Softwarepatente), da die Betroffenen sich permanent und wesentlich
langandauernder und wahrnehmbarer artikulieren können.
> Wie soll man als Bürger denn sonst verhindern, das die
> Politk einen Kurs einschlägt der einem Teil, oder gar der Mehrheit im
> Lande nicht gefällt?
Normalerweise sind dafür deine gewählten Volksvertreter da. Der
Petitionsausschuß ist ebenso ein einschlägiges Mittel, um der Politik
seine Meinung näher zu bringen. Wenn DER MEHRHEIT im Volk der
Regierungskurs nicht zusagt, hat die Demokratie versagt, denn in
einer Demokratie ist eigentlich die Regierun g als Vertreter der
Mehrheit der Volksinteressen an der macht. Merkst du, was mit an
Demonstrationen nicht zusagt? Sie sind ein Symptom des Versagens der
demokratischen Mitentscheidungswege (und ja, sie haben versagt, mir
reichte ein Gespräch mit meinem völlig desinteressiertem MdB, um das
festzustellen).
> Schade, nach unserer recht interessanten Diskussion, hatte ich eine
> so demokratiefeindliche Einstellung eigentlich nicht erwartet. Das
> nutzen verfassungsrechtlicher Möglichkeiten und demokratischer
> Ausdrucksformen als 'Eskalationsstufe zum Bürgerkrieg' zu bezeichnen
> ist doch eine ziemliche Zumutung.
Das ist kein Widerspruch. Ich respektiere das GG der BRD, ja ich bin
sogar ein Fan des Grundgesetzes (mir fehlen da zwar ein paar Dinge,
aber der Grundtenor geht in die richtige Richtung). Und im
Grundgesetz ist aktiver Widerstand gegen eine volksfeindliche
Regierung fester Bestandteil. Wenn ich Demonstrationen als
Eskalationsstufe vor dem Bürgerkrieg nenne, dann ist das nicht
demokratiefeindlich, sondern durchaus im Rahmen meiner Sicht auf die
real existierende demokratische Ordnung, die im Rahmen des
Grundgesetzes besteht. Nur wenn dieser Widerstand notwendig wird,
haben wir eine volksfeindliche, antidemokratische Regierung - und
damit eine Perversion des demokratischen Systems. Dann reden wir auch
nciht mehr von Demokratie, sondern von Kampf gegen ein (beginnendes)
diktatorisches System.
> Wie kommt man, als offensichtlich diskussionsfähiger Mensch wie du,
> zu so einer antidemokratischen Einstellung?
Vielleicht, weil ich nie ein Demokrat im bekennenden Sinne war? Ich
gehe da mit Heinlein: "In einer Demokratie muß jeder Mensch ein
Aristokrat sein" (zum Verständnis: Aristokrat im aristotelischen,
nicht im klassenkämpferischen Sinne). Ich halte die Demokratie für
die beste Staatsform, wenn man den gemeinwohlorientierten Kompromiß
zwischen den Individualinteressen der Bürger sucht. Aber ich sehe
Demokratie nicht zum Selbstzweck - und bin deswegen auch kein
Demokrat, sondern sehe mich eher als "intelligenten Egoisten", der
das Gemeinwohl als sinnhafte Ergänzung zu seinen individuellen
Interessen sieht und deswegen durchaus kompromißbereit und dem
demokratischen Politiksystem zugeneigt ist. Und deswegen halte ich
ALLE Formen der gewaltsamen Interessendurchsetzung auf der Grundlage
individueller Machtkonzentration - egal ob von oben oder von unten -
per se erst mal für bedenklich.
Dies bedeutet aber auch, daß die Staatsform einer permanenten
Anpassung an die Realität unterliegen muß, Machtkonzentrationen
vermieden werden müssen, politische Entscheidungen möglichst wenig
EInfluß auf meine individuelle Freiheit nehmen und die
Entscheidungsfindung möglichst basisnah unter EInbeziehung aller
Betroffenen (und nur dieser) erfolgt. Der Fehler im System liegt für
mich mithin in der Zentralisierung dieses Konfliktes, ind er
Konzentration der Macht auf beiden Seiten. Insofern ist für mich das
System antidemokratisch, aber die Artikulation durch Demonstrationen
ebenso antidemokratisch. Denn speziell der Aspekt
"Machtkonzentration" wird zum Problem in unserer Gesellschaft - auf
beiden Seiten. Eine logische Folge der Vertreterdemokratie und ihrer
Verholzung, die zu einer Polarisierung der Gesellschaft (mit allen
negativen Folgen bis hin zur Radikalisierung) führt. Deswegen mag
meine Haltung als "antidemokratisch" scheinen - sie ist es nicht, sie
ist nur antizentralistisch.
CU