pacifist004 schrieb am 14. September 2006 18:20
> Hintergrundrauschen schrieb am 14. September 2006 17:03
> > Politik dreht sich schon lagne
> > nicht mehr darum, wie wir leben wollen, sondern, wie wir leben
> > müssen, um den Anforderungen eines selbstdynamischen Marktsystems zu
> > genügen.
> Prinzipiell vollkommen richtig. Diese Entwicklung wird aber von der
> politischen Ebene schon seit langer Zeit forciert. (vgl. z.B.
> Gründung EG/EU, Euro, Osterweiterung, Freihandelsabkommen usw.)
Ich würde es nur nicht "forciert" nennen. Sagen wir, man hat
bereitwillig dem Druck einer Entwicklung nachgegeben, in der Hoffnung
als Teil einer involvierten Elite davon zu profitieren.
> > Die Ursprünge dieser Sichtweise haben nur am Rande etwas mit
> > Kapital zu tun.
> Kannst du letztere Ansicht näher erläutern/belegen?
Das ist nicht in zwei Sätzen erklärt, aber ich versuche mal mich kurz
zu fassen.
Im Prinzip hat es Ende des 18 Jh. mit dem "Take-Off" Effekt
angefangen, als die wirtschaftlichen Verflechtungen begannen komplex
zu werden. Mehr und mehr begann man den Handel, die Produktion und
alles was damit zu tun hatte, rein objektiv im Sinne eines
natürlichen Ablaufs zu betrachten. Das eröffnet sich bereits in den
Begriffen "Ökonomie" und "Ökologie". Oikos = Haus/Haushalt und Nomos
= Gesetz/Gesetzmäßigkeit. Der Markt hat also Gesetzmäßigkeiten, die
nicht als menschengemacht, sondern als dem "System immanent"
betrachtet werden. Die Vergleiche zur Ökologie (Der Lehre des
"Hauses"; logos) sind weitere Beispiele, z.B. die Gesetzmäßigkeiten
der Konkurrenz, oder die Marktlücke als ökonomische/ökologische
Nische. Diese Sichtweise der marktwirtschaflichen Belange als
systemimmanente Gesetzmäßigkeiten hat die politische Regulierung des
Marktes in eine sehr passive Haltung gebracht, in der bewusste
Eingriffe meist mehr Reaktionen auf systemimmante Prozesse sind, als
tatsächliche kreative Eingriffe. Die technologische Entwicklung der
Produktionsmittel und -güter hat ihr übriges dazu getan. Damit ging
auch die Ende des 20 Jh. eintretende Entideologiesierung einher, und
selbst die Kritiker des Globalen Kapitalismus kommen nicht um den
Vergleich zu natürlichen Systemen umher (Müntefering;
"Heuschrecken"). Aber auch im Kapitalismus steckt ein Stück
Restideologie, nämlich jene des individuellen Reichtums. In einer
funktionalistischen Welt ist diese auch am leichesten Angreifbar
(siehe Diskussion um Manager-Abfindungen, etc.). Ein Ausweg aus
diesem System auf eine positive Weise ist nicht in Sicht.
Kapitalfaschismus nach chinesischem Modell macht den Menschen eher
zum Sklaven des Systems, als das System zum Sklaven des Menschen.
Ich hoffe, ich konnte den Gedanken ein bisschen Näher bringen. Es
gäbe noch viele Beispiele, aber wo das Licht mal an ist, liegt das
meiste offen vor einem.
HR
> Hintergrundrauschen schrieb am 14. September 2006 17:03
> > Politik dreht sich schon lagne
> > nicht mehr darum, wie wir leben wollen, sondern, wie wir leben
> > müssen, um den Anforderungen eines selbstdynamischen Marktsystems zu
> > genügen.
> Prinzipiell vollkommen richtig. Diese Entwicklung wird aber von der
> politischen Ebene schon seit langer Zeit forciert. (vgl. z.B.
> Gründung EG/EU, Euro, Osterweiterung, Freihandelsabkommen usw.)
Ich würde es nur nicht "forciert" nennen. Sagen wir, man hat
bereitwillig dem Druck einer Entwicklung nachgegeben, in der Hoffnung
als Teil einer involvierten Elite davon zu profitieren.
> > Die Ursprünge dieser Sichtweise haben nur am Rande etwas mit
> > Kapital zu tun.
> Kannst du letztere Ansicht näher erläutern/belegen?
Das ist nicht in zwei Sätzen erklärt, aber ich versuche mal mich kurz
zu fassen.
Im Prinzip hat es Ende des 18 Jh. mit dem "Take-Off" Effekt
angefangen, als die wirtschaftlichen Verflechtungen begannen komplex
zu werden. Mehr und mehr begann man den Handel, die Produktion und
alles was damit zu tun hatte, rein objektiv im Sinne eines
natürlichen Ablaufs zu betrachten. Das eröffnet sich bereits in den
Begriffen "Ökonomie" und "Ökologie". Oikos = Haus/Haushalt und Nomos
= Gesetz/Gesetzmäßigkeit. Der Markt hat also Gesetzmäßigkeiten, die
nicht als menschengemacht, sondern als dem "System immanent"
betrachtet werden. Die Vergleiche zur Ökologie (Der Lehre des
"Hauses"; logos) sind weitere Beispiele, z.B. die Gesetzmäßigkeiten
der Konkurrenz, oder die Marktlücke als ökonomische/ökologische
Nische. Diese Sichtweise der marktwirtschaflichen Belange als
systemimmanente Gesetzmäßigkeiten hat die politische Regulierung des
Marktes in eine sehr passive Haltung gebracht, in der bewusste
Eingriffe meist mehr Reaktionen auf systemimmante Prozesse sind, als
tatsächliche kreative Eingriffe. Die technologische Entwicklung der
Produktionsmittel und -güter hat ihr übriges dazu getan. Damit ging
auch die Ende des 20 Jh. eintretende Entideologiesierung einher, und
selbst die Kritiker des Globalen Kapitalismus kommen nicht um den
Vergleich zu natürlichen Systemen umher (Müntefering;
"Heuschrecken"). Aber auch im Kapitalismus steckt ein Stück
Restideologie, nämlich jene des individuellen Reichtums. In einer
funktionalistischen Welt ist diese auch am leichesten Angreifbar
(siehe Diskussion um Manager-Abfindungen, etc.). Ein Ausweg aus
diesem System auf eine positive Weise ist nicht in Sicht.
Kapitalfaschismus nach chinesischem Modell macht den Menschen eher
zum Sklaven des Systems, als das System zum Sklaven des Menschen.
Ich hoffe, ich konnte den Gedanken ein bisschen Näher bringen. Es
gäbe noch viele Beispiele, aber wo das Licht mal an ist, liegt das
meiste offen vor einem.
HR