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  • demokratie

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RE IV (..da ist mir doch einer durch die Lappen gegangen)

Mrothyr schrieb am 25. September 2006 15:58

> Nein. Er ist zentralistisch und scheindemokratisch. Die
> Entscheidungsmöglichkeiten sind zentral ausgearbeitet, die
> Formulierungsbasis nur selten einsehbar. Bevor der Bürger frei
> entscheiden kann, muß er sich frei informieren können. Das heißt, er
> muß den GESAMTEN Komplex der Entschedungsfindung passiv oder gar
> aktiv begleiten können.

Da hast du aber ein falsches Bild von Volksentscheiden. Wir reden ja
nicht vom Plebiszit, sondern vom Volksentscheid. In Deutschland ist,
abgesehen von der Bundesebene, überall ein so genannter Volks- oder
Bürgerentscheid möglich.
Vorgehen: Du fühlst dich, sagen wir mal beispielsweise, von einem
Autobahnbau gestört und willst das der nicht stattfindet. Um einen
Volksentscheid darüber zu bewirken musst du als erstes ein Quorum
erfüllen. D.h. du musst eine bestimmte Menge an Menschen finden die
sich ebenfalls an dem Autobahnbau stören. Also, sammelt man die
Unterschriften und reicht diese bei Kommune/Stadt/Land ein. Sollte
das Quorum erfüllt sein ist die Kommune/Stadt/Land gezwungen einen
Volksentscheid einzuleiten. Hier werden alle Bürger der
Kommune/Stadt/Land zur Stimmabgabe aufgefordert und je nach Ergebnis
wird der (in unserem Beispiel) Austobahnbau beendet oder
durchgeführt.
Sicher sind momentan noch zu viele Hürden in diesem Verfahren
eingebaut. Die Quoren sind zu hoch, man kann nicht alle
Entscheidungen beeinflussen etc.
Zentralistisch oder scheindemokratisch ist daran allerdings nichts.

> Nein, es ist ein Zentralismus-Problem. Die
> technisch-organisatorischen Möglichkeiten bestehen, um den gesamten
> Prozeß durch den Bürger begleiten zu lassen. Das Problem ist, daß
> Volksentscheide eine Ausprägung der "Eventdemokratie" sind, wo der
> Bürger in einem zentralisierten System hin und wieder die
> "hervorgehobene Gelegenheit" (Event) hat, sich scheinbar frei zu
> artikulieren. Artikulationsfreiheit bedeutet aber eben NICHT, nur die
> Wahl zwischen einzelnen Möglichkeiten zu haben.

s.O.

> Die Beteiligung des Bürgers muß so einfach werden wie Zeitungslesen
> oder halt die Forenteilnahme.

Das sehe ich auch so. Fehlende Transparenz in der Politik ist ein
großes Problem

> Er muß einsehen können, was seine
> Vertreter grad machen, was sie vorschlagen, warum und wieso. Er muß
> es kommentieren können. Diese Entscheidungsfindung muß basisnah
> erfolgen - bei Angelegenheiten in Hintertupfingen halt auch in
> Hintertupfingen und nicht in Brüssel. So daß auch nur Hintertupfinger
> da mitmachen und nicht ein Franzose der Meinung ist, da mit
> reinzuregulieren. Dann ist auch der organisatorische Aufwand kein
> Problem - denn die Organisation bleibt in den basisnahen Strukturen
> verteilt und reduziert sich auf ein paar technische Aspekte.
> Basisdemokratie ftw.

Nun, ich denke da machst du es dir etwas zu einfach. Was ist wenn
Entscheidungen die regional in Hintertupfingen getroffen werden,
negativen Einfluß auf das Leben in bestimmten regionen in Frankreich
haben? Ich denke eine regionalisierter Wirtschaft macht Sinn, aber
keine (so radikal wie du es beschreibst) regionalisierte Politik. Wir
brauchen keinen Rückfall in die nationale Kleinstaaterei, das wäre
ein Fehler denke ich. Wie willst du überregionale Probleme lösen?

> Ich bin kein toleranter Mensch. Zumindest nicht im heutigen Sinn. Ich
> bin tolerant, weil ich jedem Menschen seine individuelle Freiheit
> zugestehe, solang er mir die Meine zugesteht, seine Lebensweise oder
> seine Überzeugung abzulehnen. Wenn du Demonstrationen als sinnhaft
> ansiehst - deine Sache. Wir können auch gern darüber argumentieren.
> Ich würde das Demonstrationsrecht nie einschränken, es ist für mich
> ein Aspekt der individuellen Freiheit, seine Meinung auf diese Art zu
> artikulieren. Das ist meine Art von Toleranz - Toleranz bedeutet für
> mich aber nicht, meinen Mund dazu zu halten, wenn ich diesen
> Standpunkt nicht teile.

Das ist aber, entschuldige bitte, keine Toleranz. Eine tolerante
Einstellung wäre, wenn du geschrieben hättest, das du jedem Menschen
(und damit auch dir) individuelle Freiheit zugestehst, solange diese
individuellen Freiheiten nicht die Freiheit der anderen verletzt.
Ich denke du meinst das auch so oder?

> Mir ist heute "Toleranz" ein viel zu oft gebrauchter Begriff, der vor
> allem zum argumentativen Stummschaltung führt.

Toleranz ist für mich, die eigene Individualität nicht zum Problem
für andere werden zu lassen und sie doch nicht aufzugeben.

> Das grundsätzliche Problem
> ist, daß wirtschaftliche Macht nciht von politischer Macht entkoppelt
> ist.

Das wird auch schwer zu realisieren sein, wäre aber trotzdem wichtig.
Ein guter Schritt in diese Richtung wäre es, wenn es Politiker in
staatlichen Ämtern verboten wäre noch beruflich tätig zu sein. Das
heißt sie werden zu 100% staatlich bezahlt, es ist ihnen aber
verboten noch andere Einnahmequellen zu haben.

> Durchaus, bin ich bei dir. Ich bin eben wegen dieses Aspektes auch
> ein Befürworter des Bürgergeldes (unter Einbeziehung anderer Aspekte:
> Krankentagegeld, Grundrente, steuerfreies Grundeinkommen,
> Arbeitslosengelöd etc. pp.). Alles, was darüber hinausgeht, sollte
> aber vom Staat entkoppelt und in private Hand gegeben werden.

Also doch die Lösung der neoliberalen Think Tanks? Das was du
schreibst, ist genau das was die fordern.

> Nein, ich verstehe darunter alles, was von einem gewissen
> Grundkonsens abweicht. Es gibt auch Organisationen, die sich
> außerparlamentarisch äußern, aber eben pro status quo. Radikal
> versteh ich primär als auf den kurzfristigen gesellschaftlichen
> Wandel orientiert.

Gut, allerdings ist für mich dieser Grundkonsens recht klein.
Gewaltfreiheit, demokratische Strukturen und Freiheits- und
Menschenrechte müssen akzeptiert werden.

> Vermutlich, weil unsere VERTRETERDEMOKRATIE die Standpunkte der
> bürgerlichen Mitte in der öffentlichen Diskussion fest besetzt hält,
> so daß die bürgerliche Mitte nicht auf eine programmatische
> Hinterfütterung ihrer Position rückgreifen kann?

> Du hast selbst den Finger drauf: Der Neoliberalismus duldet keine
> Alternativen im gleichen Lager, sondern assimiliert sie argumentativ.
> Das ist das Problem der bürgerlichen Mitte - speziell in einer
> Mediokratie, wo Standpunkte sowieso extrem verkürzt und
> verschlagwortet werden. Die "Mitte" wurde in der gesamten Breite
> durch die etablierten Parteien besetzt - unabhängig ob sie
> programmatisch überhaupt abgedeckt wurde.

Ich denke das da die Mainstreammedien einen großen Teil zu beitragen.
Wo wird denn in den Medien noch so etwas wie kritische
Berichterstattung betrieben oder einmal abweichende Argumentationen
vorgestellt? Nur gleichgeschaltete Propaganda. Die
Nachrichtensendungen im Öffentlich rechtlichen (ÖR) Fernsehen
erinnern mich immer mehr an die Sendungen der Aktuellen Kamera des
Fernsehens der DDR (Konnte man in Niedersachsen immer gut empfangen).
Entsprechend ist das Meinungsbild in der Bevölkerung (Erschreckend
das man Menschen so billig manipulieren kann)

> Lies mal "Das Spiel Azad" von Iain Banks. Der beschreibt mit der
> KULTUR angenehm unaufgeregt eine Gesellschaft, die mir gefällt und
> die unter dem Aspekt einer Überflußwirtschaft tatsächlich zu
> funktionieren scheint (nein, Banks ist gerade KEIN Kommunist, auch
> wenn seine Romane so mißinterpretiert werden). Dieses Buch speziell
> reflektiert in Form des Imperiums Azad unsere Gesellschaft und läßt
> auch einige Aspekte anklingen, die die KULTUR da untersscheiden.

Ist notiert ;)

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