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  • Mrothyr

mehr als 1000 Beiträge seit 01.06.2001

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demokratie schrieb am 26. September 2006 16:38

> Hmmm….schon, nur wo willst du die Grenze ziehen? Die letztendliche
> Konsequenz aus deiner Forderung führt doch in den Polizeistaat.

Hmm, das ist aber ein Ergebnis des Eigentumsbegriffs und des
aufgekündigten gesellschaftlichen Konsens. Ich würde auch nicht
sagen, daß es in einen Polizeistaat führt - denn den haben wir schon.
Das Problem ist eher, daß die AHNDUNG des Deliktes von der
sozialisierenden zur abschreckenden Strafverfolgung umschwenkt. Und
dies ist eher die Entwicklung, die du mit "Polizeistaat" umschreibst.
Rigider Knast mit Häftlingen, deren soziale Perspektive auch nach
Absitzen (im wahrsten Sinne des Wortes) der Strafe gleich null ist.
Abschreckungseffekt statt Sozialisierung. Mit gleichzeitig
überfordertem Personal, dessen Kapazitäten nicht mehr ausreichen, um
die entsprechenden Delikte in vollem Umfang zu verfolgen, weswegen
sich die STrafverfolgung von "auf jeden Fall" zu "Pech gehabt,
Statistik halt" wandelt - und das will ich als eben mit dem Begriff
"Trivialisierung" beschreiben - die Tat selbst wird nicht mehr
geahndet, sondern das Pech oder die Dummheit, sich erwischen zu
lassen.

Inwieweit man nun die Trivialdelikte verfolgt oder halt nicht ist
keine Frage der Polizeistaatlichkeit - triviale EIgentumsdelikte sind
im Prinzip asoziales Verhalten (kein Respekt vor dem Eigentum
anderer) und sind damit eher ein gesellschaftliches als ein
rechtliches Problem. Und müssen damit nicht juristisch, sondern
gesellschaftlich an ihrer Ursache gelöst werden (entweder es besteht
tatsächlich eine Wandlung oder gar Destruktion des Eigentumsbegriffs
oder man muß dafür sorgen, daß der gesellschaftliche Konsens betreffs
des Privateigentums wieder auflebt - indem halt die Gemeinwohlbindung
des Eigentums wieder ernst genommen oder gar erzwungen wird und/oder
auch die Sozialwirkung des Eigentums neutralisiert wird, also
Eigentum keine Privilegierung mehr bedeutet).

> Das
> ist ja auch eine akute Bedrohung zu Zeit (allerdings mit der
> angeblichen Terrorgefahr begründet). Willst du jedes Abweichen unter
> Strafe stellen musst du es auch akzeptieren, das der Staat dazu die
> nötigen „Repressalien“ einführt (Kameraüberwachung; Telefon- und
> Emailüberwachung etc.).

Dort hast du das Problem - du siehst die Exekutivgewalt bereits als
"strafend". Allein in dem Umstand liegt eine Fehlentwicklung unseres
Systems - das deutsche Strafrecht verfolgte ursprünglich einen
Resozialisierungsansatz. Dieser tritt aber seit geraumer Zeit in den
Hintergrund, ja wird sogar angefeindet. Die Amerikanisierung des
Strafrechtes, weg von der Resozialisierung hin zur Abschreckung
begründet gerade diese Art von Argumentation. Der Staat "straft" jede
Abweichung - statt daß er Fehlverhalten korrigiert und die Täter
resozialisiert. Natürlich führt dieser Paradigmenwechsel in ein
rigides Rechtssystem, in dem repressive, teilweise sogar
vorauseilende Maßnahmen begründbar werden.

> Da scheinen wir eine unterschiedliche Wahrnehmung zu haben. Sowohl in
> den USA wie auch in Deutschland sind die „Law and Order“ Hardliner
> auf dem Vormarsch. Wo siehst du eine Trivialisierung? In der Menge
> der Delikte? Da sehe ich eher eine Bestätigung, das „Law and Order“
> ein Weg in die falsche Richtung ist.

Natürlich ist "law and order" (ich rede ja lieber von der "follow the
rules!"-Gesellschaft) ein Weg in die falsche Richtung. Die
Trivialisierung sehe ich darin, daß (a) die zunehmende Menge von
Trivialvergehen, die dort unter Strafrecht fallen, Straftaten
subjektiv trivialisieren und (b) die zunehmende Unfähigkeit, die
Täter tatsächlich zu verfolgen, ebenfalls die Tat trivialisiert.

In AMerika sehe ich allerdings speziell bei Trivialverbrechen eine
starke Trivialisierung - die Verhärtung des Rechtssystems, die
zunehmende Verschärfung des Strafmaßes läßt die Verhältnismäßigkeit
immer mehr missen, was im Endeffekt auch zu immer konsequenterer
Gewalt bei den einschlägigen Straftat führt. Aber auch das ist eine
logische Folge eines Strafsystems, das eben nicht resozialisierenden
Charakter hat.

> Ok, das kann ich so stehen lassen. Nur gibt es für mich wichtigere
> Aspekte, als die Eigentumsfrage. Menschen- und Freiheitsrechte sind
> für mich bei weitem wichtiger als die Frage des Eigentums.

Natürlich - mir ging es auch nur um den Konsens-Aspekt rechtlicher
Normen, der sich am Eigentumsbegriff recht deutlich machen läßt.
Menschen- und Freiheitsrechte sind doch ein recht schwammiger Begriff
(den man auch noch nach Bedarf umdefiniert - siehe
Selbstbestimmungsrecht für Hartzler). Eigentum ist nun mal sehr
deutlich definiert udn trotzdem primär ein gesellschaftlicher
Konsens, der juristische Untermauerung gefunden hat.

> Ich MUSS mir trotzdem die Hoffnung bewahren, das wir diese
> Feudalherren mittelfristig unter Kontrolle bekommen.

Klar - igni ferroque minari

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