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  • demokratie

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Mrothyr schrieb am 29. September 2006 15:03

> Ich habe im Rahmen des Massen-Gentests in DD bei einem Freund etwas
> erlebt, das durchaus so klingt wie das, was du grad als noch nicht
> gegeben siehst.
(Ich versuche mal, nach einem kleinen Urlaub den Faden nochmal
aufzunehmen)
Also einzelne Fälle habe auch ich schon mitbekommen. Allerdings
schiebe ich die noch auf 'persönliche Entgleisung' oder
'Kompetenzüberschreitung' einzelner Beamter oder Einsatzgruppen. Ich
habe (noch) nicht den Eindruck das das ganze organisert abläuft.
Allerdings habe ich da auch ein Auge drauf.

> Nein, ist es nicht. Da ich von einem resozialisierenden und nicht
> einem strafenden Vollzugssystem ausgehe - was bedeutet, daß dort eher
> psychologische Betreuung als der Strafvollzug in Frage kommt. Denn,
> wie gesagt, ich halte die Kleindelikte NICHT für strafwürdig, sondern
> eher für krankhaftes Verhalten. Zumindest in einer gesunden
> Konsens-Gesellschaft.

Bezeichne es lieber als anti- oder a-sozial. Unsoziales Verhalten ist
eine Frage der Erziehung und dessen was du als gesellschaftlichen
Konsens bezeichnest. Ich habe allerdings mal in einer
Kunstausstellung einen Satz gelesen, der mir nicht mehr aus dem Kopf
will: "Je mehr Gesetze es gibt, desto mehr Verbrecher gibt es"

> Nicht nur für öffentliches Eigentum. Für Eigentum allgemein. Da sie
> keine Chance sehen, teilzuhaben, nehmen sie sich, was sie wollen.

Wenn sie es sich denn wirklich nehmen würden, könnte ich da ja sogar
noch eine Spur Verständnis für haben, wenn ihnen die Gesellschaft
ihnen die Hilfe verweigert. Was mich ganz persönlich ankotzt, ist das
sinnlose Zerstören. Lass mal ein Fahrrad in einer beliebigen
deutschen Großstadt unbeaufsichtigt, aber angeschlossen, über Nacht
stehen. Mit ziemlicher Sicherheit wirst du es am nächsten Tag
kaputtgetreten am Boden liegen sehen. Diese Zerstörungswut ist
erschreckend. Sie spricht eigentlich nur noch von hilfloser Wut.

> Ist
> in meinen AUgen sogar nachvollziehbar - und in dieser kranken
> Gesellschaft auch nicht als soziopathisch zu sehen. Schließlich nimmt
> sich die Elite unserer Gesellschaft auch, was sie kriegen kann - ohne
> soziale Rücksichten.

Das ist sicherlich eine Antwort darauf. Ein weiterer Grund ist das
völlige ignorieren des (ich nenne es einmal so)Wählerauftrags und die
totale Ignoranz gegenüber dem Protest (weswegen ich ja gerade das
'massivere' demonstrieren einfordere).

> Durchaus. In meinen AUgen gehört die Leistung mindestens gleich
> behandelt. Daß wir einen Eigentumsschutz im GG haben, aber keinen
> gleichwertigen Leistungsbezug, ist für mich eines der größten
> Ägernisse des GG.

Ich würde da noch weiter gehen. Wir brauchen eine klare Unterordnung
der Eigentumsrechte unter die Menschen-, Freiheits-, und
Sozial-rechte.

> Oh, ich sehe es schon als sinnhaft an, daß die Exekutive einen
> Schutzauftrag hat. Dieser sollte aber PASSIVEN Charakter behalten.
> Aufklärung, die Bereitstellung von Schutzzonen (für mich sind zum
> Beispiel Frauenhäuser keine rein soziale Einrichtung, sondern haben
> auch einen rechtspflegerischen Aspekt).

Was du da als Beispiele anführst sind aber (und das ist auch gut so)
soziale Einrichtungen und keine Einrichtungen der Polizei. Die
Polizei sollte, meiner Meinung nach, wirklich nur geschehene
Verbrechen ahnden und Punkt. Die Polizei kann und darf keine
gesellschaftliche Funktionen übernehmen. Da würden wir es uns zu
bequem machen.

> Da stimme ich mit ihm überein - denn dann gibt es die Taten nciht
> mehr, die "geahndet" werden müssen, dann gibt es nur noch Täter, die
> THERAPIERT werden müssen.

Ich störe mich etwas an der Sichtweise...das antisoziale Verhalten
als Krankheit zu betrachten. Das wurde im Dritten Reich so gesehen.
Keine Angst , ich stelle dich nicht in die rechte Ecke. Nichts liegt
mir ferner. Ich will nur daran verdeutlichen das diese Sichtweise
schon einmal katastrophale Auswirkungen hatte. Menschen die sich
antisozial oder kurz asozial Verhalten sind nicht krank, sondern
haben Defizite. Soziales Verhalten muss schließlich erst erlernen. Es
ist auf jeden Fall nicht angeboren.

> Das mag im Einzelfall ein Kleindelikt sein
> und nicht so schlimm wirken - aber es straffrei zu stellen, es zu
> dulden ist ein Weg in die falsche Richtung, weil es dem Täter
> signalisiert, daß es sozialkonformes Verhalten ist.

In Ordnung, bleiben wir dabei. Nicht zu reagieren wäre ein Fehler, da
stimme ich dir zu. Auch habe ich den EIndruck, das wir beide die
Lösung in der Sozialpilitik sehen und nicht in der Justizpolitik. Ich
finde es nur wichtiger den gesellschaftlichen Konsens (ich habe, wie
du bemerkst, diesen Begriff mal in mein Vokabular übernommen;) )
wieder aufzubauen, statt zu strafen.

> Ich will nicht Giulianis Überwachungsreich, ich will keine
> Strafverfolgung nach amerikanischen Muster - ich sehe es als
> notwendig an, die Gesellschaft auf einen Stand zu bringen, wo
> Trivialstraftaten nicht mehr als sozialkonform angesehen werden. Und
> die paar leute, die solche Taten begehen, sich möglichst freiwillig,
> notfalls aber auch zwangsweise in Therapie begeben. Dies werden aber
> EINZELFÄLLE sein, die keine Kameraverfolgung notwendig machen werden,
> sondern eher ein gutgeschultes psychologisches Team.

Lass den Ansatz mit der 'Krankheit' weg (siehe oben). Soziale
Kompenetnz sollte bereits in der Schule und im Kindergarten
vermittelt werden (damit häusliche Defiziete durch unzureichende
Erziehung durch die Eltern ausgeglichen werden können). Bei
Erwachsenen, die durch asoziales Verhalten auffallen wäre dann eine
Art 'Nachschulung' angesagt (Wäre bei etlichen Konzernbossen mal
dringen nötig).


> Giulianis Ansatz ist falsch. Er nimmt die Trivialdelikte als
> gottgegeben hin und verfolgt sie STRAFEND. Die extreme Technisierung
> der Polizei in dem Zusammenhang folgt daraus, daß die Delikte
> zumindest regional SOZIALKONFORM sind, gesellschaftlich weitgehend
> goutiert wirden (Bandenkriminalität et cetera). Da ist nichts mehr
> mit therapieren, dort müssen den Anwohnern Perspektiven außerhalb der
> Bandenkarriere geboten werden. Dazu war Giuliani nicht fähig, dazu
> ist das amerikanische Rechtssystem nicht fähig (strafender statt
> resozialisierender Ansatz).

Stimmt.

> Nochmal: Ich empfinde es als falsch, Trivialdelikte hinzunehmend und
> straffrei zu stellen - das legalisiert diese weitgehend.

Vieleicht sollte man beide Ansätze kombinieren. Trivialdelikte nicht
ahnden, aber gleichzeitig in einem breit angelegtem Projekt, die
soziale Kompetenz der betrofffenen Menschen erhöhen und eine
gesellschaftliche Alternative zur "Beschaffungskriminalität" anbieten
(in Form eines funktionierenden Sozialsystems).

> Ja - und nun? Der Eigentumsbegriff ist Grundlage des gesamten
> Wirtschaftssystems. Den können wir nicht einfach umkippen. Wenn wir
> anfangen wollen, die Sache auf vernünftige Füße zu stellen, ohne daß
> wir diese Gesellschaft komplett zertören udn mit Gewalt eine neue
> Ordnung etablieren, müssen wir die Sozialbindung des Eigentums wieder
> stärken.

Der Eigentumsbegriff ist (und darf auch nicht) zur gesellschaftlichen
Grundlage werden. Der Mensch(und seine Rechte) MUSS immer über den
Eigentum stehen. In unserem rechtssystem sind die Eigentumsrechte mit
den Persönlichkeitsrechten auf eine Stufe gestellt und das halte ich
nach wie vor für einen Fehler, der z.B. zu der Missachtung des
Eigentums beigetragen hat, da es viele Menschen gibt, die inzwischen
ihre Persönlichkeitsrechte durch die Überbewertung des Eigentums
gefährdet sehen(viele vieleicht eher instinktiv, aber manche auch
durch Überlegung). Ich zähle mich zu diesen Menschen.

> Mit der gewaltsamen Vernichtung bedrohen (im Wortsinn: Mit Feuer und
> Schwert bedrohen).

> Oder anders gesagt: wenn der Konsens zwischen Kapitaleignern und
> Abhängigen in dieser Gesellschaft nicht wieder hergestellt wird, wenn
> der Sozialbindung des Eigentums nicht wieder Geltung verschafft wird,
> dann muß das halt durch Gewalt durchgesetzt werden (ergo:
> Bürgerkrieg).

In der Tat. Vieleicht wäre ein Bürgeraufstand auch mal angesagt.
Allerdings nicht in der Form eines Bürgerkriegs, sondern in der Form
der totalen Verweigerung (Generalstreik und ähnliche Formen). Die
'normalen' Demonstrationen mit Schildchen hochhalten und
Trillerpfeife werden nicht mehr ausreichen, so unangenehm ich das
auch persönlich finde.

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