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  • Mrothyr

mehr als 1000 Beiträge seit 01.06.2001

Rere IVa

demokratie schrieb am 26. September 2006 16:01

> Zentralistisch oder scheindemokratisch ist daran allerdings nichts.

Ich erlebe das, was du beschreibst, grad in zwei Fällen mit. Im
ersten Fall ist Quorum und Volksentscheid durch, trotzdem streiten
sich momementan zwei Instanzen um die Umsetzung (eine Instanz ist
dafür, eine Instanz ist dagegen). Es geht um eine Brücke zur
Umfahrung eines Innenstadtkerns. Eine dabei hineinregulierende
Instanz ist dabei gar die UNESCO. Volksentscheid?

Die andere Sache ist eine Krankenhausprivatisierung. Gegen diese wird
gerade ein Volksentscheid durchgeführt (im Ansatz eine gute Idee).
Nach ein bißchen Umhören zum Hintergrund zeigt sich aber: Wenn der
Volksentscheid gemacht und das Ansinnen auch bestätigt wird, wird der
direkte Verkauf abgeschmettert. Dann erfolgt _von der
Aufsichtsbehörde_ eine Zwangsvereinigung des gewinnbringenden
Krankenhausverbandes mit einem ineffektiven Krankenhausverband im
Nebenkreis, was die Zahl der Häuser verdreifacht. Der Gesamtverband
wird ineffektiv, in drei Jahren wird ein Verkauf des neuen Verbandes
nach einer einschlägigen Effizienzaktion (Schließung von 2/3 der
Häuser) von neuem angesetzt.

So - Quorum hin und her: Die Fragen, die man zuerst stellen müßte,
sind: Warum kann die Aufsichtsbehörde eine Zwangsfusion eines
kreiseigenen Krankenhauses durchsetzen? Aus welchem Grund hat die
momentane AUfsichtsbehörde eine Änderung des Belegungsplanes nicht
einbezogen, so daß die Zuschüsse für eine Station fehlen? Warum wird,
trotz positiver Bilanzen des Verbandes, diese fehlende Bezuschussung
als Grundlage der Verkaufsabsicht genannt? Vor allem da dieselben
Politiker, die jetzt hinter dieser Verkaufsaktion stehen, die
Anpassung des Bettenbelegungsplanes an den Krankenhausneubau
verschleppt haben? Warum wird nicht zumindest die Basis der Käufer
auf regional und sozial verträgliche Organisationen reduziert,
sondern es werden auch radikale Investorengruppen aus dem Auslad aus
dem "Heuschrecken"-Dunstkreis mit einbezogen? Dieser Volksentscheid
ist nett, aber er reduziert sich auf einen Tritt in den
Allerwertesten des Landrates. Die EInflußmöglichkeiten sind gering,
die Fragestellung des Quorums ist dabei schon manipulierend, arg
verkürzend und im Endeffekt alternativlos (ja, ich hab selbst
entsprechende Unterschriftenlisten hier ausliegen gehabt). Die
EInflußmöglichkeiten der Bürger sind gering, die Konsequenzen nicht
überschaubar.

> Das sehe ich auch so. Fehlende Transparenz in der Politik ist ein
> großes Problem

Siehe oben.

> Nun, ich denke da machst du es dir etwas zu einfach. Was ist wenn
> Entscheidungen die regional in Hintertupfingen getroffen werden,
> negativen Einfluß auf das Leben in bestimmten regionen in Frankreich
> haben?

Dann haben die Franzosen durchaus das Recht, sich an der
Meinungsfindung in Hintertupfingen zu beteiligen. Ich will die Sachen
doch nicht regional BEGRENZEN, ich will sie nur regional ORGANISIERT
und UMGESETZT sehen. Wenn Hintertupfingen solche Aktionen starten,
regionale Wirkungen in Frankreich zeigen, werden die betroffenen
Franzosen wie die Hintertupfingen sich am Entscheidungsfindungsprozeß
beteiligen.

> Ich denke eine regionalisierter Wirtschaft macht Sinn, aber
> keine (so radikal wie du es beschreibst) regionalisierte Politik. Wir
> brauchen keinen Rückfall in die nationale Kleinstaaterei, das wäre
> ein Fehler denke ich. Wie willst du überregionale Probleme lösen?

Ich will den Menschen die Freiheit geben, sich bei Entscheidungen,
die sie betreffen (oder wo sie sich betroffen fühlen) zu beteiligen.
Und zwar über den gesamten prozeß hinweg. Und so selektiv, wie wir
Zeitung lesen, werden wir uns auch an der Politik beteiligen, WENN
die ´politische Mitbestimmung so einfach ist wie Zeitungslesen. Es
geht mir nciht darum, es zwangsweise einzuengen, es geht mir darum,
die Entscheidungsinstanzen nach unten, an die Basis zu verlagern und
die Einflußnahme der Bürger auf diese Instanzen zu verstärken.
Machtteilung, Machtaufsplitterung zurück zum Bürger. Wenn sich jemand
in Bremen gemüßigt fühlt, über einen Lagerschuppenneubau in München
mitentscheiden zu müssen - soll er es meinetwegen tun. Er wird es
nicht tun, weil auch in Bremen zur gleichen Zeit genug
Lagerschuppenneubauten zum reinreden existieren werden.

Das Grundprinzip für mich heißt: Der Bürger soll bei jeder
Entscheidung im gesamten Prozeß gestaltungsfähig sein. Von der
Initiierung über die Formulierung bis hin zur Entscheidung und
Umsetzung. Und zwar nicht in Form eines singulären Events, sondern
gewohnheitsmäßig. Dann wird er die aktive Teilnahme auch nur selektiv
praktizieren - und zwar dort, wo er tatsächlich betroffen ist und
Gestaltungsbedarf sieht.

> Das ist aber, entschuldige bitte, keine Toleranz.

Doch, ist es. Ich toleriere seine Meinung, ich akzeptiere seine Art
des Lebens. Um Toleranz zu üben bedarf es nicht der Zustimmung,
sondern nur der Akzeptanz.

> Ich denke du meinst das auch so oder?

Ja. Das schließt trotzdem nicht aus, daß ich dazu eine Meinung habe
und diese auch kommuniziere.

> Toleranz ist für mich, die eigene Individualität nicht zum Problem
> für andere werden zu lassen und sie doch nicht aufzugeben.

Gut gesagt. Leider wird heute Toleranz EINGEFORDERT und dient zur
aggressiven Durchsetzung von Minderheiteninteressen. Beispielhaft
wäre hier der Komplex der Schwulen-Hochzeit zu nennen, wo die Chance
zur Reform des Familienrechtes vertan wurde, indem die
Minderheiteninteressen der Homosexuellen-Fraktion mit in die
Privilegierung aufgenommen wurden, statt die allgemeine
Privilegierung aufzuheben und stattdessen zum Beispiel eine
Kinderorientierung des Familienrechtes einzuführen.

Wohlgemerkt: Ich bin kein Schwulen-Hasser, was jemand in seinem Bett
treibt ist mir prinzipiell egal. Ich bin kein Christ, ich toleriere
mithin durchaus auch multiple Partnerschaften und möchte diese vor
dem Gesetz auch gleichberechtigt sehen. Was mich ärgert ist, daß
Toleranz heute mit Privilegierung verwechselt wird - und zwar in der
Form, daß nicht Privilegienreduktion das Ziel ist, sondern
Mitprivilegierung einer tolerierten Minderheit.


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