Ansicht umschalten
Avatar von demokratie
  • demokratie

mehr als 1000 Beiträge seit 20.09.2004

Standhaftigkeit fehlt

Mrothyr schrieb am 14. September 2006 17:44

>  - Menschen sind von Natur aus Opportunisten, sie suchen den Schutz
> der Menge. Die Deutschen machen da keine Ausnahme. Eher im Gegenteil
> - während sie auf den "Führer" warten, der sie aus dem Tal der Tränen
> geleitet, heulen sie gern über den Opportunismus ihrer Landsleute.

Mag sein, ist ja auch nicht einfach gegen den Strom zu schwimmen und
es kommen einem dabei so viele Leute entgegen die einen warnen oder
beschimpfen. Aber diese Mentalität sollte doch zu kippen sein. Es
gibt doch auch Erfolge im Kampf gegen die Ideologie des
Neoliberalismus. Siehe Frankreich(zumindest eine gewonnene
Schlacht....aber eben nur eine), in Venezuela, in Bolivien(solange
die beiden sich gegen den CIA behaupten können) und evtl. bald auch
in Mexico (ist noch in der Schwebe).

>  - Der Kippeffekt fehlt bisher.

Sicher nicht zufällig. Der Kippeffekt wird sorgsam vermieden. Ich
denke alle hier kennen das Beispiel mit dem Frosch und dem langsamen
erhitzen.

> Es sind zwar quantitativ durchaus
> Einschnitte zu spüren, das Geld wird knapper - aber eine neue
> Qualität (im Sinne von massenhaftem gesellschaftlichen Abstieg)
> findet man nicht. Einen gesellschaftlichen Abstieg erleben vor allem
> die mittleren EInkommen. Der Mittelstand, das Bürgertum dünnt aus,
> wird entweder proletarisiert oder schafft den Sprung in die oberen
> Schichten. Richtig Mische wird es erst geben, wenn das Proletariat
> einen deutlichen qualitativen Lebensqualitätsverlust zu verarbeiten
> hat - also das Brot-und-SPiele-System versagt.

Das ist jetzt etwas widersprüchlich finde ich. Einerseits schreibst
du das es keinen massenhaften gesellschaftlichen Abstieg gibt, aber
du bemerkst das der Mittelstand ausdünnt. Der "Mittelstand" ist ja
nun mal die breiteste gesellschaftliche Schicht in Deutschland, also
kann man schon von einem massenhaften gesellschaftlichen Abstieg
reden. Nur geht der eben nicht schlagartig vor sich, sondern
schrittweise. Ein Sprung in die "oberen Schichten" ist eher das
Märchen mit denen der Mittelstand bei der Stange gehalten wird.

> >  - Teile und Herrsche funktioniert recht gut. Wenn sich soziale
> Spannungen zu entladen drohen, finden sich durchaus genügend Kräfte,
> die eine geschlossene Front der Betroffenen verhindern. Florida-Rolf
> war so ein Fall, wo die "Sozialschmarotzer-Diskussion" den Blick auf
> die Realitäten verstellte.

Das zumal ist unbestritten

> Die Hartz-IV-Kundgebungen, wo sich die
> extreme Linke zu willigen Idioten machen ließ und mit ihrer
> politischen Instrumentalisierung der Proteste den Mittelstand und das
> Bürgertum von einer Teilnahme abschreckte, war ein weiterer Fall.

Ach naja. Warst du mal selber auf den Montagsdemos? Sicher waren da
auch Linke, aber es waren doch hauptsächlich Betroffene. Das "Linke"
und "Betroffene" eine Schnittmenge bilden ist sicher etwas was es zu
beobachten gilt.

>  - Verholzung der politischen Entscheidungsmechanismen. Selbst wenn
> du heute einen Protest anzettelst kommt die Quintessenz des Protestes
> nur in einer stark vorbearbeiteten Form bei den Entscheidungsträgern
> an. Die Presse geht durch diverse Büros, Meinungsbilder werden von
> professionellen Meinungsbildmalern aufgearbeitet.

Das liegt aber an der Art und Weise wie hier Protest gelebt wird.
Protest wird ja auch genau so inszeniert in Deutschland. Es wird
EINMAL eine bundesweite Großdemo inszeniert, aber nur um eben die
Presse auf den Plan zu rufen, die dann ihre Version des Ereignisses
weiter zu den "Entscheidungsträgern"(bei dem heutigen Grad an
Korruption/Lobbyismus fragt Mensch sich bloß wer das sein mag)
leiten. Dann gehen alle schön brav Nachhause, schalten die Glotze
ein, sehen eine  fünf Minütigen Kurzbericht mit 10 Sekunden
Luftaufnahme und heruntergeredeten Teilnehmermerzahlen, werden von
der Politik ignoriert und jammern das man sich ja nicht durchsetzen
kann.
Die Menschen müssen erst einmal wieder lernen, das eine Demonstration
eben eine 'Demonstration der Macht" sind. Sicher wird man
vordergründig ignoriert, aber seid euch sicher das das hinter den
Medienkulissen genaustens beobachtet wird.
Ignorieren ist immer die erste Reaktion der Politiker. Erstmal
schauen wie ernst es die Menschen meinen bis sie nachgeben. Was? Die
geben nach einer Demo bereits auf? Na dann...weiter im Programm.
Denkt an Frankreich! Haben die nach einer Demo klein beigegeben? Man
muss so lange die 'Macht demonstrieren' bis sie nachgeben und nicht
nur demonstrieren um  eine Zeitungsmeldung zu bewirken. So hat das
noch nie funktioniert.

> Ein protest, der
> für die Entscheidungsträger tatsächlich DEUTLICH ist, muß in
> Deutschland vermutlich schon die Qualität haben, die der
> Bauernaufstand für die damaligen Adligen hatte.

Ja genau....und ? Wo ist das Problem? So funktioniert Demokratie nun
mal. Man muss sich konsequent einsetzen für das was man erreichen
will. Einmal zu einem netten Sonntagsspaziergang mit
'Plakathochhalten' gehen reicht nun mal nicht aus, um sich gegen
milliardenschwere Konzerne durchzusetzen, da muss man schon
deutlicher werden.

> Denn im gegensatz zur
> DDR darfst du heute alles sagen - nur interessiert sich keine Sau
> dafür. Den Leuten ist wohl bewußt, daß die Entscheidungsstrukturen
> derart lang und die Entscheiderkarrieren derart fern des Volkes sind,
> daß Entscheidungen zu Problemen sowohl zeitlich als auch sachlich so
> nah an der Realität sind, wie ein Wasserstoffatom in Andromeda nah an
> einem Koffeinmolekül in meinem Nachmittagskaffee ist. Selbst wenn die
> POlitik guten Willen hat...

Jaja....im Ausreden suchen um uns nicht auf die Straße zu begeben und
lieber bequem im Internet zu jammern sind wir Weltmeister. ;)


>  - Revolutionsmüdigkeit. Mal ehrlich: Was haben uns die Revolutionen
> denn bisher gebracht? Ich war '89 dabei

Ex DDR-Bürger? Da habe ich mal eine kleine Frage. Warum habt ihr
eigentlich damals die DDR in die Geschichtsbücher verbannt, wenn ihr
heute wieder seelenruhig dabei zuschaut das der gleiche
Überwachungsmist in Gesamtdeutschland wieder etabliert wird?

> Uns wird doch immer noch erzählt, daß wir
> in einer sozialen Marktwirtschaft leben - wobei das Wort zur
> Worthülse ohne Inhalt verkommen ist. Warum? Weil keien Sau mehr weiß,
> was drin steckte.

nein, weil sich keine Sau für den Erhalt der sozialen Marktwirtschaft
einsetzt und lieber versucht den eigenen Hintern an die Wand zu
bekommen('Vieleicht erwischt es ja dann nur den Nachbarn')

> Uns fehlt in der Bevölkerung die Bildung, die
> hilft, Ursachen für den Abstieg zu vermitteln, so daß die Bevölkerung
> sich mehr als mit *blök* artikulieren kann.
Also ich habe auch nur Fachhochschulabschluss und eine
Berufsausbildung und kann mir zusammenreimen was hier abgeht. Meine
Beobachtungen sagen mir eher, das die Menschen (kann mich da leider
auch nur teilweise von ausnehmen) zu bequem sind um sich für ihre
Rechte und in letzter Konsequenz auch für ihren Besitz einzusetzen.
Viele wissen und verstehen was hier abgeht, ignorieren es aber
einfach, da am 1. ja doch noch die Gehaltsüberweisung kommt und es
doch einfacher ist die Klappe zu halten und lieber auf
Schnäppchenjagd zu gehen.

> Mithin müßte eigentlich eine
> TRANSNATIONALE Gegenbewegung entstehen

Das ist unbedingt erforderlich! Aber damit eine Gegenbewegung
transnational wird  muss sie erstmal auf nationaler Ebene entstehen
und sich dann international Vernetzen. Das Weltsozialforum war
schonmal ein erster Ansatz finde ich.

P.S.

Schade das ich erst jetzt Gelegenheit zum antworten habe. Vieleicht
gibt es ja trotzdem noch eine Reaktion ;)

Bewerten
- +
Ansicht umschalten