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  • demokratie

mehr als 1000 Beiträge seit 20.09.2004

re I

Mrothyr schrieb am 25. September 2006 13:59

> Sollte die Staatsgewalt zerfallen, ist primär der Eigentümer-Status
> in Gefahr, Besitzer ist ja nur ein Zustand, in den sich jeder bringen
> kann - notfalls mit Gewalt. Zerfällt der innergesellschaftliche
> Konsens wird zuerst auch das Eigentum auf dem Prüfstand stehen - die
> Sicherung der Verfügungsgewalt wird privatisiert, Eigentumsdelikte
> werden zunehmen. All dies ist heute schon wahrzunehmen: Die
> EIgentumsdelikte nehmen zu, werden aber gleichzeitig trivialisiert.

Ja diese Entwicklung beurteile ich fast genauso. Nur das
Eigentumsdelikte trivialisiert werden denke ich nicht. Ich finde
eher, das die Entwicklung ähnlich wie in den USA abläuft, wo die
Justiz sozusagen den "Part des Sozialsystems" übernimmt. In den USA
sind rund 30% aller unter dreißig jährigen Menschen bereits einmal im
Gefängniss gewesen. Der gesellschaftliche Konsens 'Eigentum' wird
dort zwar nicht mehr einheitlich geschützt, sondern nur noch
partitiell für den reichen teil der Bevölkerung. Die wird eben über
die Justiz vor den Armen geschützt. Erinnerst du dich an das
Hochwasser in New Orleans? Dort rückte ja dann nach ein paar Tagen
die Armee an, nicht um zu helfen sondern um mit Gewalt die
Besitzstände der Firmen und reichen Bürger zu sichern.
Diese Entwicklung ist bei uns auch zu bemerken finde ich. Die 'Gated
Community' ist zwar bei uns noch selten, hat aber auch schon Einzug
gefunden.
Also zusammenfassen, denke ich das der sogenannte Konsens 'Eigentum'
zukünftig eher mit (Staats-) Gewalt durchgesetzt werden wird udn zwar
von oben nach unten.

> Wohlgemerkt: Ich bin kein Verfechter des Eigentumsbegriffs, ich
> betrachte diese monopolhafte Verfügungsgewalt als Fehler, da die
> Übernahme der Verfügungsgewalt in der Vergangenheit immer gewaltsam
> aus Gemeineigentum erfolgte. Die Kommunisten nennen es plakativ
> "Eigentum ist Diebstahl" - und an dieser These ist mehr dran, als man
> im ersten Moment wahrhaben will.

Stimmt. Wird mir in letzter zeit auch immer deutlicher, das Eigentum
irgendwie eine gesellschaftliche Sackgasse ist.

> Nein. Genauso wie der Sozialismus nicht versagt hat. Letzterer hat
> versagt, weil er seinem eigenen Anspruch nicht genügte - und so
> pervertierte. Und Ersterer leidet daran, daß er sich gegen ein
> aggressiveres Eigentumssystem nicht durchsetzen kann, weil er nur in
> Teilen die Voraussetzungen (wie die Gemeinbindung des Eigentums)
> überhaupt kontrollieren kann. Ich kann mir vorstellen, daß der
> Ordoliberalismus funktioniert - in einem ABGESCHLOSSENEN Markt. In
> KOnkurrenz zum Marktliberalismus dagegen kann er nicht funktioneiren,
> weil der Marktliberalismus aggressiver ist und auf schnelle Sicht
> höhere Gewinne verspricht.

> Im Endeffekt dürfte der ganze Komplex rund um den Kapitalismus und
> Liberalismus mittels spieltheoretischen Ansätzen zu erklären sein.
> Schließlich dreht es sich in der Marktwirtschaft um Eigennutz. Und
> wenn ein Spieler die negativen Konsequenzen seines Handelns nciht zu
> tragen hat, wird er auch ohne Rücksicht auf die Konsequenzen handeln.
> Oder anders gesagt: Er wird den regulierten Markt (Ordoliberalismus)
> von außen bewirtschaften, die Vorteile der Regulierung
> (Subventionswirtschaft, konsumfreudiges Klima, sozialer Friede) in
> Anspruch nehmen, die Nachteile (hohe Staatsquote, hohes Lohnniveau)
> aber nicht. Ergo: Sozialisierung der Kosten, Privatisierung der
> Gewinne. Und damit Versagen des Ordoliberalismus, weil dieser nicht
> alle Aspekte der Wirtschaft kontrollieren kann, dies aber müsste.

Interessant. Nehme ich jetzt mal so hin....muss ich erstmal drüber
nachgrübeln

> Meine Maxime ist immer noch: Kosten an den Kostenverursacher, Gewinne
> an den Mehrwerterzeuger. Das klingt erst mal sehr "neoliberal", ist
> im Grundsatz aber nichts anderes als eine Rheorik FÜR kleinteilige
> Wirtschaft.Denn mehrwert produzieren nicht Maschinen oder Gelder,
> Mehrwert produzieren einzig Arbeiter. Warum? Weil in der
> Marktwirtschaft ein Produkt nur den Wert hat, den jemand dafür zu
> zahlen bereit ist - und das ist immer und überall im Endeffekt der
> konsumierende Lohnempfänger (mehr oder weniger direkt, auch die
> B2B-Wirtschaft holt im Endeffekt ihr Geld vom Endkunden. Und das
> Militär sowieso, nur nennt man es dort den Steuerzahler). Hat der
> kein Geld in der Tasche, hat die produzierte Ware KEINEN Wert. In
> einer vollautomatisierten Wirtschaft produzieren die Unternehmen also
> WERTLOSE Waren, da der auf dem Markt definierte Wert derselben gegen
> Null tendiert (unabhängig der Kostenstruktur).

Nur, warum werden diese Waren denn momentan immer teurer?
(Elektronik, KfZ's etc.)

> Auch die Kostenseite
> ist so betrachtbar: Man stelle sich vor, was die Nutznießer privater
> Krankenkassen für Kosten hätten, wenn das sehr massive staatliche
> Gesundheitswesen durch MASSENBEDARF nicht die allgemeine
> Preisstruktur gedrückt hätte? Wie sähe die Refinanzierungsbasis der
> Krankenhäuser wohl aus, wenn nur die Patienten der privaten Kassen
> dort ein und aus gehen würden? Viele Leute machen sich gar keinen
> Plan, welche Synergie-Effekte sich aus der Gemeinschaftsfinanzierung
> ergeben, welche privaten Investitionen sie tätigen müßten, wenn es
> keine Gemeinschaftsfinanzierung gäbe. Und dazu braucht man nicht in
> die USA zu schauen, wo die Gemeinschaftsfinanzierung seit Jahren
> rückläufig ist (wie du schon selbst bemerktest: fast völliges
> Verschwinden des Mittelstandes).

Das finde ich in der Tat auch seltsam. Ich arbeite ja in einem
Bereich der noch recht gut bezahlt ist und wo ich mich mit meinen
Kollegen, noch in dem Bereich bewege, den man gemeinhin Mittelstand
nennt. Du glaubst nicht, wie viele Kollegen dort in billig
Discountern einkaufen gehen und sich täglich damit brüsten was sie
denn nicht wieder für tolle 'Schnäppchen' gemacht haben. Wenn man die
Leute mal mit der Argumentation konfrontiert, das sie damit negativ
auf die eigenen Löhne wirken, kommt nur ein Schulterzucken oder eher
ärgerliche Reaktionen. Ist schon interessant zu sehen, wie Kollegen
die in der Firma die tolsten Projekte realisieren im Privatleben
nicht in der Lage sind von 'eins' über 'zwei' auf 'drei zu schließen.

> Ich denke aber, daß die inneren Konflikte des
> Großkapitals ebenfalls vor dem Ausbrechen sind. Schließlich wackelt
> die Basis des aktuellen Systems, das materielle Eigentum, bedenklich.
> Während die Kapitaleigentümer mittels ihrer exorbitanten
> Renditeerwartung immer mehr Kapital konzentrieren, verlagert sich die
> Mehrwertproduktion von der Warenproduktion zur Ideenproduktion -
> deswegen ja auch der Versuch, das Urheberrecht hin zu einem
> eigentumsbasierenden Warenrecht ("geistiges Eigentum") zu verzerren.
> Schließlich ist "Eigentum" heute die Basis für "Rendite" - auch ohne
> eigenen Anteil an der Mehrwertproduktion. Das Rendite-Kapital ist
> somit PARASITÄR. Diese Verdienstbasis droht aber durch die Entwertung
> der Warenprodunktion durch Vollautomatisierung am Wegbrechen -
> schließlich erfolgt die einzige Mehrwertproduktion nur noch in
> Forschung, Entwicklung und Support.

Das sehe ich auch so. Bleibt nur die Frage, wieso lässt man es
trotzdem so weiterlaufen? Ich sehe hierfür zwei mögliche Antworten,
die beide eher erschreckend sind.
Grund 1:
Eine handvoll superreicher Konzernbosse betreibt das was Jean Ziegler
als Refeudalisierung der Welt bezeichnet und sie nehmen den
Zusammenbruch des Systems in kauf, in der Hoffnung oder Gewissheit
das sie ihre Machtbasis erhalten können......oder

Grund 2:

Es ist so, wie man es manchmal aus der Ebene der Konzernbosse hört,
das diese Leute das Wirtschaftssystem selber nicht mehr beeinflussen
können und nur den Zwängen des Marktes folgen.

Ich muss sagen, das ich 'Grund 2' eigentlich erschrckender finde, da
es beinhaltet, das das riesige System Kapitalismus ein Selbstläufer
geworden ist, dessen Richtung sich nicht mehr stoppen lässt und wir
nur noch zusehen können, wie der Kapitalimus mit sich in die
Katastrophe des Zusammenbruchs zieht.

> Nein, das ist eine Sekundärstrategie. Es ist wahrzunehmen, daß
> aktuell ein sehr aggressiver Kampf gegen die Lohnempfänger geführt
> wird - dies ist aber die KONSUMENTENBASIS. Daß da einige Gruppen
> ausgenommen und ruhiggestellt werden ist sinnvoll - divide et impera.
> Die Frage ist: Warum ist gerade jetzt ein derart aggressiver Kampf
> gegen die eigenen Kundschaft entbrannt?

Nun, da sehe ich den Grund in der AUsweitung des Kapitalismus auf die
ehemaligen kommunistischen Systeme. Dort ist momentan DER (Nachhol-)
Markt. Wenn sich in China besser Geld verdienen lässt, wer brauch
dann noch Deutschland als Absatzmarkt? In China gibt es auch keine
Demokratie, keine lästigen Gewerkschaften, Umweltvorschriften etc..
Wie oft wird in letzter Zeit China in den Medien zum wirtschaftlihen
Vorbild stilisiert. Vorbei die Zeiten, in denen protestierende
Studenten noch als vorbildliche Freiheitskämpfer gesehen wurden.
Heute werden sie durch unsere Medien zu Al Quaida Terroristen
erklärt.

> Ich denke eher, die neoliberale "Revolution" frißt endgültig ihre
> Kinder, die Amerikaner holen jetzt die Entwicklung Europas nach. Nur
> daß Europa aufgrund der globalisierten Natur der Weltwirtschaft
> diesen Scheiß nochmal mitmachen muß. Kriegswirtschaft zur
> Unterdrückung innerer sozialer Spannungen, aggressive Sicherung von
> Ressourcen...

Auf jeden Fall wird es wieder ein langer Weg werden, den jetzt aus
Bequemlichkeit verlorenen Boden von den Konzernen zurückzugewinnen.
DIE werden auch nicht einen Cent kampflos aufgeben.

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