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  • ostkraft

285 Beiträge seit 04.03.2015

So schlecht ist es gar nicht...

Ich bin der Meinung, dass wir keinen Fachkräftemangel haben, sondern einen Mangel an Menschen, die sich in unterbezahlten Jobs schlecht behandeln lassen wollen. Und wer kann ihnen das verübeln?

Wenn Unternehmen keine Leute mehr finden, sei es nun Azubis oder ausgebildete Fachkräfte, dann müssen sie etwas tun. Bessere Bezahlung, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, mehr Sozialleistungen, manchmal würde wahrscheinlich schon ein respektvoller menschenfreundlicher Umgang mit den Mitarbeitern helfen.

Es gibt immer noch mehr als genug Ausbildungsstellen, wo der Azubi nicht mal ein Ausbildungsgehalt bekommt. Oder so wenig, dass das nur funktioniert, wenn der Azubi bei den Eltern wohnen kann und kostenlos zur Ausbildungsstelle kommt. Kenne ich so z.B. von Floristen, Physiotherapeuten oder Bäckerlehrlingen.
Als Eltern würde ich meinen Kindern davon abraten!

Unser ältester Sohn hat in den letzten 3 Schuljahren in der Gesamtschule (Klassen 8 bis 10) jedes Jahr mehrere Tage unterschiedliche Berufsbilder in einem Berufsausbildungszentrum kennen gelernt. Das war natürlich beschränkt auf Handwerk und Diensleistung. Da war z.B. Elektriker/Mechatroniker, Hotelfachmann, Koch, Metallbauer, Lagerist und noch einige andere dabei. Das hat ihm auf jeden Fall geholfen zu erkennen, dass Handwerk nix für ihn ist und er eng mit und am Menschen arbeiten will. Also hat er nach seinem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zum Altenpfleger gemacht. Die Bezahlung wurde in mehreren Schritten deutlich verbessert, sodass Altenpflege-Azubis im ersten Jahr schon mit 1.200 € Brutto anfangen.
Wir sind aufs Land gezogen, der Große wollte aber für Ausbildung und seinem gewohnten sozialen Umfeld in Berlin bleiben. Von dem Azubi-Gehalt kannst du natürlich nicht allein in Berlin leben. Allein seine 1-Zimmer-Bude mit 28 m² kostet warm mit Strom jeden Monat knapp über 500€ (Plattenbau in Marzahn), Tendenz stark steigend. Da haben wir ihn als Eltern natürlich finanziell unterstützt. Jetzt nach Abschluss der Ausbildung verdient er ganz ordentlich (2.800 € Brutto Einstiegsgehalt) und kann demnächst in eine 2-Zimmer-Wohnung umziehen und auch etwas zur Seite legen. Er ist 21, zufrieden und wir müssen ihm nicht mehr ständig finanziell unter die Arme greifen.

Der mittlere war immer nur am Zocken und Youtube glotzen, bis ich ihm einen Programmierkurs für Kinder geschenkt habe und ihn dabei begleitet habe (bin vom Fach). Jetzt ist er 15, geht aufs Gymnasium, lernt jeden Monat ne neue Programmiersprache, programmiert eigentlich fast nur noch, Programme und Spiele für Web, PC sowie Spiele und Apps für Android. Neulich hat er selbst einen Raytracer geschrieben. Er probiert vieles aus und lernt schnell. Er will sein Abi machen, danach Informatik studieren und dann als Software-Entwickler arbeiten. Da mache ich mir keine Sorgen, der Junge wird ein gutes Auskommen haben. Das ich ihn finanziell im Studium unterstützen muss, ist klar. Bafög wird er nicht bekommen. Ich betrachte es als sinnvolle Investition in seine Zukunft.

Der Jüngste interessiert sich hauptsächlich für Akkuschrauber, Bohrmaschinen und Bohrer, Fräser usw. Wenn er sich ein Geschenk aussuchen darf, gehen wir nicht in den Spielzeugladen, sondern in den Baumarkt. Er geht zwar noch nicht zur Schule, ist aber schon sehr davon überzeugt, dass er mal Handwerker wird. Er hat mehr Werkzeug als ich und kennt sich da auch besser aus. Bei ihm mache ich mir auch keine Sorgen. Wenn er es wirklich durchzieht und Handwerker wird, wird er auch ein gutes Auskommen haben. Und wenn er sich den Ausbildungsbetrieb aussuchen kann, weil es zu wenig Interessenten gibt, umso besser!

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