Die Vorstellung, die gepflegt wird, wenn Frieden thematisiert wird ist, dass nicht geschossen wird. Der Blick auf die Not, die das Schießen erzeugt mobilisiert die friedensbewegte Menschheit und bringt sie auf die Straße. Diese Haltung speist sich aus einem Vergleich des "friedlichen Lebens", in dem jeder seinen Geschäften nachgeht mit kriegerischen Zuständen, in denen das eben nicht mehr möglich ist, sondern im Gegenteil ein guter Teil dieses "friedlichen Lebens" zerstört wird. Krieg und Frieden erscheinen aus dieser Perspektive also als gegensätzliche Zustände (im Frieden kann man seinen Geschäften nachgehen, im Krieg nicht, im Frieden lebt man, im Krieg sterben Viele etc.). Viele Leute bringen es, weil sie sich überhaupt nicht damit beschäftigen, was diese Zustände Krieg und Frieden ineinander umschlagen lässt dazu, dem Krieg den Krieg zu erklären, fordern Waffenlieferungen in die Ukraine und merken dabei nichteinmal, wie ihre Friedensliebe sie zu Kriegsbefürwortern macht, denn wenn Frieden sein soll, dass nicht geschossen wird, dann ist die Versendung von Gerät, mit dem man genau das tut mit Sicherheit nicht hilfreich den ersehnten Frieden herzustellen. Höchstens darüber, dass "die Feinde" irgendwann alle erschossen sind oder sich ergeben. Letzteres ist kennzeichnend für die Friedensliebe von NATO und EU, liegt also ziemlich nahe am tatsächlichen Verhältnis von Krieg und Frieden. Dieser Umschlag von Friedensliebe in Kriegsbefürwortung fällt manchen Friedensfreunden auf und sie fordern "Frieden schaffen ohne Waffen". Die Vorstellung dabei ist dem kriegerischen Zweck die Mittel zu entziehen. Dagegen spricht erstens, dass dieser kriegerische Zweck mitten in Friedenszeiten ja vorhanden sein muss, in denen Menschen, die ihren friedlichen Geschäften nachgehen diese Waffen bauen und den auch in Friedenszeiten vorhandenen Einrichtungen, die diese Waffen professionell einsetzen (Armeen) verkaufen. Um so gegensätzliche Zustände kann es sich bei Krieg und Frieden also nicht handeln. Zweitens hat "Frieden schaffen ohne Waffen" auch einen militärischen Inhalt - nämlich den die Waffen des Gegners zu zerstören und ihn so kampfunfähig zu machen, was die russische Armee mit ihrer Luftüberlegenheit aktuell in der Ukraine praktiziert, wogegen NATO und EU mit ihrer Friedensliebe etwas unternehmen wollen, indem sie z.B. das Alteisen des Warschauer Pakts in die Ukraine exportieren. Dazu gehört aber auch der "Non-Proliferation Treaty of Nuclear Weapons" - wohl der eindeutigste Fall von "Frieden schaffen ohne Waffen". Auch daran sieht man: Krieg und Frieden sind keine gegensätzlichen Zustände, da das, worum es in dem Vertrag geht ja mit handfesten Drohungen (bis hin zu militärischen Operationen) z.B. gegen den Iran durchgesetzt wird.
Friedrich Merz betet für den Frieden. Amen. Und gleichzeitig hält er das wenigstens nicht ganz für die richtige Herangehensweise an die realpoilitischen Probleme, mit denen er sich qua Profession herumschlägt. Da braucht der bloße Wunsch nach Frieden, den man im Gebet gen Himmel schickt andere, angemessenere Maßnahmen um den Frieden herzustellen.
Und das sind (wie oben erklärt) kriegerische Maßnahmen wie der Waffenexport in die Ukraine. Macht man das, was Realpolitiker da tun einmal zum Gegenstand aus dem man die Zustände Krieg und Frieden begrifflich zu fassen versucht, dann ist Frieden aus der Perspektive Deutschlands die Geltung eines Rechts, in dem deutsche Interessen gut aufgehoben sind (und aus der Perspektive Russlands und Chinas eben die entsprechenden Zustände, in denen deren Interessen den Inhalt des Rechts ausmachen). Das gilt genauso innerhalb von Staaten und da heißen die kriegerischen Zustände (wenn also Teile der Bevölkerung das Recht kündigen und ein anderes wollen) Bürgerkrieg, Revolution, Befreiungskampf etc. Und damit hat man beide Zustände erklärt: Der Frieden ist der Zustand eines durchgesetzten, geltenden Rechts (auch nach außen wird das in Rechtsform, als Prinzip gesetzt) und Krieg ist die Kündigung dieses Zustandes und der Versuch gewaltsam andere Rechtstatbestände gültig zu setzen (die im Erfolgsfall den neuen Frieden ausmachen). Dementsprechend gilt der Satz "Si vis pacem, para bellum" und ist tatsächlich die Devise, wie man für Frieden sorgt und der verständliche Wunsch, dass nicht gesschossen wird, dass die Leute nicht sterben sollen etc. kommt nicht daran vorbei sich die Frage vorzulegen woher denn die gegensätzlichen Interessen auf der Welt kommen, die für die Umschläge der beiden Zustände Krieg und Frieden ineinander verantwortlich sind. Dass man mit Personalisierung dieser Interessen (Putin, Xi) nicht sehr weit kommt, merkt man daran, dass "Putin" z.B. erst zur öffentlichen Bezeichnung der Russischen Föderation geworden ist, seit die ihr Militär auf Vordermann gebracht und sich nicht mehr der Platzanweisung des Westens anbequemt haben. D.h. der Gegensatz, in den der Westen sich zu Russland (und Russland zum Westen) gestellt hat, hat für die deutsche Öffentlichkeit aus der Russischen Föderation Putin und aus Letzterem einen Wahnsinnigen gemacht (weil hiesigen Kommentatoren jede Abweichung vom Herrschaftsanspruch des Westens als "Wahnsinn" gilt). Wenn "unsere" guten Bomben irgendwo niedergehen und das westliche Friedenswerk voranbringen, dann gibt es dafür immer gute Gründe.
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