szul schrieb am 02.03.2022 11:09:
Ich spreche nicht von den Taten,
sondern der (geheuchelten) moralischen Empörung.
Auch wenn man mit dem Ergebnis zufrieden sein,
oder zumindest leben kann,
so kannman ja immernoch den (falschen) Prozess,
der zu diesem Ergebnis geführt hat,
kritisieren.
Das ist richtig. Wogegen ich mich wehre ist allerdings, einen Angriffskrieg damit zu rechtfertigen. Selbst wenn der gesamte Westen nur noch aus Heuchlern bestehen würde, was ganz zweifellos nicht wahr ist, wäre das trotzdem keine Rechtfertigung für ein solches Verbrechen.
Ja, besser jemand tut das Richtige aus den falschen Gründen,
als etwas Falsches.
Nur kotzt mich die (geheuchelten) moralischen Empörung
dennoch an,
zumal man nicht davon ausgehen kann,
dass es das nächste mal wieder so kommt,
da die tatsächlichen Gründe ja verschwiegen werden.
Du kennst die "tatsächlichen Gründe"? Ich kenne sie nicht. Ich habe in den letzten Jahrzehnten gelernt, die Dinge anders zu bewerten. Wenn ich wissen will, wer lügt und wer die Wahrheit sagt, dann höre ich nicht den Affen mit Hut zu, sondern schau mir die Menschen an. Dann verzieht der Nebel sich meist schnell.
Und was sehe ich da?
Ich sehe Menschen, die erbittert um iher Freiheit kämpfen obwohl sie einer erdrückenden Übermacht gegenüber stehen. Ich sehe einen mutigen Präsidenten, der um die Zukunft seines Landes kämpft. Ich sehe Menschen die ihre Frauen und Kinder in Sicherheit bringen wenn sie das können. Und ich weiß dass es enden wird wie in Aleppo: mit der systematischen Zerstörung ganzer Städte, ganz egal was die Menschen dort in ihrer Verzweiflung auch immer tun.
Ich sehe auf der anderen Seite:
Keine freie Meinungsäusserung, kein Demonstrationsrecht, keine Opposition, keine freien Medien, panische Angst vor der Wahrheit, Propaganda, das Verbot einen Krieg als einen Krieg zu bezeichnen, Desinformation der Bevölkerung, weil man weiß, dass diese das Verbrechen niemals mit tragen würde. Die systematische Vorbereitung eines Angriffskrieges auf eine bis zur letzten Sekunde ungläubige Bevölkerung.
Eine Bevölkerung die sich niemals vorstelle konnte, dass das passieren könnte. Das Russland sie mit Panzern und Raketen angreift. Ich sehe Interviews mit Menschen die wütend darüber sind, was ihr Präsident da tut und ich bewundere ihren Mut darüber zu sprechen.
Ich habe in den Tagen vor dem Angriff Interviews mit Menschen in mehreren ukrainischen Städten gesehen, die allesamt meinten, sie machten sich keinerlei Sorgen, weil Russland sie niemals angreifen würde.
Gezielte Angriffe auf Gebäude auch im Stadtzentrum, selbst in Charkiw, mit russischer Bevölkerung, direkt an der Grenze zu Russland. Putin lügt. Er lügt seine eigenen Leute an, er lügt die ganze Welt an. Er schlachtet seine eigenen Leute in einem Krieg gegen ein Brudervolk ab, das sich niemals vorstellen konnte dass es jemals zu so etwas kommen könnte. Er schämt sich nicht einmal, den Präsidenten als Drogensüchtigen und seine Regierung als Faschisten zu beschimpfen.
Wen töte ich?
Und in welchem Nachbarland?
Ich habe keine derart engen Beziehungen
zu Menschen in Frankreich oder Polen,
dass ich sie als "Brüder" bezeichnen würde,
geschweige denn, dass ich sie töten würde?
Wovon redest du?!?Und nocheinmal - ich rechtfertig keine Taten,
sondern kritisiere die geheuchelte Empörung
vieler westlicher Politiker.
Du kannst das gerne tun. Es wird den Krieg aber nicht stoppen. Das muss aufhören! Es muss endlich Schluss sein mit Hetze, Großmachtphantasien, Krieg, Zerstörung und Vertreibung.
Ehrlicher wäre es einzugestehen,
dass der Irak und Jugoslawien (so wie es ablief) Fehler waren.
Dann kann man auch gerne den Bogen zur aktuellen Situation spannen,
und sagen dass so etwas nie wieder passieren darf.
Ich will jetzt hier keine geschichtliche Abhandlung anfangen. Der Irakkrieg war ein Raubzug der USA, ein Verbrechen. Er war auch der Versuch, eigene Eingriffe in das Gefüge der Staaten zu korrigieren. Saddam war schließlich ein Homunkulus der USA bevor er sich unabhängig machte. Deutschland hat sich von Anfang an dagegen gestellt.
Was die Jugoslawienkriege angeht: ich weiß nicht wie alt du bist und woher du deine Informationen hast, aber ich habe diese Zeit miterlebt und war nicht mit allem einverstanden was da geschah. Aber mir ist nicht entgangen, dass dort vor allem offen faschistische Regime bekämpft wurden, die sich z.B. bei der Belagerung von Sarajevo einen Spaß daraus machten, mit Snipern von den Bergen aus Zivilisten zu erschießen, und das über JAHRE! Es ist nicht schwer sich darüber zu informieren, die entsprechenden Fakten sind leicht auffindbar. Die Anführer sitzen - sofern sie noch leben - inzwischen als Kriegsverberecher hinter Gittern.
Wir haben uns damals lange, vielleicht sogar zu lange, dagegen gewehrt, Verantwortung für die Menschen dort zu übernehmen. Es wirkt aber in Putins Argumentation in diesem Zusammenhang geradezu absurd, seinen Gegnern in der Ukraine faschistische Tendenzen und vielleicht sogar noch Drogensucht nachzusagen. Denn genau das waren und taten in Jugoslawien seine Freunde.
Das wirst du aber bei RT, Sputnik und deren Adepten nicht finden.
Und noch ein Punkt ist mir wichtig: keines der Länder, die in Jugoslawien eingegriffen haben, hat jemals irgend welche Reichs- oder Großmachphantasien geäussert oder ist irgend welchen Eroberungsplänen nachgegangen. Man hat eingegriffen um gegen aggresive und bis an die Zähne bewaffnete Banden vorzugehen, die sich aus den Beständen Titos bedienten und rassistische, faschistische und separatistische Pläne hatten und Massaker begingen, bei denen systematisch gemordet wurde, also tatsächlicher Völkermord begangen wurde.
Diese Länder sind heute allesamt Demokratien mit freien Wahlen. Wollten sie wieder zurück in Putins Arme, könnte es ihnen niemand verbieten.
Aber wenn man die eigenen Fehler verschweigt,
diese dann aber anderen vorwirft,
dann ist das einfach nur heuchlerisch.
Du hast ja recht.
Aber mach mal die o.g. Recherche und dann lies das nochmal.