Ha, mal eine richtige Diskussion. Toll! Die Sachen, in denen wir
schon weitgehend einig sind, habe ich mal gesnippt.
lilywhite schrieb am 4. November 2003 12:56
> einname schrieb am 4. November 2003 10:25
>
> > lilywhite schrieb am 3. November 2003 21:33
[snip]
> Nehmen wir an, das stimmt alles so. Glaubst du, Hohmann hasst die
> Juden aufgrunddessen, dass sie Juden sind? Was eigentlich für mich
> die einzig berechtigte Begründung für den Stempel "Antisemit" wäre,
> was es ja auch ursprünglich bedeutet. Glaubst du also, dass er die
> Juden hasst aufgrund ihrer Herkunft, Religion, Traditionen?
Ehrlich gesagt, interessiert mich nicht so sehr, was im Inneren von
Hohmann vorgeht. Vermutlich ist es so wie bei vielen Politikern, daß
er in der Bevölkerung beliebte Meinungen weiterverbreitet, um die
Beliebtheit damit auf seine eigene Person zu lenken. Dafür spricht
auch, daß er jetzt so schnell mit seiner öffentlichen Entschuldigung
eingeknickt ist, anstatt zu seiner Meinung zu stehen und dafür einen
Karriereknick als Politiker in Kauf zu nehmen.
Aber es waren antisemitische Äußerungen, weil sie *den* Juden bzw.
dem Judentum bestimmte Dinge unterstellen (z.B. geistige Nähe zum
Bolschewismus), die bestenfalls auf einer Minderheit der Juden
zutreffen.
> > > Es waren ja schließlich auch nicht
> > > alle Deutschen im dritten Reich KZ-Aufseher oder Lagerkommandant oder
>
> > Das ist eben genau der Unterschied zum dritten Reich. Auch wenn
> > natürlich nur eine Minderheit der Deutschen während des Krieges
> > tatsächlich Menschen umgebracht hat, so hat doch eine sehr große
> > Mehrheit Hitlers Politik insgesamt (inklusive Judenverfolgung und
> > Landgewinnung) unterstützt.
>
> Aha. Meinst du wirklich, diese 'sehr große Mehrheit' hat das
> freiwillig getan? Was wäre wohl mit dieser großen mehrheit passiert,
> hätten sie sich geweigert? An abschreckenden Beispielen mangelte es
> derzeit sicherlich nicht.
Im Gegenteil. Es gibt viele Beispiele (z.B. Rosenstraße) die zeigen,
daß es kaum mit persönlicher Gefahr verbunden war, wenn man sich für
Juden in seiner persönlichen Umgebung einsetzte. Etwas anderes war es
natürlich, wenn man sich gegen das Regime als ganzes stellte, also
die Machtverhältnisse ändern wollte. Aber auch da gebe ich zu
bedenken, daß Hitler ja nicht durch einen Militärputsch oder etwas
ähnliches an die Macht gekommen ist(z.B. im Gegensatz zu Lenin oder
Mao), sondern durch einen ganz normalen Regierungswechsel. Gerade in
der ersten Zeit wäre da Widerstand gut möglich gewesen (und hat ja in
geringem Umfang auch stattgefunden, z.B. durch kritische
Journalisten).
> Im Übrigen muss ich sagen, dass ich diese
> Schuldzuweisung an deutsche Zivilisten für ähnlich falsch halte, wie
> eine ernstgemeinte Behauptung, alle Juden wären Verbrecher oder
> Täter, nur weil Scharon sich in Palästina ausbreiten möchte und
> einige israelische Soldaten und Siedler ihm dabei die Hand halten.
> Was meinst du, warum die Menschen in den USA oder Israel oder sonstwo
> auf der Welt ihre verbrecherischen Machthaber nicht stürzen, genau
> wie die deutschen damals? Ja sogar mitmachen und nach außenhin die
> Regierung mehrheitlich unterstützen? Aus Angst! Angst, die
> vielfältigste Gesichter haben kann!
Wenn Du dazu Belege hast, daß die meisten Deutschen damals nicht mit
Hitler sympathisiert haben, würde mich das sehr interessieren. Meine
Ansicht ist eher, daß sie sich von den (zugegebenermaßen sehr
geschickten) Propagandaaktionen der Nazis haben blenden lassen.
> > Dagegen hatte die große Mehrheit der
> > Juden zu diesem Zeitpunkt mit dem Bolschewismus gar nichts am Hut.
>
> Wie ich schon sagte, die große Mehrheit der Deutschen hatte mit
> Lebensraumerweiterung und Rassentheorie genausowenig am Hut! Zwischen
> 'nach außenhin repräsentieren' und 'innerer Haltung' können Welten
> liegen, es müssen nur die Rahmenbedingungen 'stimmen'.
Wie gesagt, wenn es Belege dafür gibt, daß nur eine Minderheit der
Deutschen mit den Nazis sympathisiert haben, dann gebe ich Dir recht.
Aber ich bezweifle das stark.
> Stimmt. Man kann sich aber die Mühe machen, herauszufinden, was das
> Gegenüber mit seinen Äußerungen tatsächlich meint. Es gibt eben auch
> Leute, die wissen sich nicht besser auszudrücken, da kommt es schon
> mal zu Mißverständnissen, die eingigen hier aber leider einfach nur
> gut in den Kram zu passen scheinen.
Stimmt auch. Aber generell halte ich es für besser, nur das zu
schreiben, was man auch ohne Zögern unterschreiben würde, anstatt
einfach den Emotionen freien Lauf zu lassen.
> Gut möglich. Allerdings bist du ein recht leuchtendes Beispiel dafür,
> dass man eine kultivierte Diskussion führen kann, auch wenn man
> konträrer Meinung (in sogar recht vielen Punkten) ist UND die innere
> Goldwaage recht schnell zum Ausschlagen neigt :o)!
Das Kompliment kann ich in vollem Umfang zurückgeben.
schon weitgehend einig sind, habe ich mal gesnippt.
lilywhite schrieb am 4. November 2003 12:56
> einname schrieb am 4. November 2003 10:25
>
> > lilywhite schrieb am 3. November 2003 21:33
[snip]
> Nehmen wir an, das stimmt alles so. Glaubst du, Hohmann hasst die
> Juden aufgrunddessen, dass sie Juden sind? Was eigentlich für mich
> die einzig berechtigte Begründung für den Stempel "Antisemit" wäre,
> was es ja auch ursprünglich bedeutet. Glaubst du also, dass er die
> Juden hasst aufgrund ihrer Herkunft, Religion, Traditionen?
Ehrlich gesagt, interessiert mich nicht so sehr, was im Inneren von
Hohmann vorgeht. Vermutlich ist es so wie bei vielen Politikern, daß
er in der Bevölkerung beliebte Meinungen weiterverbreitet, um die
Beliebtheit damit auf seine eigene Person zu lenken. Dafür spricht
auch, daß er jetzt so schnell mit seiner öffentlichen Entschuldigung
eingeknickt ist, anstatt zu seiner Meinung zu stehen und dafür einen
Karriereknick als Politiker in Kauf zu nehmen.
Aber es waren antisemitische Äußerungen, weil sie *den* Juden bzw.
dem Judentum bestimmte Dinge unterstellen (z.B. geistige Nähe zum
Bolschewismus), die bestenfalls auf einer Minderheit der Juden
zutreffen.
> > > Es waren ja schließlich auch nicht
> > > alle Deutschen im dritten Reich KZ-Aufseher oder Lagerkommandant oder
>
> > Das ist eben genau der Unterschied zum dritten Reich. Auch wenn
> > natürlich nur eine Minderheit der Deutschen während des Krieges
> > tatsächlich Menschen umgebracht hat, so hat doch eine sehr große
> > Mehrheit Hitlers Politik insgesamt (inklusive Judenverfolgung und
> > Landgewinnung) unterstützt.
>
> Aha. Meinst du wirklich, diese 'sehr große Mehrheit' hat das
> freiwillig getan? Was wäre wohl mit dieser großen mehrheit passiert,
> hätten sie sich geweigert? An abschreckenden Beispielen mangelte es
> derzeit sicherlich nicht.
Im Gegenteil. Es gibt viele Beispiele (z.B. Rosenstraße) die zeigen,
daß es kaum mit persönlicher Gefahr verbunden war, wenn man sich für
Juden in seiner persönlichen Umgebung einsetzte. Etwas anderes war es
natürlich, wenn man sich gegen das Regime als ganzes stellte, also
die Machtverhältnisse ändern wollte. Aber auch da gebe ich zu
bedenken, daß Hitler ja nicht durch einen Militärputsch oder etwas
ähnliches an die Macht gekommen ist(z.B. im Gegensatz zu Lenin oder
Mao), sondern durch einen ganz normalen Regierungswechsel. Gerade in
der ersten Zeit wäre da Widerstand gut möglich gewesen (und hat ja in
geringem Umfang auch stattgefunden, z.B. durch kritische
Journalisten).
> Im Übrigen muss ich sagen, dass ich diese
> Schuldzuweisung an deutsche Zivilisten für ähnlich falsch halte, wie
> eine ernstgemeinte Behauptung, alle Juden wären Verbrecher oder
> Täter, nur weil Scharon sich in Palästina ausbreiten möchte und
> einige israelische Soldaten und Siedler ihm dabei die Hand halten.
> Was meinst du, warum die Menschen in den USA oder Israel oder sonstwo
> auf der Welt ihre verbrecherischen Machthaber nicht stürzen, genau
> wie die deutschen damals? Ja sogar mitmachen und nach außenhin die
> Regierung mehrheitlich unterstützen? Aus Angst! Angst, die
> vielfältigste Gesichter haben kann!
Wenn Du dazu Belege hast, daß die meisten Deutschen damals nicht mit
Hitler sympathisiert haben, würde mich das sehr interessieren. Meine
Ansicht ist eher, daß sie sich von den (zugegebenermaßen sehr
geschickten) Propagandaaktionen der Nazis haben blenden lassen.
> > Dagegen hatte die große Mehrheit der
> > Juden zu diesem Zeitpunkt mit dem Bolschewismus gar nichts am Hut.
>
> Wie ich schon sagte, die große Mehrheit der Deutschen hatte mit
> Lebensraumerweiterung und Rassentheorie genausowenig am Hut! Zwischen
> 'nach außenhin repräsentieren' und 'innerer Haltung' können Welten
> liegen, es müssen nur die Rahmenbedingungen 'stimmen'.
Wie gesagt, wenn es Belege dafür gibt, daß nur eine Minderheit der
Deutschen mit den Nazis sympathisiert haben, dann gebe ich Dir recht.
Aber ich bezweifle das stark.
> Stimmt. Man kann sich aber die Mühe machen, herauszufinden, was das
> Gegenüber mit seinen Äußerungen tatsächlich meint. Es gibt eben auch
> Leute, die wissen sich nicht besser auszudrücken, da kommt es schon
> mal zu Mißverständnissen, die eingigen hier aber leider einfach nur
> gut in den Kram zu passen scheinen.
Stimmt auch. Aber generell halte ich es für besser, nur das zu
schreiben, was man auch ohne Zögern unterschreiben würde, anstatt
einfach den Emotionen freien Lauf zu lassen.
> Gut möglich. Allerdings bist du ein recht leuchtendes Beispiel dafür,
> dass man eine kultivierte Diskussion führen kann, auch wenn man
> konträrer Meinung (in sogar recht vielen Punkten) ist UND die innere
> Goldwaage recht schnell zum Ausschlagen neigt :o)!
Das Kompliment kann ich in vollem Umfang zurückgeben.