Jeder kennt doch die sprichwörtliche beleidigte Leberwurst. Das ist ein Mensch, der als sehr leicht zu beleidigen gilt, auch wenn das gar nicht beabsichtigt war. Psychologisch gesehen sind die beleidigten Leberwürste Leute, die sehr auf ihr Ansehen, ihre Reputation, ihr Image achten. Sie fühlen sich wegen jedem Furz beleidigt, der einem anderen unabsichtlich entfleucht. Und sie halten sich für ganz besonders wichtig, geradezu wie eine Eminenz, ein König, eine weitbekannte Person - jede angebliche Beleidigung ist für sie Majestätsbeleidigung und gehört sofort geahndet.
Es gibt aber auch Menschen, die kann man nicht beleidigen, wie sehr man sich auch anstrengt. Das sind Menschen, die in sich selbst ruhen, für die eigentlich beleidigende Worte nichts anderes sind als eben nur Worte. Diese Worte sollen nach Intention des Anwenders den so Bezeichneten aus seiner Reserve locken, also aus seiner Mitte herauszwingen, so daß er emotional reagiert, was dann wiederum seine Denk- und Kritikfähigkeit mindert. Beleidigungen haben aber nicht nur diesen einen Zweck. Sie dienen auch dem Beleidiger als Mittel der Selbsterhöhung. Oft wird dann die Emotionalität des Beleidigten vom Beleidiger scharf kritisiert und als Schwäche interpretiert. Das ist ein saumässig mieses Spiel, an dem aber nur Unkundige und Unaufgeklärte teilnemen, hüben wie drüben.
Wie Arthur Schopenhauer in seinem Büchlein Die Kunst zu beleidigen schreibt, geht es dabei auch darum, Diskussionen (vor Publikum) zu "gewinnen" ("den
Gegner unabhängig von der Wahrheit zu schlagen"). Allein schon die Absicht, gewinnen zu wollen, lässt auf ein tiefes Missverständnis darüber schliessen, wozu Diskussionen eigentlich dienen sollten: Zum gegenseitigen Austausch, zum auf Augenhöhe angestrebten Vergleich und Abgleich verschiedener Sichtweisen und Auffassungen und dergleichen mehr.
Begegnet man einem klügeren und geschickteren Gegner, dann helfen keine dialektischen Kunstgriffe, keine Verschlagenheit in der Rede mehr. Auf der diskursiven Ebene der Argumentation werden wir unvermeidlich geschlagen werden. Das bedeutet jedoch noch nicht, daß die Partie schon verloren ist. Es bleibt als extrema ratio – so legt Schopenhauer mit einem unverfrorenen Tip nahe – ein letzter, niederträchtiger Kunstgriff, der achtunddreißigste in seinem Katalog, der folgendes einschärft: „Wenn man merkt, daß der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird, so werde man persönlich, beleidigend, grob. Das Persönlichwerden besteht darin, daß man von dem Gegenstand des Streitens (weil man da verlornes Spiel hat) abgeht auf den Streitenden und seine Person irgend wie angreift: man könnte es nennen argumentum ad personam, zum Unterschied vom argumentum ad hominem: dieses geht vom rein objektiven Gegenstand ab, um sich an das zu halten, was der Gegner darüber gesagt oder zugegeben hat. Beim Persönlichwerden aber verläßt man den Gegenstand ganz, und richtet seinen Angriff auf die Person des Gegners: man wird also kränkend, hämisch, beleidigend, grob. Es ist eine Appellation von den Kräften des Geistes an die des Leibes, oder an die Tierheit. Diese Regel ist sehr beliebt, weil jeder zur Ausführung tauglich ist, und wird daher häufig angewandt.
Schopenhauer sieht besorgt auf diese mögliche Eskalation und möchte den Streitenden von solchen Auswüchsen lieber abraten. Das Beste und Klügste sei es, mit allen Mitteln zu vermeiden, sich zu einer solchen problematischen Steigerung treiben zu lassen. Zu diesem Zweck schärft er uns einige praktische Ratschläge ein:
1. Man kann auch mit Nonchalance die Schimpfworte und Beleidigungen des Gegners ignorieren und so tun, als ob nichts weiter wäre. Aus einer ganzen Reihe klassischer Beispielfälle und Anekdoten, die Schopenhauer heranzieht, geht deutlich hervor, daß weise Menschen sich selbst angesichts gröbster Beleidigungen und Beschimpfungen nicht haben aus der Reserve locken lassen und Gelassenheit wahrten.
2. Noch klüger ist der Ratschlag, den Aristoteles in den Sophistischen Widerlegungen erteilt: Man soll tunlichst vermeiden, sich auf Streitgespräche mit dem Erstbesten oder mit jemandem einzulassen, der ins Blaue hineinredet wie die Sophisten. Kurz und gut: Man soll die Gesprächspartner, mit denen man sich ernsthaft unterhalten will, sorgfältig und behutsam auswählen.
Diese ganze "Faktencheckerei" selbsternannter Wahrheitsapostel ist die reinste Augenwischerei. Wer soll denn bitte überprüfen, ob die "Wahrheiten" der "Faktenchecker" zutreffen oder nicht? Meistens waren die nämlich auch nicht dabei, als das geschah, was sie beschreiben und als reinste Wahrheit ausgeben. Hier im Forum werden zum Beispiel Beiträge mit dem Hinweis gelöscht oder gesperrt, sie würden Verschwörungstheorien verbreiten oder Verschwörungstheoretiker verlinken. So als ob es eine total vertrauenswürdige Liste gäbe, wer Verschwörungstheoretiker ist und welche Theorien allgemein als total spinnert gelten. Jeder hat so eine Liste, aber die Listen sind alle ganz unterschiedlich. Seit altersher kann der mit der grössten Macht und dem meisten Geld seine Sichtweise durchsetzen. Mit Wahrheit oder Wahrhaftigkeit hat das nichts zu tun.
Aus dem Artikel:
Frauen stehen der Idee, dass sowohl die Regierung als auch Technologieunternehmen Maßnahmen ergreifen, um falsche Informationen im Internet einzuschränken, immer noch aufgeschlossener gegenüber als Männer, obwohl beide Gruppen solche Schritte der Regierung inzwischen etwas mehr unterstützen.
Wie naiv ist das denn? Glaubt irgend jemand heute wirklich noch an das Wohlwollen von Politikern gegenüber ihren Wählern? Wer als Politiker nicht gut zu lügen weiss, der kommt auf dieser Leiter nicht weiter.
Aber der Staat redet in allen Zungen des Guten und Bösen; und was er auch redet, er lügt - und was er auch hat, gestohlen hat er's.
Friedrich Nietzsche in Also sprach Zarathustra im Kapitel "Vom neuen Götzen"
https://www.pdfdrive.com/search?q=Nietzsche+Zarathustra&searchin=de