Ich denke, es liegt in der gesamten Debatte ein grundsätzliches
Missverständnis vor. In Deutschland gibt es seit einigen Jahren eine
klare (und meines Erachtens begrüßenswerte) Tendenz dahingehend,
Religionen keine Sonderrechte mehr einräumen zu wollen. Das fängt bei
besonderen Arbeitgeberrechten der Amtskirchen an und hört noch lange
nicht auf, wenn es um das (früher) gesellschaftlich akzeptierte (bzw
von den Kirchen eingeforderte) Wegschauen im Bezug auf massenhaften
Missbrauch von Kindern geht. Dazu kommen milliardenschwere
steuerlicher Vorteile sowie massiver politischer und
gesellschaftlicher Einfluss, der sich für einen Staat, der sich
säkular schimpft, kaum gehören kann. Dass in dieser Debatte auch der
Sinn von Religionen in einer modernen Gesellschaft zur Disposition
gestellt wird (ist m.E. ebenso begrüßenswert), dürfte auch jemanden
wie Suchsland kaum verwundern.
Nun gibt es zwei große Religionen in Deutschland, die es für nötig
halten, ihre Kinder genital zu verstümmeln. Und durch das Urteil des
Kölner Landgerichts gegen diese Praxis dürfte sich in der Debatte so
manch ausländerfeindliches Ressentiment Bahn brechen. Die breite -
und bisweilen sehr emotionale - Ablehnung dieser Praxis fußt nach
meiner Beobachtung jedoch nicht in der Ablehnung einer
pluralistischen Gesellschaft, sondern in der Ablehnung von religiösen
Sonderrechten. Es muss sich unweigerlich jedem die Frage stellen,
warum ein Priester böse ist, wenn er seinem Messdiener den Finger in
den Po steckt, während es gleichzeitig dem kulturellem Verständnis
dienen soll, wenn eine Gesellschaft Genitalverstümmlung zulässt.
Nicht, dass mich jemand falsch versteht: Kindermissbrauchende
Priester und ihre gesamte mafiöse Schutzbrigade aus Klerikern und
Anwälten sollen zur Hölle fahren! Ich will dieses Problem auch
keinesfalls relativieren. Nur ist das eine eben als traumatisch
indiziert, das andere wird als Beschneidung (als wenn man sich die
Fußnägel schneidet) verharmlost.
Der Vergleich hinkt sicherlich an vielen Stellen. Aber er
verdeutlicht, dass religiöse Sonderrechte immer stärker in der
GEsellschaft hinterfragt werden. Und warum sollte dieser Prozess
ausgerechnet vor der Genitalverstümmlung von Kindern stoppen? Es geht
bei der Diskussion nicht mehr um "welche Religion soll unsere Werte
bestimmen?", sondern um "warum dürfen Menschen, die einem
überkommenen Weltbild anhängen, sich eigentlich alles erlauben?"
Eine explizit antijüdische oder antimuslimische Stimmung mag es -
auch in beunruhigendem Maße - in diesem Lande geben, auch in Bezug
auf diese Debatte. Das ist natürlich fatal, jedoch nicht der primäre
Treiber der Diskussion. Es ist vielmehr eine religionskritische
Tendenz, die Sonderrechte hinterfragt und die man als aufgeklärter,
freigeistiger und - ja, auch als religiöser - Mensch nur begrüßen
kann. Denn nur solange ein Individuum mit seiner Religiösität nicht
die Rechte anderer beschneidet (ha!) kann ein Zusammenleben
verschiedener Weltanschauungen funktionieren.
Auch Praktiken und Anhänger von Minderheitsreligionen dürfen und
müssen kritisiert werden. Sich gegen den Bau einer Moschee wie in
Köln zu echauffieren ist dumpfbackige Ausländerfeindlichkeit. Ein
Sonderrecht wie Genitalverstümmlung von Kindern in Frage zu stellen
ist ein berechtigtes Anliegen in einer modernen Gesellschaft. Hier
die Nazikeule auszupacken, wie es Suchsland und Co tun, zeugt von
mangelnder Differenzierungsfähigkeit.
Best
T.
Missverständnis vor. In Deutschland gibt es seit einigen Jahren eine
klare (und meines Erachtens begrüßenswerte) Tendenz dahingehend,
Religionen keine Sonderrechte mehr einräumen zu wollen. Das fängt bei
besonderen Arbeitgeberrechten der Amtskirchen an und hört noch lange
nicht auf, wenn es um das (früher) gesellschaftlich akzeptierte (bzw
von den Kirchen eingeforderte) Wegschauen im Bezug auf massenhaften
Missbrauch von Kindern geht. Dazu kommen milliardenschwere
steuerlicher Vorteile sowie massiver politischer und
gesellschaftlicher Einfluss, der sich für einen Staat, der sich
säkular schimpft, kaum gehören kann. Dass in dieser Debatte auch der
Sinn von Religionen in einer modernen Gesellschaft zur Disposition
gestellt wird (ist m.E. ebenso begrüßenswert), dürfte auch jemanden
wie Suchsland kaum verwundern.
Nun gibt es zwei große Religionen in Deutschland, die es für nötig
halten, ihre Kinder genital zu verstümmeln. Und durch das Urteil des
Kölner Landgerichts gegen diese Praxis dürfte sich in der Debatte so
manch ausländerfeindliches Ressentiment Bahn brechen. Die breite -
und bisweilen sehr emotionale - Ablehnung dieser Praxis fußt nach
meiner Beobachtung jedoch nicht in der Ablehnung einer
pluralistischen Gesellschaft, sondern in der Ablehnung von religiösen
Sonderrechten. Es muss sich unweigerlich jedem die Frage stellen,
warum ein Priester böse ist, wenn er seinem Messdiener den Finger in
den Po steckt, während es gleichzeitig dem kulturellem Verständnis
dienen soll, wenn eine Gesellschaft Genitalverstümmlung zulässt.
Nicht, dass mich jemand falsch versteht: Kindermissbrauchende
Priester und ihre gesamte mafiöse Schutzbrigade aus Klerikern und
Anwälten sollen zur Hölle fahren! Ich will dieses Problem auch
keinesfalls relativieren. Nur ist das eine eben als traumatisch
indiziert, das andere wird als Beschneidung (als wenn man sich die
Fußnägel schneidet) verharmlost.
Der Vergleich hinkt sicherlich an vielen Stellen. Aber er
verdeutlicht, dass religiöse Sonderrechte immer stärker in der
GEsellschaft hinterfragt werden. Und warum sollte dieser Prozess
ausgerechnet vor der Genitalverstümmlung von Kindern stoppen? Es geht
bei der Diskussion nicht mehr um "welche Religion soll unsere Werte
bestimmen?", sondern um "warum dürfen Menschen, die einem
überkommenen Weltbild anhängen, sich eigentlich alles erlauben?"
Eine explizit antijüdische oder antimuslimische Stimmung mag es -
auch in beunruhigendem Maße - in diesem Lande geben, auch in Bezug
auf diese Debatte. Das ist natürlich fatal, jedoch nicht der primäre
Treiber der Diskussion. Es ist vielmehr eine religionskritische
Tendenz, die Sonderrechte hinterfragt und die man als aufgeklärter,
freigeistiger und - ja, auch als religiöser - Mensch nur begrüßen
kann. Denn nur solange ein Individuum mit seiner Religiösität nicht
die Rechte anderer beschneidet (ha!) kann ein Zusammenleben
verschiedener Weltanschauungen funktionieren.
Auch Praktiken und Anhänger von Minderheitsreligionen dürfen und
müssen kritisiert werden. Sich gegen den Bau einer Moschee wie in
Köln zu echauffieren ist dumpfbackige Ausländerfeindlichkeit. Ein
Sonderrecht wie Genitalverstümmlung von Kindern in Frage zu stellen
ist ein berechtigtes Anliegen in einer modernen Gesellschaft. Hier
die Nazikeule auszupacken, wie es Suchsland und Co tun, zeugt von
mangelnder Differenzierungsfähigkeit.
Best
T.